In der Debatte über Fahrverbote für Dieselautos mahnt der Automobilclub ADAC Industrie und Politik eindringlich zu einer Lösung, die sowohl die Gesundheit, aber zugleich auch die sozialen Aspekte im Blick behält. "Wir sind ganz klar gegen Fahrverbote", sagte Vereinspräsident August Markl im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Jedoch müssten zugleich schnellstmöglich die Stickoxid-Werte in den Städten gesenkt werden. "Für den ADAC steht die Gesundheit der Menschen an erster Stelle - noch vor den individuellen Mobilitätsbedürfnissen. Entsprechend hoch ist unser Interesse an sauberer Luft in allen Städten."
Immer wieder stellt die Autoindustrie infrage, ob der Grenzwert nicht vielleicht zu hoch, die Diskussion also übertrieben sei. "Die 40 Mikrogramm sind ja nicht zum Spaß gewählt. Als Mediziner weiß ich, dass das durchaus seine Berechtigung hat", sagt Markl, der viele Jahre als Radiologe gearbeitet hat. "Wir müssen doch auch an Babys und Kleinkinder, an Senioren oder kranke Menschen denken." So weitergehen könne es jedenfalls nicht, mahnt der Präsident im Vorfeld des für Dienstag erwarteten Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts: Die Richter in Leipzig entscheiden über Diesel-Fahrverbote in Düsseldorf und Stuttgart.
Die technischen Experten des mit 20 Millionen Mitgliedern größten Automobilklubs der Welt wüssten seit Langem um die Stickoxid-Emissionen bei Autos und die damit verbundenen Gefahren, sagt Markl. Stickoxide, kurz NOx genannt, entstehen vor allem in Dieselmotoren, sind Vorprodukte von Feinstaub und können etwa Asthma verstärken, zudem gibt es deutliche Hinweise, dass das Immunsystem geschwächt wird. Der ADAC hat in den vergangenen Jahren, noch vor dem Auffliegen des Dieselskandals bei Volkswagen, in seinem sogenannten Ecotest regelmäßig auf sehr hohe NOx-Emissionen bei vielen Dieselautos hingewiesen.
In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde deutlich, auf welchen Wegen viele deutsche und ausländische Hersteller an der Abgasreinigung sparten - aus Kostengründen. Nicht immer war dies illegal, sondern wurde ermöglicht durch laxe und ungenaue Gesetze. Dies ermöglichte Herstellern die Zulassung von Fahrzeugen, die im echten Straßenverkehr weit dreckiger fuhren als auf den Prüfständen.
Allerdings sei das radikale Aussperren auch kein angemessener Ausweg, warnt Markl. "Wie immer die Lösung aussieht, sie darf nicht zulasten der Autofahrer gehen, nicht zulasten der alleinerziehenden Mutter, die ihr Kind zum Sportunterricht bringt, nicht zulasten des Handwerkers, der aus den Städten ausgesperrt wird." Ein Fahrverbot beträfe vor allem die Schwächsten. "Es ist falsch, anstatt beim Hersteller beim Autofahrer anzusetzen, der nichts dafür kann", sagt der ADAC-Präsident. "Deshalb wünsche ich mir ein klares Signal der Politik, dass die Hersteller alle bereits heute zur Verfügung stehenden Technologien zur Reduzierung von Schadstoff-Emissionen auch nutzen. Es ist alles an Technik vorhanden, man muss sie nur in die Autos einbauen."
Zuletzt hat der Verein, der im bayerischen Landsberg ein großes Technik- und Forschungszentrum betreibt, darauf hingewiesen, dass viele gebrauchte Dieselautos mit neuen Katalysatoren nachgerüstet werden könnten. Gerade Fahrzeuge, die auf Wunsch auch mit wirksamen Katalysatoren erhältlich waren, könnten recht schnell erneuert werden, heißt es beim ADAC. Die Teile lägen quasi im Ersatzteil-Regal. Auch bei anderen Autos ließen sich die Werte senken durch sogenannte SCR-Anlagen, die Stickoxide mittels Harnstoff filtern. "Die Kosten liegen zwischen 1500 und 3300 Euro pro Fahrzeug", sagt Markl. Diese Kosten dürften definitiv nicht beim Autofahrer hängen bleiben. "Der kann schließlich überhaupt nichts für die Misere. Er muss sich beim Autokauf darauf verlassen können, dass alles stimmt. Also darf er auch nicht belastet werden."
Der ADAC sieht dabei die Konzerne und den Staat in der Pflicht. "Für die Finanzierung von Hardware-Nachrüstungen sind in erster Linie die Hersteller gefragt, aber auch die Politik trägt Verantwortung." Deshalb könnte eine gemeinsame Förderung von Staat und Industrie eine Option sein.
Allerdings läuft der ADAC mit der Nachrüstforderung bislang ins Leere. Zwar will auch kein Hersteller Fahrverbote, das schadet den Kunden und damit dem Image des spritsparenden Diesel, den die Industrie eigentlich braucht, um die Klimaziele einzuhalten. Aber die ausländischen Hersteller ducken sich bei der Frage völlig weg. Und die deutschen Autobauer wehren sich mit Vehemenz gegen Nachrüstungen: Sie wollen es überhaupt nicht zulassen, vom Zahlen ganz zu schweigen. Die Wagen müssten getestet und vom Kraftfahrtbundesamt überprüft werden. Das dauere zwei, wenn nicht sogar drei Jahre, heißt es. Ungeklärt sei auch die Haftung: Wer zahle, wenn bei den nachgerüsteten Autos etwas kaputt gehe? Mithin sei die sogenannte Hardware-Nachrüstung eine viel zu große Operation. Manch deutscher Hersteller sagt hinter vorgehaltener Hand: Möglich wäre es schon, aber wahnsinnig teuer.
Erneuerung der Dieselflotte? Für den ADAC keine ausreichende Lösung
Andere behaupten konsequent, diese Operation sei unmöglich. Der Plan der Hersteller, den alle - Audi, BMW, Daimler, Volkswagen - vortragen, tut so, als ob da kein Bundesverwaltungsgericht wäre, das schnelle Abhilfe fordert. Man könne das Problem bald mittels einer besseren Steuerung des Großstadtverkehrs in den Griff bekommen; zudem werde bei mehreren Millionen Autos die Software optimiert. Vor allem sieht die Industrie die Lösung in "der Erneuerung der Dieselflotte", wie alle Manager betonen: Neue Automodelle würden viel weniger Stickoxide ausstoßen.
Für Markl ist das keine ausreichende Lösung, zumal sie außer Acht lasse, dass sich viele nicht einfach ein neues Auto leisten könnten, selbst wenn es mit Umweltprämien ein bisschen rabattiert würde. "Automanager sollten sich meines Erachtens viel mehr daran orientieren, was wir für eine saubere Mobilität in Zukunft brauchen", sagt er. "Und zwar die breite Masse der Menschen und nicht nur wenige, die sich alles leisten können. Das hat etwas mit Verantwortung zu tun."