Konsum:Im Dutzend teurer

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T-Shirts im Dreierpack bei Prada. (Foto: Prada)

T-Shirts im Dreierpack, Schmuck in der Großpackung: Das praktische Set war bisher eher der Billigmode vorbehalten, jetzt haben es die Luxushersteller für sich entdeckt.

Von Julia Werner

Lieblingsszene aus F. Scott Fitzgeralds "Der große Gatsby": Er bewirft Daisy Buchanan während der Palastführung durch seinen begehbaren Kleiderschrank mit feinsten Hemden. Und sie vergießt dabei bittere Tränen in den Seidenberg, weil sie noch nie so schöne Hemden gesehen hat. Sie trauert natürlich nicht um den Mann, dem sie bekanntlich aus Armutsgründen einen Korb gegeben hatte. Sie trauert um den Kleiderschrank, in dem feinste Ware im Dutzend gestapelt wird. Solche luxuriösen Closets sind nämlich der Ort totaler Sorgenfreiheit. Im Kosmos solcher Kleiderschrankbesitzer wird kein Gedanke an Mangel verschwendet. Hier wird es das niemals geben: Das Fehlen einer sauberen Unterhose oder eines Paars zusammenpassender Socken, auch keine Eigelbfleckensorgen auf dem weißen Lieblings-T-Shirt, denn wenn so etwas passiert, dann zieht man einfach ein neues an, und das ist noch nicht mal ausgeleiert.

Womit wir bei einem relativ neuen Phänomen aus der Luxuswelt wären: dem Multipack. Man kennt diesen marketingpsychologischen Trick eigentlich eher von Billigheimern wie H&M, wo es nicht um geschmackliche Feinheiten geht, sondern ums Sattwerden. Da gibt es seit jeher Tangas im 5er-Pack für knapp 15 Euro und goldfarbene Kreolen im halben Dutzend für 9,99 Euro. Auf diese Weise kauft man Haarbänder oder Socken quasi im Kilo und als das, was sie leider irgendwie sind: Einwegprodukte. Der Multipack ist das ultimative Emblem der Gier: Hier krieg ich mehr für mein Geld. Menschen mit Geschmack rümpften darüber bisher die Nase, Packs waren eben was fürs Pack. Lieber suchten sie sich mit spitzen Fingern ihre Spitzenunterhosen einzeln aus und zerbrachen sich dann den Kopf darüber, ob das einzigartige Stück irgendwie zu den vorhandenen BHs passt. Aber dafür hat ja heute keiner mehr Zeit zwischen Yoga und Job! Deshalb gibt es jetzt auch in den Luxus-Online-Shops Multipacks ohne Ende.

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570 Euro für drei T-Shirts hören sich luxuriöser an als 190 Euro für ein Einzelstück

Sie heißen nur nicht so, sie werden meistens vornehm Sets genannt. Ganz vorne dran dabei natürlich: Unterhosen für ihn von Versace, Paul Smith und Orlebar Brown, für sie von neuen Luxus-Basic-Unterwäsche-Labels wie zum Beispiel Kye Intimates. Drei schnöde Nylon-Slips kosten dann allerdings das Zehnfache des H&M-Pendants. Einleuchtend sind natürlich auch Designersocken, bunt oder unifarben, schon deutlich am Luxusgefühl zweifeln lässt einen allerdings Schmuck in der Großpackung. Das It-Label Fry Powers zum Beispiel bietet bunt emaillierte Earcuffs oder Ringe aus Silber, fünf Stück für einen Tausender, und der gehobene Onlinehändler Netaporter verkauft die Armbänder der New Yorker Perlenaufreiherin Roxanne Assoulin in ganzen Stößen. Klar, eines ist in diesen Armband-Sets dann schon inbegriffen, nämlich die Kreativleistung der Zusammenstellung, das können Profis ja auch besser. Man ahnt aber trotzdem, worum es bei der neue Liebe zum Set auch gehen könnte, nämlich um die Verschleierung des eigentlichen Warenwerts. Die Dinger einzeln zu verkaufen, ließe den Preis jedenfalls ganz schön mickrig aussehen.

Wozu einzeln, wenn es auch en gros geht? Vier Ringe von Fry Powers für 1038 Euro (z.B. bei net-a-porter.com) (Foto: Fry Powers)

Preise müssen aber entweder so mickrig sein, dass sie dem Konsumenten überhaupt keinen Schmerz verursachen, oder so hoch, dass sie richtig wehtun. Das Produkt an sich regt im Hirn das Belohnungszentrum an, der dazugehörige Preis die Insula, die normalerweise aktiv wird, wenn wir körperlichen Schmerz empfinden, beschreibt Carl Tillessen in seinem lesenswerten Buch "Konsum - Warum wir kaufen, was wir nicht brauchen", und bezieht sich auf eine Studie des Neurowissenschaftlers Brian Knutson. Und dann wäre da noch der sogenannte Veblen-Effekt: Lacoste habe, so Tillessen, in den 80er-Jahren aufgrund verbesserter Produktionskonditionen den Preis seiner Polo-Shirts gesenkt. Was umgehend dazu führte, dass weniger Leute sie kauften. Sie fühlten sich um die Exklusivität betrogen. So lässt sich wohl auch die Entscheidung von superexklusiven Brands wie Marni, Jil Sander oder Prada interpretieren, neuerdings Basic-T-Shirts im Dreierpack zu verkaufen. Natürlich sind das qualitativ gut gemachte Produkte. Aber 570 Euro hören sich dann doch einfach luxuriöser an als 190 Euro für ein Einzelstück. Man kann diese Basics auch gar nicht einzeln kaufen, alle anderen solo erhältlichen T-Shirt-Modelle von Prada kosten einzeln ungefähr das Gleiche wie der ganze Pack, haben aber zusätzliche Distinktionsmerkmale wie Aufdrucke, Logo-Applikationen oder Stretchanteil.

Und natürlich steckt in der Großpackung auch noch eine andere Botschaft. Wer grade keine sechs grünen Scheine für ein paar T-Shirts übrig hat, kommt halt nicht rein in den Prada-Klub und erfährt Luxus durch Einfachheit dann eben nicht. Das steht neben anderen kryptischen Lifestyle-Mantra-Aufdrucken auch auf der schlichten Plastikverpackung dieser Sets im Stil von Frischhaltebeuteln. So hat es der Multipack vom Wühltisch also tatsächlich in die Nussholzkleiderschränke dieser Welt geschafft. Und ist irgendwie das skurrilste Symbol für die Einkommensschere: Wenn sich der Prada-Basic-Kauf genauso schmerzhaft anfühlt wie der eines Multipacks Druckerpatronen - weil man unfassbar viel Geld ausgeben muss für etwas, dass man gar nicht will, sondern nur braucht -, dann weiß man, wo man hingehört, dann ist man wahrscheinlich Mieter. Drei absolut gleiche schwarze Edel-Leggings (z.B. von Splits 59 für 350 Euro) in der Schublade zu haben, damit kein Herausfischen der einen Sporthose aus der Wäsche kurz vor der Yoga-Stunde nötig - das ist echter Villenbesitzer-Stil. Man kann Daisy Buchanan wirklich keine Hysterie vorwerfen.

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