Pro & Contra Büro-Stil:Nur arbeiten oder auch leben?

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Die eine liebt Pflanzen, die andere braucht eine Armee an Stiften, um gut arbeiten zu können. Kluges Bürodesign wie das "Worknest" stellt sich darauf ein. (Foto: Sorin Morar)

Soll man seinen Arbeitsplatz angenehm gestalten oder kann daraus nie eine nette Umgebung werden? Zwei Ansichten zum Thema Bürokultur.

Von Verena Mayer und Max Scharnigg

Schöner Platz: Es lohnt sich immer, das Büro hübsch einzurichten

Ein Büro muss heute Überzeugungsarbeit leisten, damit es noch regelmäßig besucht wird. Richtig notwendig ist die leibhaftige Präsenz dank Vernetzung schließlich oft gar nicht mehr. Aber Chef und Chefin wollen aus Gewohnheit oft noch analoge Gesellschaft um sich haben, und so sitzt man eben immer noch große Teile seine Lebens in Zweckbauten mit Multifunktions-Zonen und illusionslosen Teeküchen ab. Wünschenswert wäre es, dass der Arbeitgeber etwas Hausverstand besitzt und seinen Mitarbeitern diese tägliche Zwangsumsiedlung so angenehm macht, wie es der Möbel-Zeitgeist gerade hergibt. Ja, dafür muss man einen Architekten oder Inneneinrichter engagieren, und ja, dafür muss man alle fünf Jahre nicht nur die IT-Ausrüstung updaten, sondern eben auch das Interieur. Googles Headquarter in London sieht deswegen übrigens auch exakt so aus wie ein gutes Design-Hotel.

Die Arbeitsatmosphäre bei unseren ehrwürdigen Dax-Unternehmen und Mittelständlern ist dagegen meist eher irgendwo zwischen Jugendherberge und Stahlrohr-Sterilität hängen geblieben: Blind gewordene Kunstdrucke oder lange verjährte Auszeichnungen an der Wand, flankiert von halbhohen Zimmerpflanzen, die im ewigen Herbst ihres Lebens stehen, mit den immergleichen Systemmöbeln und ausgeleuchtet von kaltweißem Bürolicht. Botschaft: Arbeitest du schon, oder lebst du etwa noch?

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Wenn der Chef keine Notwendigkeit sieht, das zu ändern, muss der Büromensch selbst für etwas sorgen, das sein Selbstwertgefühl stärkt und die Stimmung hebt. Damit sind weder ausgedruckter Bürohumor noch die welligen Fotos der Angehörigen gemeint. Beides zementiert den Kontrast zwischen Arbeit und Freizeit ja erst noch. Genau das ist der Fehler. Wer sein Büro nicht oder mit Sehnsuchts-Reliquien schmückt, der wird letztlich jede Stunde dort in dringender Erwartung des Feierabends verbringen. Das ist genauso ungesund, wie das ganze Jahr nur auf den Urlaub hinzuarbeiten. Die vom Privatradio treu zementierte Einstellung: "Arbeit ist so doof" sagt ja nichts anderes, als dass man in Folge sein halbes Leben lang jede Minute darauf wartet, woanders und jemand anderes zu sein.

Warum soll man sich nicht zwei, drei tolle Möbel, eine schöne Lampe und immer wieder neue Bilder in sein Büro stellen? Die eigene Stehlampe mit warm-diffusem Licht, ein paar luxuriöse Schreibtischutensilien, ein wöchentlicher Blumenstrauß inkl. wechselnder Vasen oder eine sehr teure Duftkerze, schon Kleinigkeiten genügen Auge und Geist für ein paar Streicheleinheiten. Es geht nicht darum, es sich gemütlicher zu machen, sondern sich die Umgebung zu schaffen, die man für sich selbst angemessen hält - wenn man nun schon mal so viel Zeit hier verbringt. Meistens haben derlei kleine Veränderungen große Strahlkraft, Kollegen bemerken die neue Wohnlichkeit und irgendwann wird auch der Chef im Zimmer stehen und dann vielleicht den Wink verstehen.

Max Scharnigg

Geschichte eines Investors, der eines Tages einen Berliner Betrieb übernahm. An seinem ersten Tag als neuer Eigentümer ging er durch die Büros, deutete auf die vielen verstaubten Topfpflanzen, die auf Schreibtischen und Fensterbänken vor sich hin dorrten, und sagte, die müssten alle weg. Die Belegschaft fand das natürlich seltsam, um nicht zu sagen: grausam. Ein Vorzeichen auf das, was da vielleicht noch kommen würde. Denn wer Topfpflanzen hinauswirft, der entlässt am Ende ganz sicher auch Menschen.

Dabei hat der Investor das Beste getan, was man mit einem Arbeitsplatz machen kann. Ihn von den Dingen befreit, die einem vorgaukeln, dass man sich die nächsten acht bis zehn Stunden nicht bei notwendiger Erwerbsarbeit befindet, sondern in einer Art verlängertem Wohnzimmer. Und die dadurch etwas unendlich Trauriges haben. Denn die Kissen, Vasen und Zimmerpalmen, die man von zu Hause anschleppt, und vor allem die unzähligen Fotos von Familie und Freunden, mit denen die Büros dieses Landes zugepflastert werden, sagen ja vor allem eines: mein Leben, meine Familie, meine Freunde - sie existieren für mich nur als Erinnerung oder Bild. Man sitzt woanders fest: in der Arbeit.

Welche Software kommt heraus, wenn es zugeht wie im Bällebad?

Vielleicht muss man auch mal länger im Home Office gearbeitet haben, um zu verstehen: Arbeit, die man auf dem Sofa, im Bett oder in Puschen erledigt, wird man immer anmerken, dass sie auf dem Sofa, im Bett oder in Puschen entstanden ist. Daher gibt es schon aus Gründen der Effizienz nichts Schlimmeres als diese Liegen, Sofalandschaften und flauschigen Teppiche, wie sie sich in der Start-up-Szene ausgebreitet haben. Denn welche Software soll zum Beispiel herauskommen, wenn es rund um einen zugeht wie im Bällebad eines Einkaufszentrums? Oder wie im Londoner Google Headquarter, in dem ein Innenausstatter Rüschensofas mit U-Boot-Türen und Cockpits abgewechselt hat? Am liebsten halten sich die Mitarbeiter dem Designer zufolge übrigens im Schleudersitz auf.

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Der Gedanke, der sich dahinter auftut, hat etwas fast schon Perfides: Denn wenn das Büro aussieht wie der schönste und heimeligste Freizeitort, dann gibt es immer weniger Grund, dieses Büro zu verlassen. Und das ist natürlich genau im Sinne des Erfinders. Arbeitnehmer, die rund um die Uhr bleiben und auf die Dauer mit ihrer Arbeit verwachsen wie eine Schlingpflanze mit der Fensterbank. Deshalb: raus mit dem ganzen Zeug oder gar nicht erst hinein. Der beste Arbeitsplatz ist karg wie eine Mönchszelle, in der ja auch keiner Kätzchenbilder aufhängt oder Schilder, auf denen "Ich bin bei der Arbeit und nicht auf der Flucht" steht. Ein Ort also, dem man ansieht, dass hier gedacht, gearbeitet, Geld verdient wird, und, ja, oft auch ein Gefühl der Entfremdung herrscht. Während draußen das eigene Leben ist, die Freunde und Familie. Und all jene Räume, die man dann selbst gestaltet. Denn wie lautet die älteste aller Büroweisheiten: Arbeit ist Arbeit und Schnaps ist Schnaps.

Verena Mayer

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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