Bayer-Aufsichtsrat:Herr Wenning hat ein Monsanto-Problem

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Herr und Lehrling: Der umstrittene Aufsichtsvorsitzende Werner Wenning (li.) mit seinem Vorstandschef Werner Baumann. (Foto: Jürgen Schwarz/imago)
  • Die Krise des Bayer-Konzerns ist eng mit einem Namen verknüpft: Werner Wenning. Der Chef des Aufsichtsrates ist seit Jahrzehnten im Unternehmen.
  • Er soll eigentlich den Vorstand kontrollieren - doch Kritiker werfen ihm vor, seinen "Ziehsohn" Werner Baumann zu schützen.
  • Beide hatten gemeinsam die umstrittene Übernahme des Saatgut-Herstellers Monsanto vollzogen. Die Bayer-Aktie hat seitdem massiv an Wert verloren.

Von Caspar Busse

Bayer ist sein Leben: Vor genau 53 Jahren, im April 1966, fing Werner Wenning nach der Schule eine Ausbildung zum Industriekaufmann im Konzern an. Der Mann, geboren 1946 in Opladen, heute ein Stadtteil von Leverkusen, machte eine Bilderbuch-Karriere - vom Lehrling zum Aufsichtsratschef. Er war in Peru und in Spanien, in der Konzernrevision und im Controlling in Leverkusen. 1997 wurde Wenning Vorstandsmitglied, von 2002 bis 2010 Konzernchef. Nach der vorgeschriebenen, zweijährigen "Abkühlphase" übernahm der begeisterte Fußballfan den Vorsitz des Aufsichtsrats von Bayer und erhält dafür gut 400 000 Euro im Jahr.

Nun der steht 72-Jährige im Zentrum der Krise des Traditionskonzerns. Die Aktionäre haben dem Aufsichtsrat mit nur 66,38 Prozent der Stimmen das Vertrauen ausgesprochen, der Vorstand fiel sogar durch. Denn seit der Übernahme des umstrittenen Saatgutherstellers Monsanto für mehr als 50 Milliarden Euro hat Bayer jäh an Wert verloren. Da stellt sich die Frage, welche Verantwortung das Kontrollgremium um Wenning trägt.

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Vorstands- und Aufsichtsratschef sollten auf das berechtigte Misstrauen der Anteilseigner reagieren und Platz für eine neue Führung machen. Bleiben sie einfach, schadet das der ganzen deutschen Wirtschaft.

Kommentar von Caspar Busse

Im Vorfeld der Hauptversammlung am vergangenen Freitag hatte etwa der einflussreiche Stimmrechtsberater Glass Lewis den Aktionären empfohlen, den Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Viele Investoren aus Großbritannien und den USA orientieren sich an diesem Votum. Nach der Abstimmung sagte Wenning: "Der Aufsichtsrat nimmt dieses Votum sehr ernst." Doch noch in der Nacht zu Samstag ließ er mitteilen, der Aufsichtsrat stehe "geschlossen hinter dem Vorstand". Also alles weiter wie bisher?

Ein "totales Versagen" attestiert Manuel Theisen dem Bayer-Aufsichtsrat. Der Betriebswirtschaftsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, spezialisiert auf gute Unternehmensführung (Corporate Governance), kritisiert schon lange, wie eng Aufsichtsrat und Vorstand verflochten seien. "Das ist eine bittere Lehrstunde für einen permanenten Missbrauch der Corporate Governance", sagt er. Der Bayer-Chefaufseher müsse jetzt schnell handeln. "Wenning sollte den Aufsichtsrat personell, fachlich und altersmäßig überprüfen und renovieren, einschließlich sich selbst", sagt Theisen.

Große Investoren sind gegen einen schnellen Tausch im Management

Wenning hatte Werner Baumann 2016 zum neuen Vorstandschef berufen. Das Duo hatte dann auch die Übernahme von Monsanto vollzogen und verteidigt diese bis heute gegen alle Kritik. Baumann, 56, stammt aus Krefeld und arbeitet seit 1988 für Bayer. Er gilt als Ziehsohn Wennings, die beiden kennen sich seit ihrer gemeinsamen Zeit für Bayer in Spanien. "Das ist eine fast 30-jährige Seilschaft", sagt ein Insider zum Verhältnis der beiden Manager. Seit der jüngsten Hauptversammlung sei Baumann möglicherweise noch stärker vom Wohlwollen Wennings abhängig. Denn der Aufsichtsrat hätte nach der Nicht-Entlastung durch die Aktionäre einen guten Grund, Baumann zu entlassen.

Allerdings betont Experte Theisen gleichzeitig, dass eine sofortige Ablösung von Vorstands- und Aufsichtsratchef nicht sinnvoll sei: "In der Sache bringt das Bayer nicht weiter." Er verweist auf den Industriekonzern Thyssenkrupp, der in kurzer Zeit seinen Vorstandschef und seinen Aufsichtsratschef verlor und in eine Krise geriet. Auch größere Bayer-Investoren sehen das so. "Einen Austausch des Managements würden wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht für sinnvoll erachten", teilt die DWS mit, die Fondsgesellschaft der Deutschen Bank. Sie hatte sich in der Hauptversammlung enthalten, als die Aktionäre Vorstand und Aufsichtsrat entlasten sollten. Interessant: Paul Achleitner, Chefaufseher der DWS-Mutterfirma Deutsche Bank, ist Mitglied des Bayer-Aufsichtsrats, der den Vorstand unterstützt.

"Bei Bayer ist Kritik identisch mit Illoyalität", sagt ein Kenner der Firma

Auch Union Investment, der Fondsanbieter der Volks- und Raiffeisenbanken, will den Spitzenmanagern eine zweite Chance geben, "um die Risiken in den Griff zu bekommen und das Unternehmen wieder auf einen stabilen Wachstumspfad zurückzuführen". Würde Bayer überstürzt den Vorstandschef austauschen, stiege das Risiko einer Zerschlagung, so das Argument. Union Investment hatte in der Hauptversammlung gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat votiert.

Bayer hat sich in den vergangenen Jahren fast komplett auf das Geschäft mit der Landwirtschaft einerseits und mit Arzneimitteln andererseits konzentriert. Der Konzern aus Leverkusen erhofft sich stetes Wachstum, da Landwirte eine wachsende Bevölkerung ernähren müssen - und die Menschen zudem länger und gesünder leben wollen. Allerdings gefährden der Streit um Glyphosat und das vergiftete Image von Monsanto den soliden Ruf des Herstellers von Weltmarken wie Aspirin oder Bepanthen. An der Börse hat Bayer zuletzt fast 40 Prozent an Wert verloren. Mehr als 13 000 Kläger machen glyphosathaltige Unkrautbekämpfungsmittel für Krebserkrankungen verantwortlich.

In der Hauptversammlung kritisierten die Aktionäre auch, dass der Aufsichtsrat unter Wennings Führung Vorstandschef Baumann einen 28 Prozent höheren Bonus für das vergangene Geschäftsjahr genehmigt hatte. In Leverkusen verweist man darauf, dass sich die Sonderzahlungen seit Jahren an einem festen Vergütungsmodell orientieren. "Für dieses Modell darf es ein 'Weiter so' nicht geben", forderte der Vermögensverwalter Christian Strenger. Aufsichtsratschef Wenning will nun bis zum nächsten Aktionärstreffen ein transparenteres Bonusmodell vorlegen.

Im Aufsichtsrat hatte Wenning, der auch im Kontrollgremium von Siemens sitzt, zuletzt offenbar kaum mit Gegenwind zu rechnen. "Bei Bayer ist Kritik identisch mit Illoyalität", sagt einer, der den Konzern gut kennt. Dabei sind im Bayer-Aufsichtsrat bekannte Managerinnen und Manager vertreten, die durchaus einen Ruf zu verlieren haben und bisher nicht dafür bekannt sind, Dinge einfach nur abzunicken. Neben Achleitner sind das etwa Simone Bagel-Trah, Chefaufseherin bei Henkel, Thomas Ebeling, ehemals Boss von Pro Sieben Sat 1, Norbert Winkeljohann, Ex-Deutschland-Chef von Pricewaterhouse-Coopers, oder Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Namen also, die es mit Wenning aufnehmen könnten.

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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