Berlin (dpa) - Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat vor ausufernden Sozialabgaben gewarnt und grundlegende Reformen gefordert. Dulger sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir brauchen ein Belastungsmoratorium für die Betriebe. Die Lohnnebenkosten müssen auf 40 Prozent gedeckelt werden, denn es droht eine ausufernde Beitragserhöhung.“
Beitragserhöhungen seien „das Schlechteste, was wir im Moment tun können“, argumentierte der Arbeitgeberpräsident. „Sie belasten nicht nur die Betriebe, sondern auch die Beschäftigten. Es muss jetzt in dieser schwierigen Situation mehr Netto vom Brutto in den Lohntüten bleiben. Die guten Steuereinnahmen des Bundes geben das her.“
„Keine weiteren Belastungen mehr für die Betriebe“
Im September will Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Fortsetzung der konzertierten Aktion mit Arbeitgebern und Gewerkschaften erneut über Maßnahmen gegen die hohe Inflation beraten. Scholz hatte bereits zusätzliche Entlastungen wie eine Wohngeldreform angekündigt.
Dulger sieht derzeit massive Belastungen für die deutsche Wirtschaft, wie er bereits gesagt hatte. Zur Gaskrise komme, dass Material und Fachkräfte fehlten und Lieferketten gestört seien. „Es darf keine weiteren Belastungen mehr für die Betriebe geben“, sagte er. „Mir geht es etwa um die Tariftreueregelungen und bürokratische Verordnungen zur Arbeitszeitaufzeichnung. Ärgerlich ist auch das Lieferkettengesetz, das in den Unternehmen einen Aufwand lostritt, der seinesgleichen sucht. Das sind alles unnötige Mehrbelastungen für die Wirtschaft – das macht jetzt keinen Sinn.“
Defizite etwa bei der gesetzlichen Krankenversicherung müssten aus Steuergeldern ausgeglichen werden, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. „Das ist der einzig sinnvolle Weg.“
Steigende Ausgaben belasten die Krankenkassen, der Bund will aber nicht alles aus Steuermitteln ausgleichen. Auf die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen und ihre Arbeitgeber kommen deswegen im nächsten Jahr höhere Beiträge zu. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag solle um 0,3 Prozentpunkte steigen, hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt.
Eine nachhaltige Lösung bestehe darin, die Sozialsysteme grundlegend zu reformieren, so Dulger. „Das fordern wir seit Jahren, zum Beispiel eine Dynamisierung des Renteneintrittsalters. Ich sage bewusst nicht irgendeine Zahl, sondern ich sage einfach nur Dynamisierung. Das heißt: Das Renteneintrittsalter wird an die Lebenserwartung gekoppelt – und dann wird das über einen Schlüssel dynamisiert.“
„Stärkere Kapitaldeckung in der Alterssicherung“
Der Arbeitgeberpräsident forderte eine baldige Reform des Rentensystems: „Das Traurige ist: Jeder in Berlin kennt die Zahlen - und jeder weiß, wie schlimm es ist. Aber keiner traut sich daran, weil er Angst hat, nicht wiedergewählt zu werden. Bereits heute wird die Rente mit rund 100 Milliarden Euro pro Jahr aus dem Bundeshaushalt gestützt. Wir wissen heute schon, dass wir dieses System reformieren müssen. Aus meiner Sicht hätte das schon vorgestern passieren müssen.“
Es müsse unbedingt auch die zweite und dritte Säule gestärkt werden, das bedeute die private und die betriebliche Altersvorsorge. „Da ist viel zu wenig geschehen, da hat man auch viel zu viel liegen lassen“, sagte Dulger. „Das sind alles Schritte, die uns wirklich helfen und zusätzliche Sicherheit schaffen würden. Eine stärkere Kapitaldeckung in der Alterssicherung ist ein Schritt in die richtige Richtung.“
Viele Länder in der EU hätten keine sogenannten Garantierenten, wo ein Mindestsatz garantiert wird, sondern sogenannte Zielrenten. „Es gibt dort einen Renditekorridor für die selbst eingezahlten Beiträge über die Lebensarbeitszeit. Die eingezahlten Beiträge werden hier freier angelegt, das heißt, da werden Aktienpakete und verschiedene Anlageformen gekauft, damit attraktivere Renditen erzielt werden können. Und deswegen beziehen zum Beispiel die Niederländer seit Jahren schon höhere Renten als wir, weil sie Zielrenten haben.“
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