Air Berlin:Regierung führte vor Air-Berlin-Pleite Geheimgespräche mit Lufthansa

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Airbusse der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin stehen am Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt (BER) nahe Schönefeld. (Foto: dpa)
  • Schon kurz, nachdem Air Berlin Insolvenz angemeldet hatte, gab es Vorwürfe, wonach die Bundesregierung die Lufthansa im Bieterprozess bevorzuge.
  • Dokumente zeigen nun: Vertreter der Bundesregierung führten schon vor der Air-Berlin-Pleite Gespräche mit beiden Airlines.

Von Katja Riedel, Elisa Simantke und Sebastian Pittelkow, Berlin

Die Nachricht lief am 15. August, einem Dienstag, über die Agenturen: Die Fluggesellschaft Air Berlin ist insolvent. Es war ein Schock für die Kunden, für die Piloten, das Kabinenpersonal. Doch es gab Menschen, die schon sehr viel früher darüber Bescheid wussten, was da dräut: in der Bundesregierung - und auch beim Konkurrenten Lufthansa, jenem ehemaligen Staatskonzern, der nun anstrebt, die besten Teile von Air Berlin zu übernehmen.

Nachlesen kann man all dies in einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge. In einer Liste ( PDF) wird dort aufgeführt, welche Kontakte es zwischen den Spitzen der Regierung und Vertretern von Air Berlin und Lufthansa vor der Pleite gab. Unterm Strich waren es viele. Demnach telefonierten Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann und Verkehrsminister Alexander Dobrindt erstmals am Freitag, 11. August. Über den Inhalt des Gesprächs steht nichts in der zweiseitigen Antwort der Regierung. Aber es dürfte um die drohende Insolvenz gegangen sein. Über das Wochenende schnürte die Regierung dann ein Rettungspaket für Air Berlin, mit drin: ein Notkredit über 150 Millionen Euro, der dazu diente, den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten. Winkelmann war, ehe er zu Air Berlin wechselte, unter anderem Chef von Eurowings, einer Tochterfirma der Lufthansa. Die Lufthansa wiederum hatte bereits zuvor etliche Maschinen von Air Berlin angemietet, die seit Monaten in ihrem Auftrag flogen. Dies war Teil der Bemühungen, de kriselnden Konzern wieder aufzurichten.

Über das Wochenende - die Öffentlichkeit wusste noch von nichts - gab es dann eine ganze Serie von Telefonaten: Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, telefonierte am 12. und 13. August mit Winkelmann - und an beiden Tagen auch mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Auch sein Staatssekretärskollege Michael Odenwald aus dem Bundesverkehrsministerium griff an den beiden Tagen wiederholt zum Telefon. In der Liste, die an den Grünen-Abgeordnete ging, heißt es lapidar: "Telefonate mit Air Berlin", "Telefonate mit Lufthansa".

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Am Montag, dem 14. August, trafen sich dann gleich vier Staatssekretäre aus vier Ministerien im Verkehrsministerium, um über das Rettungspaket zu verhandeln. Mit dabei neben Machnig und Odenwald zwei Kollegen aus dem Auswärtigen Amt und dem Finanzministerium. Und außerdem: die Airline-Chefs Winkelmann (Air Berlin) und Spohr (Lufthansa). Einen Tag später erfuhr dann auch die Öffentlichkeit, was da los war: Air Berlin machte publik, dass man beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt habe.

Zu den Inhalten der Gespräche wollten die Ministerien auf Nachfrage der SZ wenig preisgeben. Auf Nachfrage teilte das Wirtschaftsministerium mit, das es am 29. August auch ein Gespräch mit Easyjet gegeben habe, man habe jedoch deutlich gemacht, dass die Regierung nichts mit dem Verkauf zu tun habe. Schon kurz nachdem Air Berlin einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung eingereicht hatte, waren Vorwürfe laut geworden, die Regierung bevorzuge die Lufthansa. Auch fühlten sich Konkurrenten wie Ryanair-Chef Michael O'Leary benachteiligt. Letzterer wetterte gegen ein angeblich abgekartetes Spiel, auch Mitarbeiter erhoben den Vorwurf.

Air Berlin wollte auch zu einem angeblichen Telefonat mit dem Kanzleramt nichts sagen, das in der Liste nicht auftaucht. Am 24. August hatte die Personalvertretung der 3000 Kabinenmitarbeiter einen Brief aufgesetzt, an Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Darin hatten sie ihrer Wut Luft verschafft - auf Management und Regierung. Letztere vertrete "im Zuge einer Aufspaltung der Air Berlin einseitig deutsche Wirtschaftsinteressen", hieß es. Zudem dränge sich "der Eindruck auf, dass die Übernahme der Air Berlin durch die Lufthansa lange vorbereitet war".

Zu den konkreten Gesprächen heißt es von Air Berlin nur: kein Kommentar

Bei einem der Personalvertreter klingelte gegen Abend das Telefon, berichtete später dessen Anwältin. Der Personalvorstand von Air Berlin, Martina Niemann, habe wissen wollen, ob man einen Brief geschrieben habe. Zu dem Zeitpunkt sei dieser noch nicht veröffentlicht gewesen. Auf die Rückfrage, woher das Management von dem Schreiben wisse, habe Niemann geantwortet: Die Kanzlerin telefoniere soeben auf der anderen Leitung mit Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann. Sie wolle wissen, was da los sei. Die Airline teilt mit, man war und sei in Kontakt mit der Regierung. Zu dem konkreten Gespräch hieß es: kein Kommentar. Auch die Bundesregierung weiß nichts von einem solchen Anruf.

Das Kabinenpersonal hat auf seinen Brief an die Kanzlerin noch keine Antwort erhalten, aber erneut geschrieben. In Briefen an Winkelmann, Sachwalter Lucas Flöther und den Air-Berlin-Generalbevollmächtigten Frank Kebekus griff das Personal das Interims-Management am 11. September scharf an. Es seien "bereits vor dem Abschluss des Bieterverfahrens Stellschrauben hinsichtlich eines Wunsch-Szenarios zugunsten der Lufthansa/Eurowings unwiderruflich gestellt werden".

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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