Essen und Trinken:"Hummus tut spirituell und körperlich gut"

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Für das Kichererbsenpüree gibt es in Israel unzählige Rezepte. Der Koch Ariel Rosenthal glaubt sogar an dessen magische Kraft. Was man bei der Zubereitung beachten sollte.

Von Titus Arnu

Die Action-Komödie "Don't mess with the Zohan" gilt nicht gerade als cineastisches Meisterwerk. Das Lexikon des Internationalen Films fasst die Handlung so zusammen: "Kurzweiliger Blödsinn". Adam Sandler spielt in dem Kinofilm von 2008 einen ehemaligen Top-Agenten des Mossad, der sich in New York seinen Kindheitstraum erfüllt, als Friseur zu arbeiten. Die Zusammenhänge sind haarsträubend und komplett unrealistisch, aber Zohan verhilft einer unscheinbaren Substanz zu einem großen Hollywood-Auftritt. Eine tragende, oder besser: klebende Rolle in dem Film spielt Hummus.

Das Kichererbsenpüree kommt unter anderem als Zahnpasta, Hundefutter, Kaffeesahne, Haargel und Löschmittel zum Einsatz. Am Schluss des Films kitten größere Mengen an Hummus sogar die problematische Beziehung zwischen Palästinensern und Israelis. Man gewinnt fast den Eindruck, das Zeug sei ein Wundermittel und erfülle im Nahen Osten eine ähnliche Funktion wie der Zaubertrank für Asterix und die Gallier. Alles Quatsch? "Hummus ist ein magisches Gericht", findet Ariel Rosenthal, sozusagen der israelische Kichererbsen-König. In seinem Restaurant Hakosem in Tel Aviv werden täglich bis zu 1600 Portionen Hummus zubereitet. 2001 hat Rosenthal sein Lokal als Imbissbude eröffnet, mittlerweile gilt es als eine der besten Hummus-Adressen der Welt.

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Wenn man Rosenthal über den eigentlich recht unspektakulären Gemüsebrei schwärmen hört, könnte man glauben, "Don't mess with the Zohan" sei eine realistische Dokumentation und keine durchgeknallte Komödie. "Hummus tut spirituell und körperlich gut", behauptet der Koch. "Wer täglich davon isst, bleibt immer gesund." Wegen seiner cremigen Konsistenz sei das vegane Gericht gut geeignet für Senioren und Babys, es seien keine Allergien dagegen bekannt, außerdem sind die Zutaten billig und leicht verfügbar. Man genießt es in Israel zum Frühstück, zum Mittagessen, zwischendurch mit Brot, mit einer Zwiebel, als Beilage zu Fleisch, Gemüse oder Fisch oder pur mit dem Löffel.

Das Wort "Hummus" stammt aus dem Arabischen und bedeutet schlicht Kichererbse. Über das gleichnamige Gericht gibt es im Nahen Osten allerdings ähnlich viele Diskussionen wie über Grenzverläufe. Welche Kichererbsensorte? Wie viel Sesammus? Gehören Kreuzkümmel und Knoblauch hinein oder nicht? Wie bei den meisten einfach erscheinenden Rezepten kommt es auf die Qualität der Grundzutaten und einige Feinheiten an. "Wenn Sie mein Hummus-Rezept nachkochen, sind Sie ein glücklicher Mensch und haben immer viele Freunde", verspricht Ariel Rosenthal beim Kochkurs per Videoschalte. Es komme auf die Grundeinstellung an, sagt Rosenthal: "Für ein richtig gutes Hummus braucht man Hingabe und Geduld."

Das geht mit der sorgfältigen Auswahl der Zutaten los. Rosenthal verwendet kleine Kichererbsen, mit denen man eine besonders feine, cremige Textur erreicht. Größere Sorten seien besser geeignet für Falafel. Kichererbsen aus der Dose stellen aus Sicht des Hummus-Gurus kein Sakrileg dar, wichtig ist nur, dass man sie lange und sanft gart. Ideal ist es, wenn man Kichererbsen am Vortag oder über Nacht einweicht und dann mehrere Stunden lang köcheln lässt. Um festzustellen, ob sie weich genug sind, empfiehlt Rosenthal einen israelischen Spezialtest: Eine Kichererbse an die Küchenwand werfen - wenn sie kleben bleibt, ist sie weich genug.

Die gekochten und abgekühlten Kirchererbsen kommen mit einer Prise Fleur de Sel (grobes Meersalz tut es auch), einem halben Glas Kochflüssigkeit und dem Saft einer großen Zitrone in den Mixer. Bevor Rosenthal auf den Knopf drückt und eine Weile nicht mehr zu verstehen ist, philosophiert er noch über die angemessene Menge Tahini. In den meisten Hummus-Rezepten sind 20 bis 30 Prozent Sesammus enthalten, er verwendet mehr als 60 Prozent. Dadurch wird das Gericht besonders cremig und schmeckt intensiv nach dem Aroma der Ölpflanze.

Rosenthal nimmt einen Teelöffel und testet die Konsistenz: "Es sollte sich anfühlen wie eine italienische Eiscreme, sodass es sich kaum vom Löffel löst." Mit zärtlichen Bewegungen streicht er die Masse auf einen Teller, gibt frisch gekochte, warme Kichererbsen darauf, träufelt etwas Olivenöl und Zitronensaft darüber, garniert das Ganze mit einem Blatt Basilikum - das ist alles. Wenn man vorgekochte Kichererbsen zur Hand hat, ist Hummus in ein paar Minuten fertig. Knoblauch, Kreuzkümmel und andere Gewürze verwendet Rosenthal nicht, aber das ist Geschmackssache und von Region zu Region unterschiedlich.

Jedes Gebiet, jedes Lokal und jede Familie in Israel schwört auf ein eigenes Hummus-Rezept. Vor einigen Jahren war sogar von einem Hummus-Krieg im Nahen Osten die Rede. Dabei ging es um die Frage, ob das Gericht von Juden oder Arabern erfunden wurde. Palästinenser und Libanesen behaupten, der Eroberer Saladin sei auf die Idee gekommen, getrocknete Kichererbsen einzuweichen und mit Sesampaste, Knoblauch, Olivenöl und Salz im Mörser zu zerstampfen. Die Juden dagegen berufen sich auf die Bibel, in der die Kichererbse "Himza" genannt wird. Der Streit gipfelte in einem Weltrekordversuch der Libanesen, die zwei Tonnen Hummus anrührten. Doch die Israelis toppten die Aktion mit einem Vergeltungsschlag, indem sie eine Satellitenschüssel mit vier Tonnen Hummus füllten.

Eine Speise, die man gut teilen kann

"Hummus kann politisch sein", sagt Ariel Rosenthal. Er aber schreibt dem herzhaften Püree eine völkerverbindende Kraft zu. Im Buch "On the Hummus Route", das er mit Orly Peli-Bronshtein verfasst hat, der Chefredakteurin des israelischen Kulinarik-Magazins Al Ha shulchan, zeichnet er die Spur des Hummus durch den Orient nach. Beiträge aus Ägypten, Israel, Syrien und Libanon zeigen, dass es kein ultraorthodoxes Rezept dafür gibt - aber eine gemeinsame Geschmacksidee. Es mag verrückt klingen, aber vielleicht ist der Kichererbsenbrei ja der gemeinsame Nenner, auf den sich die Menschen im Nahen Osten einigen können. Jeder behaupte zwar von sich, er habe "das beste Hummus der Welt", sagt Ariel Rosenthal und schließt sich selbst mit ein. Aber die Hauptsache sei doch: Es handele sich um eine einfache Speise, die man gut teilen kann.

Deshalb glaubt Rosenthal auch an die spirituelle Kraft des Gerichts. Das beste Hummus der Welt sei nicht auf einen bestimmten Ort beschränkt. Sondern man finde es, "wo auch immer auf der Welt Sie mit Ihren Lieben vereint sind", beim gemeinsamen Genuss von pürierten Kichererbsen. Auf die Frage, wer die magische Substanz nun erfunden hat, antwortet Rosenthal salomonisch: "Ich glaube, Gott hat es erfunden."

© SZ vom 30.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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