Landwirtschaft:Wider das Billigfleisch

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Mit 5,60 Euro für ein ganzes Huhn gehört dieses Angebot noch gar nicht zu den günstigsten in Deutschland. (Foto: picture alliance / dpa)

Es ist richtig, wenn Ministerin Klöckner nun die Obst- und Gemüsebauern vor der Macht des Großhandels schützen will. Beim größten Problem der Ernährungpolitik ist sie jedoch merkwürdig kleinlaut.

Kommentar von Michael Kläsgen

Es ist gut, dass in Deutschland endlich über Lebensmittelpreise gesprochen wird. Das ist auch das Verdienst von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die das Gipfeltreffen zwischen Kanzlerin und Einzelhandelskonzernen initiiert hat. Vielen Verbrauchern ist gar nicht bewusst, dass die Preise für Nahrungsmittel in Deutschland viel niedriger sind als in vergleichbaren anderen Ländern Europas. Die deutschen Verbraucher haben in gewisser Weise Glück. Hierzulande sind mit Aldi und Lidl zwei der weltweit größten Lebensmitteldiscounter beheimatet, die ständig Druck auf die Preise machen. Vor allem beim Fleisch sind die Verkaufspreise oft erschreckend, im Grunde viel zu niedrig.

Nirgends manifestiert sich die mangelnde Wertschätzung für Lebensmittel so deutlich wie bei Hähnchenschenkel oder Schweinekoteletts für ein paar Cent. Hier tut sich ein moralisches Problem auf. Tierische Produkte sind keine Ware wie jede andere. Für jedes Stück Fleisch muss ein Tier gezüchtet und getötet werden. Das sollte möglichst ohne Leid fürs Tier geschehen, der zusätzliche Aufwand sollte im Preis Ausdruck finden. Doch in dem Punkt verhält sich Klöckner ambivalent.

Kurzfristige Stornierungen - ein Unding

Klöckner hat zwar in mehreren Punkten recht, diese beziehen sich aber im Wesentlichen auf den fairen Umgang mit Obst- und Gemüsebauern: Es ist zu verurteilen, dass die großen Händler ihre Marktmacht ausnutzen, indem sie den Erzeugern ihre Konditionen aufzwingen. Es ist ein Unding, wenn am Abend bestellte Lieferungen in der Nacht wieder storniert werden. Der Schaden, den der Landwirt dadurch hat, darf nicht allein auf ihn abgewälzt werden. Es ist auch nicht zu rechtfertigen, wenn regionale Produzenten etwas zahlen müssen, um überhaupt in den Regalen der Supermärkte und Discounter zu landen. Auch die Eröffnung einer neuen Filiale darf kein Anlass für eine solche Preisdrückerei sein. Wenn doch, missbrauchen die Konzerne in dem Moment ihre Einkaufsmacht, und das kann dank der neuen EU-Richtlinie, die Deutschland in diesem Jahr in deutsches Recht umsetzen will, bald mit Geldstrafen sanktioniert werden. Klöckner sollte das nicht nur ankündigen, sondern auch tun.

Unverständlich ist jedoch, warum die Ministerin Obst- und Gemüsebauern energisch schützen will, beim größten und offensichtlichsten Problem aber, dem Billigfleisch, kleinlaut bleibt. Ein freiwilliges Tierwohl-Label soll genügen, vielleicht, irgendwann. Das ist schlimm, denn vor allem beim Fleisch wären der Handlungsbedarf und die gesellschaftliche Akzeptanz, etwas zu ändern, da.

Es geht nicht darum, in die Preispolitik der Händler einzugreifen. Der Einkaufspreis hat selten etwas mit dem Verkaufspreis zu tun. Es wäre daher unangemessen, den Händlern Sonderangebote zu verbieten. Die unternehmerische Freiheit endet aber da, wo Nutztierzucht zur Quälerei wird und die Bauern in ihrer Existenz bedroht sind. Das bessere Thema des Gipfels wäre daher der schnellere Umbau der Haltungsbedingungen und dessen Finanzierung gewesen. Eine Tierwohlabgabe oder die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes von sieben auf 19 Prozent für tierische Lebensmittel wären interessante Vorschläge, oder die Einbeziehung der Kosten für die Umweltbelastungen. Aber dafür hätte die Regierung die richtigen Akteure einladen müssen, die Fleischproduzenten etwa. Die Handelskonzerne an den Pranger zu stellen, ist zu einfach.

© SZ vom 04.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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