Abgasaffäre:Die Geschäftemacherei mit dem VW-Skandal

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In Europa hat es VW verpasst, einen vernünftigen Ausgleich mit den Kunden zu finden - das macht den Konzern zum leichten Ziel für gefährliche Angriffe. (Foto: dpa)

Anwälte und Politiker wollen aus der Abgasaffäre bei VW billigen Profit schlagen. Sie haben leichtes Spiel, weil der Konzern auf die alte Führung setzt.

Kommentar von Klaus Ott

Jetzt kommt die vermutlich ultimative Klage in der Abgas-Affäre von VW. Die Kanzlei des US-Staranwalts Michael Hausfeld will vor Gericht in Deutschland beweisen, dass Millionen Diesel-Fahrzeuge von Volkswagen mit manipulierten Schadstoffwerten nie hätten zugelassen werden dürfen. Sie dürften also nicht über Europas Straßen rollen und müssten nun von dem Autokonzern zurückgenommen werden, gegen Erstattung des Kaufpreises. Käme es so weit, wäre VW pleite. Nahezu eine komplette Jahresproduktion zu ersetzen, das kann kein Konzern der Welt verkraften.

Diese Hausfeld-Klage ist der Höhepunkt der Geschäftemacherei im Fall VW. Manche Anwaltskanzleien und Politiker lassen nichts unversucht, aus der Abgas-Affäre Profit zu schlagen. Mit überzogenen Klagen und Vorwürfen. Hauptsache, die eigene Kasse stimmt - ob nun finanziell oder politisch. Hätte Hausfeld vor Gericht Erfolg, dann würde für viele Volkswagen-Kunden ein klein wenig herausspringen, aber wenige würden viel kassieren. Hausfelds Kanzlei arbeitet mit der Firma My Right zusammen, die solche Prozesse finanziert. My Right verspricht klagewilligen VW-Kunden, deren Kosten und Risiken zu übernehmen und "nur" im Erfolgsfalle eine Provision zu nehmen.

Ein irreführendes "nur", bei satten 35 Prozent Provision. Das könnte am Ende ein Milliardenbetrag sein. Die Auswüchse der US-Sammelklagen erreichen Europa. Aber nur deshalb, weil VW versäumt hat, in Europa rechtzeitig einen sinnvollen Ausgleich mit den 8,5 Millionen betroffenen Kunden zu suchen. Und weil die Bundesregierung versäumt hat, für solche Streitfälle sinnvolle Regeln zu schaffen. In Form einer Musterklage, die Verbrauchern hilft, ihre Rechte gemeinsam wahrzunehmen. Und die Unternehmen davor schützt, ausgenommen zu werden.

Deutschland und Europa reagieren mit Populismus statt Aufklärung

Der Umgang von Bundestag, Bundesregierung und Europäischer Union mit der Abgas-Affäre ist teilweise ein Trauerspiel. Jüngstes Beispiel: Die Grünen haben bereits einen "Skandal im Skandal" entdeckt, weil einige Mails zwischen Autokonzernen und Verkehrsministerium über private Mail-Konten von Staatsdienern gelaufen sind. Dass bislang keine Hinweise vorliegen, hier sei etwas verschleiert worden, schert die Grünen nicht. Erst wird der nächste Skandal ausgerufen, und dann wird geprüft. So führen die Grünen den auch auf ihr Betreiben vom Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschuss, der staatliche Versäumnisse aufarbeiten soll, ad absurdum. Das ist, nicht zum ersten Mal, Populismus statt Aufklärung. Oder, anders ausgedrückt: politische Geschäftemacherei mit der Affäre.

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Davor ist nicht einmal die EU-Kommission in Brüssel gefeit, die wegen der manipulierten Schadstoffwerte bei VW ein Verfahren gegen Deutschland und andere Staaten eingeleitet hat. Aber nicht gegen Italien, das seinen Traditionskonzern Fiat schützt. Der steht unter Verdacht, ähnlich illegal wie VW agiert zu haben. Der Konzern, der inzwischen unter Fiat Chrysler firmiert, weist das zurück. Doch wo bleibt hier die Aufklärung durch die EU? Die hat im Übrigen bei den Schadstoff-Regeln für die Autoindustrie jahrelang selbst versagt und wirft nun Deutschland Versagen vor. Weil hierzulande kein Bußgeld gegen VW verhängt werde. Was teils an der Sache vorbeigeht. Die Bundesregierung hat in der Tat kein Interesse, eine nach Verkehrsrecht eigentlich mögliche Strafe auszusprechen. Aber bei der deutschen Justiz läuft ein Verfahren, das mit einem hohen Bußgeld für Volkswagen enden kann.

Das Spiel wird weitergehen, solange VW sich nicht erneuert

Die ganze Geschäftemacherei im Umgang mit der Affäre ist freilich nur möglich, weil die alte VW-Garde um Vorstandschef Matthias Müller und Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch noch im Amt ist. Weil Müller und Pötsch mit Rückendeckung der Industriellenfamilien Piëch und Porsche sich mit den mehr als 15 Milliarden Dollar Schadenersatz und Strafen in den USA freikaufen und anschließend die Akten weitgehend schließen wollen. Und weil sie in Europa auf Zeit spielen, auf Verjährung setzen, statt mit den Besitzern der betroffenen Fahrzeuge offen und ehrlich über einen fairen Ausgleich zu reden. Über einen Ausgleich, der für den Konzern verkraftbar wäre. "Jeder einzelne Kunde ist uns wichtig", verkündet Volkswagen in diesen Tagen. Man bedanke sich für die "Geduld und Loyalität zu unserer Marke". Die vielen Kunden, die sich hingehalten fühlen, dürfte das kaum besänftigen.

Solange VW nicht an der Spitze erneuert wird, solange Müller und Pötsch sich mit den Piëchs und Porsches weiter durchzumogeln gedenken, solange bleibt der Konzern ein leichtes Angriffsziel für Geschäftemacher aller Art.

© SZ vom 03.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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