Banken: Verdi drängt auf Neuanfang:"Wie bei einer Drückerkolonne"

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Beraten statt verkaufen: Verdi-Vorstand Foullong über den Plan, in Banken eine seriöse Kundenberatung durchzusetzen.

Detlef Esslinger

Am Montag beginnen in Berlin die Tarifverhandlungen für die 240.000 Beschäftigten der Banken. Die Gewerkschaft Verdi stellt Forderungen zu Vorruhestand und Altersteilzeit, und sie verlangt eine "angemessene" Erhöhung der Gehälter. Das Übliche, sozusagen. Darüber hinaus stellt sie jedoch eine äußerst ungewöhnliche Forderung: Das Beratungsgeschäft der Banken soll neu geregelt werden. Verdi-Vorstandsmitglied Uwe Foullong ist der Verhandlungsführer der Gewerkschaft.

SZ: Sie wollen per Tarifvertrag bestimmen, welche Geschäfte eine Bank tätigen und welche sie lassen soll. Ist es realistisch, auf diese Art Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen?

Uwe Foullong: Der Leistungs- und Verkaufsdruck dort macht die Beschäftigten krank. Daher brauchen wir einen Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz. Der Arbeitgeber muss die Pflicht haben, "Gesundheitszirkel" in jedem Betrieb einzurichten. Das sind Gesprächskreise, in denen regelmäßig mit den Beschäftigten oder ihren Vertretern über die Arbeitsbelastung gesprochen wird. Krankheitsquoten und Überstunden im Betrieb sollen erfasst werden, so dass man in den Zirkeln Vorschläge zur Abhilfe machen kann.

SZ: Das Problem sind doch die Arbeitsbedingungen der Bankberater: Die Zielvorgaben an sie sind oft viel zu hoch. Und sie sollen Produkte verkaufen, an denen die Bank besonders gut verdient.

Foullong: In dem Tarifvertrag soll drinstehen: Ziele müssen erreichbar sein. Und es muss verboten werden, den Bankberatern weiterhin produktbezogene Ziele zu geben, also, dass sie jeweils eine bestimmte Menge von diesem Fonds oder jener Versicherung verkaufen müssen. Dann können sie endlich wieder im Sinne des Kunden beraten. Das ist übrigens genau das, was viele wollen. Deswegen sind sie doch in den Beruf gegangen - und nicht, um die Wahl zu haben, entweder teils gegen das Interesse der Kunden zu verkaufen oder sich unwürdige Beschimpfungen ihrer Vorgesetzten anzuhören. Das Vertriebssystem hat inzwischen mehr Züge einer Drückerkolonne als eines traditionellen Geldinstituts.

SZ: Sie spielen auf den rauen Ton an, der mittlerweile in vielen Banken herrscht. Aber wie wollen Sie jemandem per Tarifvertrag Manieren beibringen?

Foullong: In der Öffentlichkeit behaupten Repräsentanten von Banken immer, dass sie in ihren Filialen das Kundeninteresse in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen sie beim Wort nehmen. Glaubwürdig sind diese Sprüche nur, wenn die Banken ihr Vertriebssystem umbauen.

SZ: Zu Ihrer Forderung gehört, Qualitätsstandards im Tarifvertrag festzuschreiben, die die Berater vom Interessenkonflikt befreien. Was für Standards sollen das sein?

Foullong: Zum einen geht es um die Rückkehr zu realistischen Vorgaben, zum anderen um eine Begrenzung bei der Zahl der Ziele. Die Berater sollen ja oft so viele Ziele erfüllen, dass sie gar nicht mehr wissen, welche sie zuerst erreichen sollen. Vor allem sollen qualitative Ziele wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit berücksichtigt werden, neben quantitativen Zielen wie der Erwirtschaftung eines festgelegten Ertrags. Das Erreichen des einen Ziels kann in Konflikt mit dem anderen stehen.

SZ: Nur wird sich keine Bank von einem Tarifvertrag vorschreiben lassen, wie sie intern ihr Geschäft organisiert.

Foullong: Wir wollen keine Regelungen in jedem Detail, sondern einen verbindlichen Rahmen setzen, der anschließend im Betrieb konkret auszufüllen ist.

SZ: Warum geben die Banken ihren Beratern so hohe Ziele vor?

Foullong: So paradox es sich anhört, das ist auch eine Folge der Finanzmarktkrise. Die Banken haben eine so hohe Vernichtung von Werten erlebt, dass sie dies jetzt wieder wettmachen wollen.

SZ: Wie soll zum Beispiel die Commerzbank zu realistischen Renditezielen zurückfinden und zugleich von ihrem 4,5-Milliarden-Euro-Verlust herunterkommen?

Foullong: Es ist sowieso völlig unmöglich, im Geschäft mit einheimischen Privatkunden die Summen wieder hereinzuholen, die man mit internationalem Investment-Banking verloren hat. Die Banken haben zwar dieses Bestreben, aber das ist vollkommen unrealistisch.

SZ: Wie viel Prozent aller Bankbeschäftigten sind bei Verdi organisiert?

Foullong: Im Durchschnitt ist jeder siebte Beschäftigte bei uns organisiert. Und es werden durch unsere Forderungen und Verhandlungen neue hinzukommen, weil das Problem viele drückt.

SZ: Heißt das: Ohne Umbau des Vertriebssystems unterschreiben Sie keinen Tarifvertrag über Gehälter und Jobsicherung?

Foullong: Die Verhandlungen werden am Verhandlungstisch geführt. Zu diesem zentralen Thema muss es Regelungen geben.

© SZ vom 16.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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