Finanzindustrie:Banken unterschätzen laut EZB Klimarisiken

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Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) im Frankfurter Osten. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Europäische Zentralbank warnt den Finanzsektor vor Verlusten, wenn sie zu viele Kredite an klimaschädliche Branchen vergeben.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank kritisiert den Finanzsektor für dessen sorglosen Umgang mit Kreditrisiken, die sich aus dem Klimawandel ergeben. "Die Wirtschaft braucht stabile Banken, insbesondere während des grünen Übergangs", so der Vizechef der Bankenaufsicht, Frank Elderson, in einem am Dienstag veröffentlichten Beitrag. Für die Banken wiederum sei es von entscheidender Bedeutung, die Risiken zu erkennen und zu messen, die sich aus dem Übergang zu einer dekarbonisierten Wirtschaft ergäben. "Die Übergangsplanung muss zu einem Eckpfeiler des Standard-Risikomanagements werden, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis Übergangspläne obligatorisch werden", schreibt Elderson.

Der Niederländer hat die Banken in den vergangenen Monaten immer wieder aufgefordert, ihre Kreditvergabe unter dem Gesichtspunkt des Klimarisikos neu zu überprüfen. Eine aktuelle EZB-Studie zur Kreditvergabepraxis der 95 wichtigsten Geldhäuser in der Währungsunion, die am Dienstag publiziert wurde, unterstreicht die Dringlichkeit. Demnach würden die Kreditbestände "in erheblichem Maße nicht mit den Zielen des Pariser Abkommens übereinstimmen". Dies führe bei etwa 90 Prozent dieser Banken zu "erhöhten Übergangsrisiken".

Zudem könnten etwa 70 Prozent dieser Banken einem erhöhten Risiko von Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt sein, "da sie sich zwar öffentlich zum Pariser Abkommen bekennen, ihr Kreditportfolio aber weiterhin nicht messbar darauf abgestimmt ist", fasste Elderson die Ergebnisse der Analyse zusammen. Die untersuchten Geldhäuser stehen nach EZB-Angaben für drei Viertel der Kredite in der Euro-Zone.

Das Pariser Klimaabkommen von 2015 legt fest, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, um dadurch die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern. Europas Banken vergeben immer noch zu viele Kredite an Unternehmen, die klimaschädlich produzieren. Daraus ergeben sich Verlustrisiken. Beispielsweise, wenn ein Institut Kredite an den Tourismussektor vergibt in Regionen, wo künftig häufiger Überschwemmungen drohen. Oder wenn die Bank ein Unternehmen mit Darlehen versorgt, das aufgrund seiner klimaschädlichen Ausrichtung "über Nacht" kein Geschäftsmodell mehr hat, sei es, weil die Kunden abspringen oder weil die Politik strengere Regeln beschlossen hat.

Der Bankensektor muss bis Ende des Jahres die Kreditrisiken aus dem Klimawandel beziffert haben und der EZB mitteilen. Die Aufseher könnten bei Nichterfüllung der Vorgaben künftig auch mehr Kapital von den Banken einfordern. Die Verhandlungen zur Höhe des Risikopuffers laufen.

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