Netzausbau:Die 5G-Versteigerung ist ein altertümliches Schauspiel

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Jetzt kann die Arbeit beginnen - das ist aber viel zu spät. Nicht wie auf diesem Bild in der Schweiz: Dort ist 5G bereits vielerorts freigeschaltet. (Foto: REUTERS)

Während die Konzerne monatelang um Mobilfunknetze feilschen mussten, haben andere Staaten diese bereits in Betrieb. Deutschland darf jetzt nicht noch mehr Zeit verlieren.

Kommentar von Marc Beise

Regierungen kommen und gehen, aber eines hat Bestand: die Findigkeit des Staates, Geld einzusammeln. Das kann durch Zölle an den Grenzen geschehen oder durch Steuern, die für einen bestimmten Zweck eingeführt werden, aber dessen Wegfall frech überleben - so wie beim Solidaritätszuschlag für Ostdeutschland. Oder eben durch die Versteigerung von Infrastruktur, wie gerade in Mainz-Gonsenheim geschehen. 6,6 Milliarden Euro nimmt die öffentliche Hand dafür ein, dass sie Mobilfunklizenzen an Telekommunikationsunternehmen vergibt. Nun hört man ein allgemeines Aufatmen: Endlich kann das 5G-Zeitalter beginnen.

Spötter, die an frühere Standards wie 2G, 3G oder 4G erinnern, an die Verheißungen durch GPRS und UMTS, die mal der neueste Schrei waren und heute schon wieder out sind, haben die Lacher auf ihrer Seite. Schnelles Internet? Soll es irgendwo geben, aber meistens nicht da, wo man selbst gerade ist. Aber wer so redet, verkennt, dass die Digitalisierung mit 5G nach Lage der Dinge wirklich in eine neue Dimension vorstößt; es geht um eine hundertmal größere Leistungsfähigkeit als beim vorherigen Standard.

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Schnelleres Internet, kürzere Ladezeiten, mehr Rechenpower, weniger Stromverbrauch, das wird, in ein paar Jahren, ganz hübsch sein für jeden, der mit dem Smartphone hantiert, und auch die Freunde von Computerspielen können sich auf eine aufregende 3D-Welt freuen. Viel wichtiger aber ist, dass die Industrie ab sofort Milliarden Daten zuverlässig vernetzen und ganz neue Formen der Zusammenarbeit von Maschinen mit Maschinen und Menschen entwickeln kann. Es ist dies Deutschlands vielleicht letzte Chance, um beim weltweiten Digitalisierungswettlauf mithalten zu können.

In der Unterhaltungstechnik sind die Silicon-Valley-Konzerne uneinholbar vorne, bei der Produktion aber sind die Deutschen bisher noch Weltklasse. Das können sie - wenn überhaupt - nur bleiben, wenn sie ihre Prozesse sehr rasch digitalisieren, ehe die Digitalkönner in den USA und China beim Bauen von Autos, Maschinen und anderen Geräten so gut werden, wie sie es beim Programmieren sind.

Gewiss, die Chancen dürfen die Risiken nicht verdecken. Berichte über mögliche Gesundheitsgefahren durch Strahlung sind ernst zu nehmen, man muss entsprechende Vorsorge treffen - besser aber parallel zur Einführung der neuen Technik und nicht an deren Stelle.

Denn leider hat Deutschland bereits viel Zeit verloren, weil die Regierung und die ihr unterstellte Netzagentur aus Schaden einfach nicht klug geworden sind. Die erste große Versteigerung von Mobilfunklizenzen im Jahr 2000, bei der der Staat wahnwitzige 50 Milliarden Euro einnahm, hat die Unternehmen damals finanziell schwer belastet, die Möglichkeiten des Smartphones schöpften sie auch deshalb nicht aus. Weshalb kluge Menschen seit Langem empfehlen, dass der Staat, wenn es denn eilt, besser das Netz rasch selbst bauen lässt (es handelt sich ja schließlich um eine allgemein wichtige Infrastruktur) und es dann - unter Auflagen - an die Konzerne vermietet.

Stattdessen aber ließ die Regierung erneut ein altertümliches Schauspiel aufführen, ein monatelanges Feilschen in einer abgeschirmten ehemaligen Kaserne, das Nerven gekostet und Kräfte gebunden hat. Derweil andere Staaten ihre Netze bereits in Betrieb haben.

© SZ vom 14.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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