Versicherungswirtschaft:Hauptsache, die Dividende stimmt

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Der Name der Allianz an der Fußball-Arena in München. In den USA hat der Ruf gelitten. (Foto: Bernd Feil/Imago/MIS)

Die Allianz hat sich vor zwei Jahren mit einem Fondsangebot verzockt und muss jetzt mindestens 3,7 Milliarden Euro zahlen. Die Aktionäre sollen darunter auf keinen Fall leiden.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger, Köln

Mindestens 3,7 Milliarden Euro kostet die Allianz der Structured-Alpha-Skandal in den USA. Anleger hatten den Versicherungskonzern auf rund sechs Milliarden Dollar verklagt, das US-Justizministerium ermittelt wegen Betrugs. Am Freitag teilte Allianz-Chef Oliver Bäte mit, dass man sich mit den meisten Klägern geeinigt habe und weiter Gespräche mit den Behörden führe. "Wir glauben, dass diese Einigungen den Großteil unseres Risikos in Bezug auf Structured Alpha ausmachen, und wir eine faire Entschädigung für die Verluste der Investoren bieten, die wir bedauern", sagte Bäte. Ausgestanden ist das ganze noch nicht, die Sache kann noch teurer, aber auch günstiger werden.

Damit holt ein zwei Jahre alter Skandal die Allianz ein. Februar und März 2020 waren wilde Monate an den Börsen. Damals wurde vielen Anlegern klar, dass Covid-19 kein regionales oder kurzfristiges Phänomen bleiben würde. Am 9. März 2020 erlebte der Dow-Jones-Index den schärfsten Tagesverlust in seiner Geschichte. Die meisten Anleger, die damals einfach ihre Aktien behielten, konnten ihre Verluste schon nach wenigen Monaten ausgleichen. Aber wer verkaufen wollte oder musste, stand schlecht da.

Allianz Global Investors (AGI), eine Tochter des Münchener Konzerns, war damals mit einem besonderen Angebot auf dem US-Markt: Ihre Structured-Alpha-Fonds würden Anlegern höhere Gewinne bringen als andere Anlagen und sie gleichzeitig gegen hohe Schwankungen schützen. Käufer waren vor allem Großanleger wie die Pensionsfonds der Lehrer im Bundesstaat Arkansas und der U-Bahn-Fahrer in New York.

Der Sturm an den Börsen zerlegte das Allianz-System. Die Fonds fuhren hohe Verluste ein, die Allianz musste Ende März sogar eine Reihe von ihnen schließen. Sie hatte sich verzockt. Schon im Sommer erhoben die ersten Anleger Klage. Der Vorwurf: Nach hohen Verlusten der Fonds im Februar habe AGI seine treuhänderischen Pflichten verletzt und die vereinbarten Risikokontrollen aufgegeben, um durch riskante Deals die Verluste aufzuholen, dabei aber noch mehr Geld verloren.

Der Vorwurf des Betrugs steht im Raum

Das alles hätte die Allianz wegstecken können. Investorenklagen nach Verlusten sind nur selten erfolgreich. Aber seit einem halben Jahr ermittelt auch das US-Justizministerium, das auch oberste Staatsanwaltschaft des Landes ist. Der Vorwurf des Betrugs steht im Raum: Die AGI-Manager hätten ihren Anlegern geschönte Daten gegeben.

Februar und März 2020 waren wilde Monate an den Börsen. Der Dow-Jones-Index verlor zeitweise deutlich an Wert. (Foto: Mark Lennihan/AP)

"Unwahr und ohne Grundlage" seien die Klagen der Anleger, erklärte die Allianz noch im Herbst 2020. Seit dem Eingreifen der Justiz hat sich der Ton schlagartig verändert. Jetzt will die Allianz nicht nur zahlen, sondern auch den Vorfall ganz genau aufarbeiten. Die Bonuszahlungen an die Vorstände seien negativ betroffen, sagte Bäte.

Die Allianz wiegelt ab: Es handle sich um Einzelfälle

Structured Alpha war nicht der einzige Skandal im Jahr 2021. Ein australisches Gericht verurteilte zwei dortige Allianz-Gesellschaften zu einer Strafe von rund einer Million Euro, weil Kunden in der Reiseversicherung betrogen worden waren. Die Finanzaufsicht von Bermuda erhob von der Allianz Life Bermuda, die vor allem im Libanon tätig war, wegen Verstoßes gegen die Vorschriften zu Geldwäsche und Terrorfinanzierung 1,4 Millionen Euro.

Hat die Allianz ein Problem mit den internen Kontrollen? Keineswegs, sagt Finanzchef Giulio Terzariol. Es handele sich um wenige Einzelfälle in einer sehr großen Gruppe. Und die inzwischen aufgelöste Bermuda-Tochter sei sehr, sehr klein gewesen.

Dennoch: Solche Vorgänge können einen Anleger schon mal zum Nachdenken bringen, ob die Allianz-Aktie noch das richtige Papier ist. Konzernchef Bäte versucht, solche Überlegungen im Keim zu ersticken - mit viel Geld.

Trotz der Belastung durch Structured Alpha erhöht er die Dividende um 12,5 Prozent auf 10,80 Euro. Für die kommenden Jahre gibt die Allianz eine Garantie: Nicht nur wird sie mindestens 50 Prozent des Gewinns ausschütten, sie verspricht auch eine jährliche Erhöhung der Dividende um mindestens fünf Prozent. Außerdem wird der Konzern in diesem Jahr eigene Aktien für einen Betrag von bis zu einer Milliarde Euro zurückkaufen.

Und tatsächlich: Der Konzern kann sich diese Großzügigkeit gegenüber den Aktionären leisten. Denn der operative Gewinn erreichte mit 13,4 Milliarden Euro ein Rekordniveau. Höhere Preise, starke Umsatzsteigerungen und geringe Belastungen durch die Pandemie sorgten dafür.

Nach Steuern blieben für die Allianz-Aktionäre 6,6 Milliarden Euro Gewinn übrig, nur 0,2 Milliarden Euro weniger als im Jahr 2020. Es stimmt: Ohne Structured Alpha hätte der Nettogewinn 2,8 Milliarden Euro mehr betragen. Aber auch so können sich die Zahlen sehen lassen.

Wenn der Kurs sich wieder fängt, kann die Allianz weitermachen wie bisher. Der Aktienkurs ist das Maß aller Dinge. Die Folge: Der Vorstand muss mit aller Macht versuchen, größere Fluktuationen und vor allem Einschläge wie jetzt durch den Skandal zu vermeiden.

In die Kategorie Skandalvermeidung gehört auch das Thema Olympia. Bäte verteidigte die Allianz gegen Kritiker, die ein Ende des Olympiasponsoring des Konzerns in China wegen Menschenrechtsverstößen gefordert hatten. "Wir sponsern nicht den Gastgeber der olympischen Spiele, sondern tausende Athleten", betonte Bäte. Der Versicherer werde auch weiterhin die olympische Bewegung unterstützen.

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