Die Zahlen sind gewaltig, wie so oft, wenn es um China geht: Schon jetzt werden in der Volksrepublik deutlich mehr als 20 Millionen Autos pro Jahr verkauft. 30 Million Neuzulassungen sind nur noch eine Frage der Zeit. Vielleicht 2025? "Das ist fast übermorgen", meint Audi-Chef Rupert Stadler. Zum Vergleich: In Deutschland werden jedes Jahr etwa drei Millionen Autos abgesetzt. "In Europa sind es 14 Millionen Stück. Wir reden also von zwei Mal Europa", sagt Stadler. "China ist und bleibt der Schlüsselmarkt schlechthin."
In der Tat: Nirgendwo setzt die deutsche Automobilindustrie mehr ab. Beim VW-Konzern sind es vier von zehn Autos. Bei BMW und Daimler sind die Abhängigkeiten beinahe ähnlich hoch. Eine Schwäche in China, das kann sich heute keiner mehr erlauben. Entsprechend groß ist der Auflauf bei der Pekinger Automesse. Und entsprechend artig verhalten sich alle.
Für Volkswagen reiste neben Audi-Vorstandschef Stadler auch der neue Konzernboss Herbert Diess an, im Schlepptau mehrere Vorstände. Es war der erste Auslandsbesuch für Diess, nachdem er erst in der vorigen Woche das Amt des VW-Chefs von Matthias Müller übernommen hatte. Unter Diess' Führung will Volkswagen gemeinsam mit lokalen chinesischen Partnern in den kommenden vier Jahren 15 Milliarden Euro für Zukunftsprojekte wie etwa die Elektromobilität oder das autonome Fahren in die Hand nehmen.
Welthandel:China öffnet seinen Automarkt
Bisher müssen ausländische Hersteller mit chinesischen Firmen zusammenarbeiten. Dieser Zwang soll entfallen. Profitieren dürften zunächst Unternehmen wie Tesla.
Ambitioniert sind auch die Pläne von Audi. In den kommenden fünf bis sechs Jahren will die VW-Tochter ihren Absatz in China auf etwa 1,2 Millionen Fahrzeuge verdoppeln, kündigt Audi-Chef Stadler an. Vor allem die sogenannten Premiumhersteller, glaubt man in Ingolstadt, werden in den kommenden Jahren zulegen. Bislang gehören etwa zehn Prozent der in China verkauften Autos zum hochpreisigen Segment. In Europa sind es aktuell 15 Prozent. Die Hoffnung ist, dass China sich allmählich Europa angleicht. Gestützt wird diese These durch die Ankündigung von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, die Importzölle für Autos zu senken. Bislang sind 25 Prozent fällig.
Betroffen sind davon vor allem teure Limousinen und Geländewagen. Wann genau, und um wie viel Prozent die Zölle letztlich reduziert werden, ist allerdings noch unklar. In der Branche wird vage der Sommer als Termin genannt. Dann könnten mehr Wagen aus Europa importiert werden - für die Hersteller ein lukratives Geschäft. Bis es allerdings soweit ist, nehmen die Aufträge erst einmal ab. Viele potenzielle Käufer verschieben derzeit die Anschaffung eines Importwagens, um weniger Abgaben zahlen zu müssen.
Seit 1994 müssen sich die Hersteller mit einem lokalen Partner zusammenzutun
Zollfrei sind nur Autos, die in China hergestellt werden. Seit 1994 sind Hersteller verpflichtet, sich mit einem lokalen Partner zusammenzutun und ein Gemeinschaftsunternehmen zu betreiben. An diesen Joint Ventures dürfen die ausländischen Hersteller nicht mehr als die Hälfte der Anteile halten. Wenige Tage vor Beginn der Messe kündigte die Regierung in Peking jedoch an, die Zwangspartnerschaften abzuschaffen. Im Geschäft mit Nutzfahrzeugen soll die Grenze für Beteiligungen 2020 wegfallen, bei Personenwagen 2022 - bei Elektroautos bereits in diesem Jahr. Für die deutschen Hersteller hat das jedoch zunächst keine Auswirkungen.
"Alles, was konventionelle Antriebe bis 2022 angeht, diskutieren wir zuerst mal mit unseren bisherigen Partnern", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Und Audi-Obmann Stadler ergänzt: "Wir werden an unserer Strategie, die wir mit den Joint-Venture-Partnern aufgestellt haben, festhalten." BMW bastelt derzeit sogar an einem neuen Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Hersteller Great Wall. In Kooperation sollen Elektro-Minis gebaut werden. Im Prinzip könnte BMW die Elektroautos alleine bauen, da die Beschränkungen schon dieses Jahr fallen. "Wir werden da ein Joint Venture machen", sagt BMW-Chef Harald Krüger dennoch. Bloß nicht anecken, bloß keine Fehler machen, das ist die Devise der Hersteller.
Wie weit das gehen kann, zeigte Mitte Februar Daimler. "Schau dir eine Situation von allen Blickwinkeln aus an, und du wirst offener werden", mit diesem Zitat des von der chinesischen Führung verhassten Dalai Lamas hatte der Konzern für ein Coupé geworben. Was folgte, war ein Kotau. In einem Brief an den chinesischen Botschafter in Berlin baten Daimler-Chef Zetsche und sein Statthalter in Peking, Hubertus Troska, um Vergebung "für die Schmerzen und den Kummer", den ihr "fahrlässiger und taktloser Fehler dem chinesischen Volk" verursacht habe. Ein wenig überzogen? Als "angemessen", verteidigt Troska die Reaktion seines Konzerns.