Discounter:Aldi Süd und die Qual des Kopfrechnens

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Oben sieht der Kassenzettel noch ganz normal aus. Unten aber fehlt was. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Aldi Süd gibt auf seinen Kassenbons weder den Betrag an, mit dem der Kunde bezahlt, noch den Rückgeldbetrag.
  • Der Kunde muss selbst nachrechnen, ob das Rückgeld stimmt.
  • Aldi Süd ist ziemlich stolz auf diese Methode.

Von Michael Kläsgen, München

Für Raymund Haller aus Karlsruhe ist der Einkauf bei Aldi Süd ein ziemlich unangenehmer Vorgang, wenn es ans Bezahlen geht. Der ältere Herr spricht von "unnötigem Stress, Ärger und Wut". Denn Aldi Süd ist der einzige große Lebensmittelhändler in Deutschland, der auf seinen Kassenbons weder den Betrag angibt, mit dem der Kunde bezahlt, noch den Rückgeldbetrag Schwarz auf Weiß ausdruckt. Der Kunde muss also Kopfrechnen, wenn er bar bezahlt und überprüfen will, ob das Rückgeld stimmt. "Gerade bei älteren und gebrechlichen Menschen, die beim Bezahlen denken, sie müssten sich beeilen, bedeutet dieser Druck, unbedingt Kopfrechnen zu müssen, und das auch noch möglichst schnell, eine zusätzliche Qual", sagt Haller.

So gegensätzlich können die Meinungen über ein und dieselbe Sache sein. Aldi Süd ist nämlich seinerseits ziemlich stolz darauf, der einzige Händler zu sein, der das so handhabt. Und zwar aus einem einzigen Grund: Es ist die schnellste Methode. "Im Rahmen einer möglichst schnellen Abwicklung an der Kasse", sagt eine Unternehmenssprecherin, "wird das Rückgeld auf dem Kassenzettel nicht angegeben". Denn man stelle sich einmal vor, die Kassiererin oder der Kassierer müssten erst abwarten, mit welchem Betrag der Kunde bezahlen möchte, diesen dann in einem nächsten Schritt in das System eingeben und erst dann würde der Kassenzettel gedruckt! Wertvolle Sekunden verstrichen. Sekunden, in denen sich womöglich Unmut hinten in der Warteschlange regen könnte. Was Herrn Haller quält, ist für Aldi Süd daher Ausweis besonderer Kundenfreundlichkeit.

Was, wenn sich der Kassierer verrechnet?

Mit Kopfrechnen hat das Ganze aus Aldi-Süd-Sicht auch nicht viel zu tun. "Hierbei wird nicht wirklich gerechnet", sagt die Sprecherin, "sondern auf den nächsthöheren, möglichen Betrag, mit dem der Kunde bezahlen könnte, hochgezählt und dabei der Unterschiedsbetrag an den Kunden ausgezahlt." Aldi-Süd-Kassiererinnen und Kassierer beherrschen das Aufrunden nach einer Schulung in der Regel so virtuos, dass ihnen ein Eintrag in die Annalen der deutschen Kassierkunst sicher sein müsste.

Wobei in Internetforen bis heute intensiv über ein Rätsel aus der Vor-Scanner-Zeit diskutiert wird: Wusste die Kassiererin damals tatsächlich den Preis eines jeden Produkts auswendig oder tippte sie "nur" den Code desselben ein? Dieser Artikel wird das Rätsel letztendlich auch nicht lösen können, mithin steht aber so viel fest: Der Kassiervorgang bleibt auch in Zeiten von Mobile Payment und Self-Scanning ein hochemotionales Thema. Leider, nicht immer in dem Sinne der Unternehmen, die gern vom "Einkaufserlebnis" faseln, das sie emotional aufladen möchten, damit die Kunden noch mehr kaufen.

Raymund Haller aus Karlsruhe kann auf seine speziellen Einkaufserlebnisse bei Aldi Süd jedenfalls verzichten. Neulich wurde er Zeuge eines Disputs über fehlerhaft oder besser gesagt: nicht ausgezahltes Rückgeld. Der Kassierer musste den Fehlbetrag allerlei Entschuldigungen aufsagend an eine ältere Dame aushändigen. Ist die Kassierkunst bei Aldi Süd etwa doch nicht so legendär? Die Sprecherin hält für ausgeschlossen, dass der Discounter sich an dem System bereichern könnte. Aldi Süd sieht keinen Grund, irgendwas daran zu ändern.

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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