Davos:Merkel und Macron machen Front gegen Trump

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Emmanuel Macron und Angela Merkel verstehen sich gut. So gut, dass sie sich gemeinsam gegen Trump versuchen. (Foto: AFP)
  • Deutschland und Frankreich bemühen sich beim Weltwirtschaftsforum um ein gemeinsames Auftreten gegen Protektionismus.
  • Zu einem persönlichen Austausch zwischen Merkel, Macron und Trump wird es wohl nicht kommen.

Von Thomas Fromm und Andrea Rexer, Davos

Es sind die ganz großen Linien, die Angela Merkel bemüht. "100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs", sagt die deutsche Kanzlerin beim Treffen der globalen Wirtschaft- und Politikelite in Davos, "müssen wir uns fragen, ob wir aus der Geschichte gelernt haben." Da steht nicht die Kanzlerin des Berliner Kleinklein, die irgendwie doch noch eine Koalition für die nächsten vier Jahre zusammenbringen will. Da steht eine Politikerin mit mehr Erfahrung im internationalen Politikgeschäft als fast alle der Rednerinnen und Redner, die hier in Davos auftreten. Knochentrocken konstatiert sie denn auch: "Wir sehen, dass es nationale Egoismen gibt, in vielen Staaten gibt es eine polarisierende Stimmung." Ohne seinen Namen zu nennen, zielen diese Worte vor allem auf einen: US-Präsident Donald Trump.

Damit antwortet Merkel gewissermaßen auf das, was erst noch kommt. Denn Trump steht ganz am Ende der Rednerliste in Davos; er dürfte der Welt dort mitteilen, warum sie sich auf noch mehr "America first" einstellen sollte. Amerika zuerst: Das ist der größtmögliche Kontrapunkt zu Davos, der traditionellen Globalisierungs-Gala in den Schweizer Alpen.

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Seit 1971 kommt hier die Elite aus Wirtschaft und Politik zusammen, um über Geschäfte zu reden, über freien Handel und über die Probleme dieser Welt. Und nun sagt sich der US-Präsident an, um zu verkünden, dass ihn das alles nicht interessiert. Dass er lieber amerikanische Wirtschaftspolitik für amerikanische Arbeiter machen will, statt sich mit den anderen auf mehr geregelten Welthandel zu einigen.

Wie soll sich Europa behaupten?

Eine theoretische Debatte ist das längst nicht mehr. Nach der Ankündigung von Einfuhrzöllen auf Waschmaschinen und Solarmodule wollen die USA nun hohe Einfuhrzölle auf spanische Oliven erheben, um kalifornische Produzenten zu schützen. Ausgerechnet Oliven! Donald Trump gegen den Rest der Welt - so ist wohl die Ausgangslage in Davos.

Und so kommt es, dass die, die anders denken als er, kontern, bevor Trump überhaupt ein Wort gesagt hat - und sich zusammenschließen, so wie Merkel und Emmanuel Macron. Kanzlerin und Präsident hatten schon am vergangenen Wochenende die deutsch-französische Achse beschworen, zum 55. Jahrestag des Élysée-Vertrags verkündet, noch enger zusammenrücken zu wollen. Das Signal geht über den Atlantik. Wenn schon Trump nicht mitmacht, dann macht man es wenigstens hier in Europa. Wie sonst soll sich Europa behaupten in der Welt der Trumps, Putins und Xi Jinpings?

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Wie man Trump entgegentreten kann, hatte der kanadische Regierungschef Justin Trudeau am Dienstag in Davos gezeigt, als er den Abschluss eines neuen Freihandelsabkommens für den Pazifikraum bekannt gab: ohne die USA, die das bereits fertige Abkommen für eine Transpazifische Partnerschaft (TPP) nach Trumps Amtsantritt gekündigt hatten. "America first", das passt nicht zu solchen Partnerschaften.

Am Mittwoch dann kommt die Stunde der Europäer. Zuerst spricht der italienische Premierminister Paolo Gentiloni, dann wirbt Merkel für die Neubelebung der Europäischen Union. Der wichtigste Partner dabei: Frankreich. "Mit der Wahl von Emmanuel Macron ist Schwung in die EU gekommen. Das wird uns stärken", sagt die Kanzlerin. Zwei deutsch-französische Initiativen hebt sie hervor: zum einen die strategische Kooperation beim Thema künstliche Intelligenz. Die technologischen Neuerungen trieben sie um, gesteht sie freimütig ein: "Ich fühle, dass wir Druck haben." Die Umbrüche hätten das Potenzial, im 21. Jahrhundert enorme Probleme zu schaffen. Gerade Unternehmen, sagt sie mit Blick ins Publikum, hätten die Verantwortung, auch jene in der Bevölkerung einzuladen, die "dem wahnsinnigen Tempo des Wandels nicht folgen können". Als Zweites betont Merkel den gemeinsamen deutsch-französische Vorstoß zu einer Unternehmenssteuerreform - auch das eine indirekte Antwort auf Trump.

Möglich, dass Macron Merkels Rolle streitig macht

Dass sie überhaupt hierher kam, ist wiederum fast ein Wunder. Eine geschäftsführende Kanzlerin, die gerade versucht, eine Regierung zu bilden - auf dem Schirm hatte man sie hier nicht. Dann aber meldete sich Donald Trump an, und so kam es, dass Ende vergangener Woche auch die Zusage Merkels eintrudelte. Die Bundeskanzlerin wieder in Davos, zum ersten Mal seit drei Jahren. Angeblich, heißt es in Kreisen des Weltwirtschaftsforums, sei es nicht nur Trump gewesen, der sie umgestimmt habe. Auch innenpolitische Gründe hätten eine Rolle gespielt, außerdem habe sie zugesagt, weil sie das Thema Europa umtreibe. Man kann es natürlich so sehen: Was soll eine deutsch-französische Achse, wenn nur die eine Hälfte in Davos ist? Wie soll man sich als geeinter Gegenspieler zu Trumps Amerika positionieren, wenn man nicht geeint zur Stelle ist?

Denn Frankreichs Präsident Macron hatte schon in Paris angekündigt, dass er in seiner Rede vor der Wirtschaftselite einen "globalen" Gegenentwurf zu US-Präsident Donald Trump vorlegen will. Das war bisher Merkels Rolle. Möglich, dass Macron sie ihr streitig macht - oder diese Rolle zumindest mit ihr teilt. Hat sich Merkel auch deshalb so kurzfristig angemeldet?

Jahrzentelang warben die USA für Freihandel

Dass Trump ausgerechnet in dem Jahr kommt, in dem das Treffen in Davos unter dem Motto "Für eine gemeinsame Zukunft in einer zerrissenen Welt" steht, ist Zufall. Aber irgendwie auch voller Symbolkraft: Denn um eine gemeinsame Zukunft zu planen, muss man mit vielen Menschen reden. Trump, so hieß es zuletzt, wolle die britische Premierministerin Theresa May und den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu treffen. Von Gesprächen mit der Kanzlerin oder Macron war nicht die Rede.

Jahrzehntelang hatten die USA der Welt den Freihandel erklärt. Jetzt erklären die anderen den USA, warum sie Protektionismus für schädlich halten. "Die Kräfte des Protektionismus erheben ihre Köpfe gegen die Globalisierung", sagte Indiens Premier Narendra Modi zur Eröffnung des Forums am Dienstag. Da hatte die US-Regierung gerade Strafzölle auf Waschmaschinen und Solarpaneele bekannt gegeben.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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