Garten:Grüner wird's nicht

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In Kalifornien sind die Sommer besonders trocken, schnell wird der Rasen braun. In San Jose sprüht ein Mann grüne Farbe auf das Gras. Sie soll bis zu drei Monate halten und ist wasserfest. (Foto: Justin Sullivan/Getty Images/ AFP)

Was tun, wenn der Rasen im Sommer braune Flecken bekommt? Farbenhersteller empfehlen, das unansehnliche Gras einfach anzumalen. Geht's noch?

Von Claudia Fromme

Schuld an der Misere trägt ein wenig auch Frederick Law Olmsted. Der berühmte Landschaftsarchitekt aus Connecticut hat Mitte des 19. Jahrhunderts den lawn zum Maß aller Dinge in der Stadtplanung erklärt, den Zierrasen vor dem Haus. Olmsted wollte so amerikanischen Wohnhäusern eine Anmutung verleihen, als stünden sie in einer endlosen Parklandschaft. Sein Stil prägt die Vororte bis heute, viele Gemeinden schreiben den Schmuckrasen sogar vor. Dumm nur, dass die Sommer seit Olmsted heißer geworden sind, das Wasser knapper - und das endlose Grün in den endlosen Suburbs braun wird.

Aber nicht überall. Mancherorts erscheint das Gras knackgrün, selbst in Kalifornien, wo Gießwasser gerade wieder rationiert wird. Dort haben die Gartenbesitzer nicht etwa heimlich gewässert oder Plastikrasen verlegt (wird staatlich subventioniert) - sie haben das braune Gras einfach nur grün angesprüht. Längst gibt es auch den Job des Rasenmalers, der mit einer Spritzdüse und einem Farbtank auf dem Rücken die grüne Ordnung wiederherstellt. Hält zwei, drei Monate, ist wasserfest und wächst sich raus wie eine Haarcoloration. 200 bis 300 Dollar kostet es im Schnitt, einen Rasen begrünen zu lassen, und die Firmen versichern, dass sich so nicht nur der Wert der Immobilie steigern lässt, sondern auch der Neid der Nachbarn.

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Wenn die Natur uns nicht gefällt, malen wir sie uns einfach passend. Geht's noch? Andererseits: Schön ist die partielle Steppe im Garten tatsächlich nicht.

Der US-Hersteller der "Green Lawn Paint" liefert schnell, Absender ist ein virtuelles Büro in Offenbach. Mit zunehmenden Hitzesommern wird auch der deutsche Markt interessant, gerade versuchen mehrere US-Unternehmen, ihre Anker auszuwerfen. Testbereiche gibt es genug: Die Sonne hat den Rasen fleckig gegrillt, ein Planschbecken braune Kreise produziert.

Die Farbe kommt per Post, die braunen Flecken auf dem Rasen ziert nun ein helles, grelles Grün

Das Gras ist trocken, es geht kein Wind - gute Bedingungen für die Rasenfarbe. Die erste Hürde: Das Gras soll vorher gemäht werden. Wie soll das gehen, wenn es ausgedörrt am Boden liegt? Also zurechtzausen, mähen, und die gebrauchsfertige Farbe auf die braunen Stellen sprühen.

Der erste Eindruck: Das behandelte Gras ist viel heller als der umliegende intakte Rasen. Nach einer Stunde folgt eine zweite Dosis, die laut Beipackzettel aber nicht nötig ist. Das Ergebnis: immer noch zu hell. Also tags drauf noch eine Dosis. Eigentlich soll die Literflasche für 20 bis 50 Quadratmeter reichen, die Testfläche beträgt zwei Quadratmeter, ein Viertel ist nach der dritten Aktion noch übrig. Das Gras ist zwar deutlich dunkler als am Vortag, aber es sieht immer noch aus wie eine zu helle Nuance der grellgrünen Holzwolle aus Discounter-Osternestern. Mit der Vertuschung der Wunden des Hitzesommers wird das nichts. Einige Ameisen, die durch das Testfeld eilten, tragen dafür seither einen grünen Panzer.

Die Farbintensität könne man selbst beeinflussen, lässt der Hersteller der "Green Lawn Paint" wissen. Wenn man von weiter oben sprühe und nicht zu lange an einer Stelle verweile, würde es heller. Umgekehrt würde es dunkler. Zeit für die vierte Dosis. Nah dran. Volle Pulle. Nun ja. Grüner wird's nicht. Vielleicht ist der Rasen zu sehr lädiert, vielleicht passt das kalifornische Grün nicht zum europäischen Gras, vielleicht ist es auch einfach Geschmackssache.

Was ist drin in dem Spray? "Betriebsgeheimnis", erklärt Carl Kaufmann, der sich als Vertreter der Firma in Deutschland vorstellt. Deklariert werden müssten die Inhaltsstoffe nicht, die Farbe sei weder Medizin, noch Lebensmittel, noch Kosmetik. "Aber sie ist unbedenklich für Mensch, Tier und Natur", sagt Kaufmann, der berichtet, dass die Zahl der Kunden in Deutschland jährlich steige. Klimawandel und so. Zusätzlich soll das Spray Zecken fernhalten, Dünger ist auch drin, beim Aufsprühen riecht es nach Stickstoff. Andere Firmen mischen Zitrusöle hinein, um Hunde abzuwehren (die neue braune Stellen produzieren, wenn sie strullern), der französische Hersteller Eden Color verrät, dass Algen die Basis für den grünen Farbton sind.

Was ist drin in dem Rasenspray? Betriebsgeheimnis, lassen die Hersteller wissen

In Endingen am Kaiserstuhl produziert die Lackfirma Rilit auch Pflanzenfarben, "Green Grass Water" heißt ihr Rasenspray. Vertriebsleiter Thomas Urbanczyk ist branchentypisch verschwiegen, was die Rezeptur angeht, Wasser, Pigmente, ein geringer Anteil an Harz als Bindemittel, das muss reichen. Das Geschäftsfeld ist durch den Klimawandel zukunftsträchtig, da will keiner zu viel verraten. Das Produkt sei aber biologisch abbaubar, was durch das Hygiene-Institut des Ruhrgebiets in Gelsenkirchen überprüft worden sei. "Pflanzen können mit diesem Lack bedenkenlos lackiert und kompostiert werden."

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Die Rezeptur stammt aus Frankreich. Dort sind gefärbte Pflanzen seit Jahren bekannt, vor allem Erika wird getönt. Im nahen Elsass werden mit der Farbe von Rilit drei Millionen Heidekrautpflanzen für den Herbstverkauf gefärbt, auch in Rosa, Weiß und Türkis. Die Grasfarbe hat eine ähnliche Basis wie die Erikafarbe, und sie kann auch für Hecken verwendet werden, die braun geworden sind. Typischerweise bestehen sie aus Thujen. Tatsächlich ist die Farbe bei Friedhöfen im Einsatz, etwa in Rheinhausen im Breisgau. Auf Fotos wirken die Hecken grün, tot sind sie trotzdem.

Harald Nonn ist Vorsitzender der Deutschen Rasengesellschaft, in der sich Praktiker und Wissenschaftler um das Kulturgut Rasen kümmern. Wie sinnvoll ist die Rasenfarbe? "Vertrockneter Rasen bindet kein Co₂, produziert keinen Sauerstoff, kühlt nicht die Umgebungsluft und bietet auch keine attraktive Erholungs- und Spielfläche", stellt der Agraringenieur klar. Die eigentliche Funktion des Rasens stelle die Farbe nicht wieder her, das sei eine "optische Täuschung". Es gebe nun einmal unterschiedliche Jahreszeiten mit mehr oder weniger Wachstum und somit auch unterschiedlichen Grüntönen im Rasen. Manchmal sind die dann eher braun.

Die Deutsche Rasengesellschaft hält nichts von dem Spray. Besser auf Regen warten

Was rät der Profi in heißen Sommern wie diesen? "Temperaturen von mehr als 30 Grad sind für unsere Rasenflächen kein Problem, solange die Wasserversorgung sichergestellt wird." Das bedeutet für Harald Nonn aber nicht, dass täglich der Sprenger angeworfen wird. "Bei ausbleibendem Regen sollte relativ selten, dann aber ausgiebig beregnet werden." Da sich die Hauptwurzelmasse bei den Rasengräsern auf etwa 15 bis 20 Zentimeter Tiefe beschränke, würden zur Auffüllung des Wasservorrats etwa 20 bis 25 Liter pro Quadratmeter benötigt. "Bei hohen Tagestemperaturen reicht dieser Vorrat für bis zu eine Woche." Das Anheben der Schnitthöhe um ein bis zwei Zentimeter trage zudem durch den Beschattungseffekt zu einem grüneren Rasen und zum Wassersparen bei. Die meisten Mängel, die durch Trockenheit entstehen, wüchsen sich ohnehin durch den nächsten Regen wieder aus.

"Der Garten soll ordentlich sein wie ein Wohnzimmer", kritisiert Silvia Teich vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die Idee, sich braunen Rasen einfach grün zu sprühen. "Alles, was man zusätzlich in die Natur einbringt, gehört da nicht hin und ist schädlich, darum sollte man darauf auch verzichten." Der Nabu rät dazu, sich besser eine robustere Wildblumenwiese anzulegen und Schattenspender wie Sträucher und Bäume zu pflanzen. "So entsteht ein anderes Mikroklima und der Rasen ist nicht so der Sonne ausgesetzt."

Der Zeitgeist nagt sowieso heftig am Zierrasen. Selbst die Royal Horticultural Society, die immer die Gralshüterin des feinen englischen Rasens war, schwenkt um. Bei der von ihr veranstalteten Chelsea Flower Show in London, der maßgeblichen Schau für Gartentrends, war Ende Mai kaum noch Rasen zu sehen. Die prämierten Gärten hatten Wildblumenwiesen oder verzichteten gänzlich auf größere Freiflächen. Stattdessen war ein Potpourri aus trockenresistenten Pflanzen zu sehen. Spray für braune Flecken brauchte hier keiner.

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