Automobilindustrie:Deutschlands Automanager haben Angst vor Umweltschützern

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Ein BMW X1 in der Testanlage einer Fabrik: SUVs stehen bei Umweltschützern besonders in der Kritik. (Foto: Nelson Ching/Bloomberg)

Die Stimmung zwischen Autoindustrie und Umweltschützern ist giftig. Ausgerechnet kurz vor der wichtigen Messe IAA hat die Branche die Hosen voll.

Von Max Hägler und Christina Kunkel, Berlin

Es ist der Moment, an dem die Anspannung in dieser Debatte deutlich wird. Der Cheflobbyist der deutschen Autoindustrie, Bernd Mattes, fährt seine Kontrahentin an. Er klingt empört: Sie möge doch so nett sein, ihn ausreden zu lassen, ruft der VDA-Präsident nach links. "Ich bin doch auch nett zu Ihnen!"

Luise Neumann-Cosel schweigt, für den Moment zumindest. Aber es fällt ihr schwer, zusehends. Sie arbeitet als Kampagnenleiterin für eine Organisation namens "Campact", ist einer der Menschen, die von der Autoindustrie viel mehr Einsatz fordern beim Klimaschutz. "Kann man Ihnen überhaupt glauben bei den Grenzwerten?", wird sie an diesem Abend noch in die Debatte werfen. Da schwingt der Dieselskandal mit, ein großes Misstrauen. Es wird auch nach diesem ungewöhnlichen Streitgespräch nicht ausgeräumt sein.

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Und die Unsicherheit bei den Automanagern auch nicht. Die deutsche Autobranche, das war lange eine Sache der Breitbeinigen mit übergroßem Selbstbewusstsein. Größer, schneller, stärker, so lief das über Jahrzehnte. Auf ihrer eigenen Leistungsschau, der IAA in Frankfurt, war das immer wieder abzulesen. Vor 25 Jahren hieß das Motto, ganz schlicht: "Auto. Echt gut." Wenn damals ein paar Umweltschützer mit Pappschildern vor den Toren standen, lachten die Wirtschaftsmächtigen drinnen höchstens. Dann kam der Dieselskandal, dann kam die Europäische Union mit ihren härteren Abgasregeln, dann kamen Greta Thunberg und Fridays for Future.

Und jetzt ist die ohnedies angeschlagene einstige Vorzeigeindustrie unter Druck wie nie. Die IAA in diesem Jahr wird begleitet von Protesten, wie sie im Autoland unbekannt waren bislang. Für den Samstag in einer Woche ist eine Großdemo angekündigt, das Motto: Aussteigen. Eine Initiative namens "Sand im Getriebe" will am Tag darauf verhindern, dass überhaupt Besucher auf die Messe kommen und den Lamborghinis über die Kotflügel streicheln: Sitzblockaden wird es wohl geben.

Es ist unklar, wie viel davon Panikmache ist

In der Branche haben sie jedenfalls ordentlich die Hosen voll. Wer sich in diesen Tagen mit Automanagern unterhält über die wichtigsten Trends, hört nichts von Fahrerassistenzsystemen oder feschen Designs, sondern: Die Proteste sind das Relevanteste. Von Angst ist da sogar manchmal die Rede. Der eine regt sich auf, dass da Menschen mit Sturmhauben vom G20-Gipfel in Hamburg über den Hambacher Forst zur IAA ziehen würden. Ein anderer berichtet von den umfangreichen Vorbereitungen im Polizeipräsidium Frankfurt und von Schutzmaßnahmen.

Es ist unklar, wie viel davon Panikmache ist, aber es wird unangenehm auf der IAA in diesem Jahr. Es wäre ein Risiko, darauf nicht zu reagieren: Die Umfragen im Land zeigen zwar, dass den Menschen ihr Auto wichtig ist, aber auch, dass sie sich mehr Umweltbewusstsein von Politik und Wirtschaft wünschen - und die Autoindustrie schon mal mehr Vertrauen genoss.

Um die schöne Show wenigstens ein bisschen zu retten, hat der Automobilverband also zum Gespräch geladen mit Autokritikern. Ort und Zeit waren lange umstritten. Erst war ein beiläufiges Reden während der Messe geplant, darauf ließen sich die Organisatoren der Großdemo aber nicht ein. Drei Vertreter wurden schließlich in die Landesvertretung Baden-Württemberg geschickt: Neben Neumann-Cosel sind Ernst-Christoph Stolper, ein langgedienter Umweltschützer vom Bund Naturschutz, und Kerstin Haarmann vom Öko-Verkehrsclub VCD dabei.

"Besser, miteinander zu reden, als aufeinander zu schießen."

Die Autoleute versuchen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Man wolle einen "gesellschaftlichen Dialog" in Gang setzen, beschwört Mattes an diesem Abend. Und redet davon, dass sich die "Verhaltensmuster" ändern müssten in der Industrie. An seiner Seite der BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch und Daimler-Vertriebsvorständin Britta Seeger.

Drei gegen drei, auf Augenhöhe, so was gab es noch nie. Und zumindest sind alle um Friedlichkeit bemüht. Es gelte auch hier das Motto der Friedensbewegung, sagt Stolper: "Besser, miteinander zu reden, als aufeinander zu schießen."

In einem Punkt gibt es tatsächlich Einigkeit zwischen Industrie-Vertretern und Umweltschützern: Die CO₂-Emissionen müssen runter und Elektroantriebe werden dabei eine Rolle spielen. Aber schon bei der Frage, wie weit und wie entschieden, entsteht Streit. So viel wie die EU vorgibt, sagt Mattes, und das werde auch so geschehen, andernfalls würden ja auch Milliardenstrafen fällig. Also 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid bis zum Jahr 2030, machbar mittels sieben bis zehn Millionen Elektroautos.

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Das ist zu wenig, entgegnen die Klimaschützer. Und mehr Förderung für Elektromobilität, darauf kann man sich einigen, gerichtet an den Akteur, der nicht da ist: Verkehrsminister Andreas Scheuer. BMW-Mann Schoch wäre sogar bereit, über Änderungen bei der Dienstwagensteuer und den Dieselsubventionen zu reden. Daimler-Frau Seeger spricht zumindest kurz von der Möglichkeit, dass große Autos noch höher besteuert werden könnten, um kleinere zu fördern. Doch ist es auch ihr Job, Autos zu verkaufen, damit die Firma Geld verdient und Leute Arbeit haben. Und so spricht sie mantraartig von "hochattraktiven Produkten". Rechtfertigt sich damit, dass die Kunden große SUVs wünschten und Daimler sie verkaufe, weil es sonst eben andere tun würden. Und ja, sagt sie, es sei schon so, dass mit bisherigen Verbrenner-Fahrzeugen das Geld verdient werde. Doch nur so könne man die neuen Geschäfte finanzieren, die sowieso schwieriger geworden sind. Weltweit werden weniger Autos verkauft und die Konkurrenz aus China und den USA jagt den deutschen Herstellern Kunden ab. Im Übrigen sei es schwierig, Menschen zum Elektroauto zu bewegen. Mercedes hat aktuell nur ein E-Modell im Angebot. Um das loszuwerden sei viel "Beratung" nötig, sagt Seeger: Sie erlebe viel "Reichweitenangst". Aber es gehe doch nicht um Reichweitenängste, kontert Neumann-Cosel: "Es geht um Zukunftsängste!" Es ist hier an dem Abend so, wie es bald vor den Messetoren sein wird: Es stoßen völlig unterschiedliche Weltbilder aufeinander. Ein Zusammenfinden ist da schwer möglich. Wenn VDA-Präsident Mattes von Mobilität spricht, setzt er immer noch das Wörtchen "individuell" davor. Was nichts anderes heißt, als dass es weiterhin in Ordnung sein soll, wenn man lieber alleine mit dem 2,5-Tonnen-SUV herumfährt als das Fahrrad zu nehmen. Für Stolper soll das Auto eigentlich nur noch ein Randphänomen sein: Das Vehikel für den "Restbedarf", also die Momente, wo kein Bus, kein Zug, kein Fahrrad zur Verfügung stehen.

Oder anders ausgedrückt: Die einen wollen immer mehr verkaufen und für Jobs sorgen, die anderen würden lieber leere Straßen haben und Fabrikarbeiter zu Busfahrern umschulen: 200 000 Jobs könnten da entstehen, sagt die VCD-Vorsitzende. Und man müsse auch einmal diesen Blick einnehmen, über die Branche hinauszudenken. Bei der Kohleindustrie sei das ja auch nötig gewesen. Manfred Schoch schaut da ungläubig, aber immerhin: Er bleibt ruhig. Als die Forderung kommt, dass Millionen Autos in Deutschland überflüssig seien, da kann sich Mattes dann aber nicht zurückhalten: "Wer mutet sich das zu? Zu einem Viertel der Menschen gehen und sagen: Gib Dein Auto ab?"

Und was nun, nach den zwei Stunden? Was würden die Diskutanten auf die Schilder schreiben, sollten sie für ihre Sache auf die Straße gehen müssen? "Verkehrswende sonst Weltende", sagt Luise Neumann-Cosel. "Wir wollen nachhaltige individuelle Mobilität", sagt Mattes. Ein großes Schild.

© SZ vom 07.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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