Air Berlin:Air-Berlin-Langstrecke steht vor dem Aus

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Am Donnerstag erfahren die Gläubiger, wer sich für welche Teile von Air Berlin interessiert. (Foto: dpa)
  • Am Donnerstag kommen die Gläubiger von Air Berlin zusammen, um die Angebote für die insolvente Airline zu sichten und zu ordnen.
  • Bereits am Morgen sickerte durch, dass die Lufthansa keine Langstreckenjets der Airline übernehmen will. Damit steht die Air-Berlin-Langstrecke dem Vernehmen nach vor dem Aus.
  • Bereits am kommenden Montag sollen zehn von 17 Airbus A330 aus Düsseldorf abgezogen werden.

Von Jens Flottau, Frankfurt, und Markus Balser, Berlin

Mit Air Berlin flog Insolvenzverwalter Lucas Flöther, wenn es entspannt werden sollte. Zuletzt ging es vor ein paar Wochen in den Sommerurlaub nach Mallorca. Ob auf dem nächsten Ferienticket noch Air Berlin steht? Flöther gehört zu den wenigen in Deutschland, die bereits ahnen, wohin die Reise für die insolvente Fluggesellschaft geht. An diesem Donnerstag wird er die Gläubiger über die streng vertraulichen Offerten informieren.

Wer bietet was? Und mit welchem Ziel? Bei dem mit Spannung erwarteten Treffen erhalten die Gläubiger erstmals eine vollständige Bieterliste. Dann wird nicht nur klar, dass sich neben der Lufthansa ein zweites Schwergewicht der Branche in den Bieterwettkampf eingeschaltet hat - auch die IAG, die Mutter von British Airways und Iberia, gehört zu den Interessenten. Am Donnerstagmorgen sickerte zudem bereits durch, dass zumindest die Lufthansa keine Langstreckenjets von Air Berlin übernehmen will. Dem Vernehmen nach steht sogar die gesamte Langstrecke von Air Berlin vor dem Aus, weil keine der anderen Airlines sie weiter betreiben will. Sowohl Condor als auch Eurowings kündigten an, ab Anfang November jeweils vier Ziele in der Karibik von Düsseldorf aus mit eigenen Maschinen anfliegen zu wollen.

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Der Gläubigerausschuss soll am Donnerstag wesentliche Vorentscheidungen über die Zukunft von Air Berlin treffen. Man rechne damit, dass über das Wochenende weitere Verhandlungen mit den aussichtsreichsten Bietern nötig würden, heißt es in Verhandlungskreisen. Am Montag soll dann die Entscheidung bekannt gegeben werden.

Für die etwa 8000 Mitarbeiter von Air Berlin beginnen damit die Tage des Bangens. Dass große Teile des Unternehmens unter neuen Eigentümern weiter bestehen, ist noch nicht gesichert: Es gibt nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bei allen Angeboten erhebliche Bedenken, entweder in finanzieller oder wettbewerbsrechtlicher Hinsicht.

Außerdem hat in Österreich ein Gläubiger beantragt, die Tochter Niki für insolvent zu erklären. Folgt das zuständige Gericht der Argumentation, wäre Niki wertlos. Das könnte die gesamte Air Berlin-Rettung in Gefahr bringen.

Fest steht, dass die Lufthansa, ein Konsortium aus Condor und Niki Lauda, die IAG und Easyjet für Teile der insolventen Fluggesellschaft geboten haben. Der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl möchte Air Berlin als Ganzes übernehmen, ebenso der Ex-Chef des Energiekonzerns EnBW, Utz Claassen. Die Berliner Logistikfirma Zeitfracht interessiert sich für Air Berlin-Technik sowie die Frachtsparte Leisure Cargo.

Wer was übernehmen will, ist - von Wöhrl und Claassen abgesehen - im Detail nicht bekannt. Lufthansa hat ein Angebot für die Tochtergesellschaften Niki und Luftfahrtgesellschaft Walter abgegeben, die vor dem Verkauf zusätzliche Maschinen des Typs A320 von Air Berlin aufnehmen soll. Sie hat bereits 38 ehemalige Air Berlin-Flugzeuge übernommen, insgesamt umfasst das Paket etwa 90 Jets. Condor und Lauda wollen ebenfalls Niki sowie weitere Flugzeuge bekommen.

Die Ergebnisse der Sitzung sollen mit Rücksicht auf die Bundestagswahl erst am kommenden Montag verkündet werden. Offiziell begründet wird die Verzögerung damit, dass sich auch der Air-Berlin-Aufsichtsrat noch mit dem Thema befassen muss. Doch das Gremium hat in der Sache nichts mehr zu entscheiden. Unternehmensteile, für die sich kein Käufer findet, sollen schnell den Betrieb einstellen. Darunter sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die restlichen Langstreckenflüge von Düsseldorf. Bereits am Montag werden zehn von 17 Airbus A330 abgezogen.

"Wir befürchten, dass sich das in den nächsten Wochen wiederholt", heißt es in Verhandlungskreisen

Die Insolvenzverwaltung wolle den Verkauf bis zum Jahresende abschließen, heißt es in Kreisen der Investoren. Bis dahin soll der Brückenkredit über 150 Millionen Euro der Bundesregierung reichen. Die Bieter müssen sich dazu verpflichten, den Betrieb der gekauften Unternehmensteile bis zur endgültigen Übernahme zu finanzieren. Die Beteiligten stecken damit im Dilemma, denn an dieser Klausel dürften die meisten Angebote scheitern.

Zwischen Vertragsunterzeichnung und -abschluss werden mindestens zwei, wenn nicht drei Monate vergehen. Bei den Verlusten von drei Millionen Euro, die Air Berlin pro Tag einfliegt, könnte dies für Investoren mehrere Hundert Millionen Euro bedeuten. Der einzige Bieter, der das vergleichsweise leicht finanzieren kann, ist die Lufthansa. Doch bei ihrem Angebot gibt es die größten Zweifel, ob die Europäische Kommission die Übernahme großer Teile der Air Berlin ohne aus Lufthansa-Sicht inakzeptable Auflagen genehmigt.

Intern wächst derweil die Angst vor neuen Flugausfällen im großen Stil. In Verhandlungskreisen wird befürchtet, dass Piloten neue wilde Streiks beginnen könnten, wenn klar wird, welche Jobs auf der Strecke bleiben und wen Einbußen treffen könnten. "Wir befürchten, dass sich das in den nächsten Wochen wiederholt", heißt es. "Nicht nur Kunden, sondern auch die Gesellschaft könne das schwer belasten."

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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