Auto - Wolfsburg:Chipkrise könnte Volkswagen noch länger belasten

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Das Logo des Automobilherstellers Volkswagen ist am VW-Tower in Hannover zu sehen. Foto: Moritz Frankenberg/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Wolfsburg/Hannover/Emden (dpa) - Der Mangel an Mikrochips und weiteren wichtigen Elektronikteilen könnte den Autobauer Volkswagen womöglich noch stärker und länger belasten als zunächst befürchtet. Darauf deuten neue Aussagen aus dem Konzernumfeld und Einschränkungen der aktuellen Produktion in den Fabriken hin. So gibt es im Hauptwerk der VW-Nutzfahrzeuge (VWN) in Hannover eine Zwangsverlängerung der Weihnachtspause und in Emden auslaufende Jobs für Zeitarbeiter, weil immer noch Halbleiter fehlen. Nach Informationen des "Manager-Magazins" (Donnerstag) könnte der Konzern auch in Bedrängnis geraten, seine gerade verabschiedete Fünfjahresplanung zu erfüllen.

Die bisher angepeilten Verkäufe von knapp zehn Millionen Autos 2022 und von fast elf Millionen Stück 2023 seien angesichts der Chip-Ebbe wohl zu optimistisch, schrieb das Blatt unter Berufung auf einen beteiligten Krisenmanager. Konzernchef Herbert Diess und Einkaufschef Murat Aksel, der die Taskforce zur Halbleiterbeschaffung mit leitet, sind schon länger in Gesprächen mit Herstellern von Mikroelektronik und mit Autozulieferern. Dem Bericht zufolge könnte VW zumindest im neuen Jahr aber möglicherweise noch unter den für das jetzt auslaufende Jahr erwarteten Produktionszahlen liegen.

Für 2021 wird laut jüngsten Planungen mit einem Fahrzeugabsatz von gut neun Millionen Stück gerechnet - deutlich weniger als in den Vorjahren. 2022 könnten dann im schlimmsten Szenario nur etwa acht Millionen Verkäufe gelingen, so das Magazin. Demnach schätzt die Konzernspitze, dass die Chipkrise die Lage besonders bei der Kernmarke Volkswagen Pkw sowie bei der Tochter Skoda weiter verschlechtern dürfte.

In diesem Jahr gab es bei VW und etlichen anderen Autobauern immer wieder Kurzarbeit wegen ausbleibender Elektronikteile. Das Wolfsburger Stammwerk war zuletzt beinahe schon chronisch schwach ausgelastet. Hier dürften dieses Jahr weniger als 400 000 Autos fertig werden - ein Niveau wie Ende der 1950er Jahre. Zeitweise stauten sich auch halb fertige Modelle in der Auslieferung, bei denen noch einzelne Halbleiter-Komponenten nachgerüstet werden müssen.

In weiteren Fabriken wie Emden verlieren infolge fehlender Teile und entsprechender Produktionsausfälle Zeitarbeiter ihren Job. Der örtliche Betriebsratschef Manfred Wulff kritisierte das Management: "Für uns ist klar, dass wir in einen Bedarf reinrutschen werden", sagte er mit Blick auf die nötige Personalstärke 2022. Ab dem Frühjahr will VW in Emden neben Verbrennermodellen auch das Elektro-SUV ID.4 bauen. Man brauche dann "viele Hände oben drauf".

In Hannover soll die Pause über die Weihnachtsfeiertage und Neujahr hinaus ausgedehnt werden. Darüber berichtete auch die "Hannoversche Allgemeine Zeitung". Wie die Tochtermarke VW-Nutzfahrzeuge intern bekanntgab, soll die Produktion in der ersten Januarwoche ganz ruhen. In der zweiten bis vierten Woche sind zumindest Spätschichten abgesagt. Chefeinkäufer Karl Bernqvist erklärte: "Auch wir bei VWN konnten nicht alle Fahrzeuge bauen, die wir geplant hatten." Ähnlich wie der Gesamtkonzern glaubt er, dass in der zweiten Jahreshälfte 2022 eine Stabilisierung kommen könnte - bis dahin bleibe es angespannt.

Diess hatte kürzlich unter anderem bei Bosch zum Thema vorgesprochen. Im November lautete seine Einschätzung: "Wir schlagen uns durch. Ich hoffe, dass wir durch das Schlimmste durch sind." Betriebsratschefin Daniela Cavallo, die dem Vorstandschef ein nicht hinreichend solides Krisenmanagement vorgeworfen hatte, warnte vor längeren Engpässen. "Die kommenden Monate werden hart, vor uns liegt eine echte Durststrecke", sagte sie zur Planungsrunde. "Noch das ganze nächste Jahr wird Mangelversorgung herrschen. Und auch 2023 wird es nicht plötzlich besser werden. Wir haben das Schlimmste noch vor uns." Der hannoversche Betriebsrat Stavros Christidis sagte: "Für die Zukunft erwarten wir mehr Transparenz und Offenheit zur Lage der Dinge."

Offiziell hatte der Konzern zuletzt noch eine allmähliche Entspannung der Chipkrise 2022 angedeutet. "Im Gesamtjahr erwarten wir gegenüber 2021 eine leichte Verbesserung in der Halbleiterversorgung", so Einkaufschef Aksel. Man setze dabei "auf eine sukzessive Erholung". Speziell die erste Jahreshälfte dürfte indes schwierig bleiben - man gehe hier von einem "sehr volatilen und anspruchsvollen" Zeitraum aus.

© dpa-infocom, dpa:211216-99-403514/3

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