Azubi-Mangel:Arbeitgeber lehnen Wunschausbildung ab

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Mehr Frauen in allen Berufen, mehr Zuwanderung: Das sind zwei Antworten auf den Fachkräftemangel, der schon jetzt herrscht. (Foto: Rupert OberhÅ user via www.imago-images.de/imago images/Rupert Oberhäuser)

"Wir brauchen keine Staatsgarantie für Auszubildende - wir brauchen Auszubildende": Warum der Plan der Bundesregierung auf so viel Widerstand stößt.

Von Roland Preuß, Berlin

Tausende Betriebe können ihre Stellen für Auszubildende derzeit nicht besetzen. Angesichts dieses Azubi-Mangels warnen die Arbeitgeber nun vor gesetzlichen Auflagen, um jedem Interessenten einen Ausbildungsplatz zu garantieren. "Wir brauchen keine Staatsgarantie für Auszubildende - wir brauchen Auszubildende. Die Demografie wird von der Politik ignoriert - die Betriebe stellt sie vor eine immense Herausforderung", sagte Steffen Kampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) der Süddeutschen Zeitung. Die Ampelkoalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, sie wolle "eine Ausbildungsgarantie, die allen Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht". Details stehen noch nicht fest. DGB und SPD fordern seit Jahren einen gesetzlichen Anspruch auf Ausbildung. Falls diese nicht in einem Betrieb möglich ist, soll sie in anderen Einrichtungen stattfinden.

Der DGB argumentiert, schon vor Corona hätten mehr als 80 Prozent der Betriebe nicht ausgebildet, in der Pandemie sei zudem die Zahl der angebotenen Plätze eingebrochen. Die Gewerkschafter fordern einen Fonds, in dem alle Betriebe einzahlen müssen und aus dem dann die Ausbildungsplätze finanziert werden. Die BDA lehnt eine solche Umlage strikt ab. Es fehlten nicht die Ausbildungsstellen, sondern es fehlten die passenden Bewerber, heißt es in einem Forderungspapier der BDA, das am Donnerstag an die beteiligten Ministerien und Fachpolitiker verschickt werden sollte. Inzwischen seien wieder mehr Ausbildungsplätze gemeldet als vor Corona, in 13 der 16 Bundesländer gebe es deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerberinnen und Bewerber. In Nordrhein-Westfalen und Hessen allerdings gibt es etwas und in Berlin deutlich mehr Bewerber als freie Plätze. "Mit einer Umlage würde man vor allem diejenigen Unternehmen bestrafen, die keine Azubis bekommen, obwohl sie welche suchen. Das sind vor allem kleinere und mittlere Betriebe", sagte Kampeter. Es gebe 120 000 mehr Stellen als Bewerber, "warum brauchen wir da einen zusätzlichen Anreiz"?

Die Herstellung von Mauersteinen reizt weniger

Das Hauptproblem liegt der BDA zufolge darin, dass die jungen Leute sich oft nicht auf freie Stellen bewerben, sondern unbedingt einen Ausbildungsplatz in ihrem Wunschberuf erhalten wollen. In den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit lassen sich dafür einige Beispiele finden: Bei dem populären Beruf der Tierpfleger etwa gibt es neun Mal so viele Bewerber wie Plätze, bei Fototechnik und Fotografie kommen gut drei Interessenten auf eine Stellen, bei der Bühnen- und Kostümbildnerei zehn Ausbildungswillige.

Die Herstellung von Mauersteinen oder Bodenplatten reizt Jugendliche dagegen weniger, hier registrierte die Arbeitsagentur 8,48 Stellen je Bewerber, ähnlich sieht es mit der Produktion von Textilien aus (5,7 Stellen je Bewerber). Eine Ausbildungsplatzgarantie müsste mehr Stellen in den populären Berufen anbieten, heißt es beim BDA - und damit schaffe man ein Problem. "Eine gesetzliche Ausbildungsgarantie würde ein falsches Signal setzen: Du bekommst den Ausbildungsplatz, den du willst, auch wenn du mit diesem später kaum Aussichten auf eine Stelle hast", sagte Kampeter.

Eine Umfrage bei rund 15 000 Firmen unterstreicht, wie schwer sich deutsche Betriebe mittlerweile tun, Auszubildende zu finden. Mehr als vier von zehn Betrieben konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen, wie eine Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ergab, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Von diesen Unternehmen habe mehr als jedes dritte keine einzige Bewerbung erhalten. "Nie war es schwieriger für die Betriebe, Azubis zu finden", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Besonders viele Stellen blieben demnach im Gastgewerbe (67 Prozent konnten nicht alle Azubi-Stellen besetzen) sowie bei Transport und Logistik (54 Prozent) frei.

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