Bankengewerbe: Zwei Jahre nach Lehman:Zahlen sollen alle

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Ausnahmen gibt es nicht: Die Bundesregierung will eine Bankenabgabe für jedes Kreditinstitut auf den Weg bringen, um für die nächste Krise gewappnet zu sein.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Die von der Koalition geplante Bankenabgabe wird alle deutschen Kreditinstitute treffen, also auch Spar- und Bausparkassen sowie Volks- und Förderbanken. Zudem wird der Obolus für die Geldhäuser teurer als erwartet, da sie ihn nicht steuerlich geltend machen dürfen. Den zugehörigen Gesetzentwurf will das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beschließen, knapp zwei Jahre nach der verheerenden Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers.

Die Geldbranche im Visier - Blick auf die Türme der Banken in Frankfurt: Die Bundesregierung will an diesem Mittwoch nun endgültig nach langer Diskussion eine Bankenabgabe beschließen. Zahlen müssen vor allem die Großbanken am Main. (Foto: dpa)

Damit ist der Versuch vor allem der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute gescheitert, sich der Bankenabgabe zu entziehen. Sie hatten argumentiert, dass es nicht sein könne, dass die einen, nämlich die Privatbanken, die Krise verursachten, "die anderen aber dafür zahlen sollen". Union und FDP sehen dies jedoch anders. Die Abgabe sei keine Strafzahlung für die Schuldigen der letzten Krise, sondern ein Beitrag zur Vermeidung künftiger Turbulenzen, hieß es am Montag in Regierungskreisen. Niemand wisse, ob es beim nächsten Mal nicht womöglich die Sparkassen seien, die in Schwierigkeiten gerieten und Hilfe benötigten.

Tatsächlich ist die Einführung der Bankenabgabe Teil eines Gesamtpakets zur Stärkung der Finanzmarktstabilität, das zwei zentrale Komponenten umfasst: Zum einen wird mit dem Gesetz ein eigenes Insolvenzrecht für systemrelevante Banken geschaffen. Damit will die Regierung sicherstellen, dass sie nicht länger zur Rettung eines großen Instituts gezwungen werden kann, nur weil dessen Pleite die gesamte Branche destabilisieren würde. Zum zweiten soll mit Hilfe der Bankenabgabe ein milliardenschwerer Hilfsfonds aufgebaut werden, der ein in Schieflage geratenes Geldhaus im Notfall finanziell unterstützen kann. Erst wenn die Fondsmittel aufgebraucht wären, käme der Steuerzahler ins Spiel.

Um eine große Bank geordnet umbauen oder aber auch schließen zu können, sieht der Gesetzentwurf ein zweistufiges Verfahren vor. Im ersten Schritt kann der Bankvorstand selbst ein Sanierungsverfahren beantragen, das sich an dem in der Industrie bereits etablierten Insolvenzplanverfahren orientiert. Misslingt die Sanierung oder wird der Vorstand aus Sicht der Bankenaufsicht zu spät tätig, ordnen die Behörden ein Reorganisationsverfahren an, das massive Eingriffe etwa in das Eigentumsrecht erlaubt. Dabei dürfen Geschäftsbereiche, die für das Funktionieren des gesamten Finanzsystems wichtig sind, ausgegliedert und auf einen Konkurrenten oder eine staatliche "Brückenbank" übertragen werden. Der nicht "systemische" Rest der Bank wird hingegen abgewickelt.

Damit die Behörden im Krisenfall rasch handeln können, werden alle Großbanken des Landes eine Art Testament verfassen müssen, das Auskunft über die genaue Konzernstruktur, die mutmaßlich systemrelevanten Geschäftsbereiche und Aufspaltungsszenarien gibt. Damit reagiert die Regierung darauf, dass die Institute oft aus Hunderten oder gar Tausenden rechtlich selbstständigen Einheiten bestehen, deren Verflechtung untereinander nicht erst im Krisenfall durchleuchtet werden kann. Allein die Deutsche-Bank-Gruppe soll insgesamt etwa 7000 solcher Einheiten umfassen.

Um im Notfall rasch an Eigenkapital oder Garantien zu kommen, ohne sofort den Steuerzahler belasten zu müssen, wird ein Restrukturierungsfonds eingerichtet. Verwaltet wird er von der Finanzmarkt-Stabilisierungs-Anstalt (FMSA), die bereits den Bankenrettungsfonds Soffin führt. Einzahlen müssen alle Kreditinstitute mit Sitz in Deutschland, nicht jedoch Versicherungen und Investmentfonds. Die Höhe der Abgabe orientiert sich an der Systemrelevanz jedes einzelnen Instituts, also unter anderem an seiner Größe im Gesamt- oder in einem Teilmarkt sowie an dem Grad der Verflechtung mit anderen Banken. Besteuert werden zum einen die Passiva des Instituts, zu denen unter anderem die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Geldhäusern zählen. Allerdings werden von der Summe der Passiva das Eigenkapital sowie die Einlagen der Kunden abgezogen, um eigenkapitalstarke, privatkundenorientierte Häuser zu belohnen. Das bedeutet, dass die Sparkassen und Volksbanken sehr viel schonender behandelt werden als große Privatbanken, die ihr Geld vor allem an den Finanzmärkten verdienen.

Der Abgabentarif ist progressiv gestaltet: Bis zu einer Grenze von zehn Milliarden Euro beträgt der Satz 0,02 Prozent, von zehn bis 100 Milliarden Euro 0,03 Prozent und darüber hinaus 0,04 Prozent im Jahr. Zudem wird das Nominalvolumen der außerbilanziellen Derivate, also besonders risikobehafteter Wertpapiere, mit einem einheitlichen Steuersatz von 0,00015 Prozent belastet. Die Höhe der einmal jährlich erhobenen Abgabe darf dabei 15 Prozent des Jahresgewinns des Instituts nicht übersteigen. Im wirtschaftlichen Boomjahr 2006, dem letzten Jahr vor Ausbruch der globalen Finanzkrise, hätte das Gesetz mehr als 1,3 Milliarden Euro für den Restrukturierungsfonds eingebracht: Davon hätten die Privatbanken 690 Millionen Euro übernehmen müssen, die Landesbanken 319 Millionen, die Sparkassen 60 Millionen, die Volks- und Raiffeisenbanken 27 Millionen und die übrigen Institute - darunter die DZ Bank sowie alle Bausparkassen und Bürgschaftsbanken - 268 Millionen Euro. Angesichts der nach wie vor bestehenden Probleme in der Branche bedeutet das allerdings auch, dass in den kommenden Jahren womöglich weitaus weniger Geld in den Topf fließen wird als jene 1,3 Milliarden Euro.

Im Krisenfall kann der Bund dem Fonds Kredite in Höhe von bis zu 20 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Dazu wird ein Teil der Gelder, die bisher dem Soffin zur Verfügung stehen, umgewidmet. Die Darlehen müsste die Bankengemeinschaft später zurückzahlen. Darüber hinaus kann die Regierung auch Sonderzahlungen der Institute anordnen. Zudem darf der neue Fonds Kreditbürgschaften von bis zu 100 Milliarden Euro gewähren, wozu ebenfalls die Mittel des Soffin entsprechend abgesenkt werden. Langfristig gesehen soll der neue Fonds den Soffin ersetzen, der bereits ab 2011 keine neuen Hilfsanträge von Banken mehr entgegennehmen wird.

© SZ vom 24.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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