Der Torwart Fabijan Buntic schoss den Ball ein letztes Mal weit in die Hälfte des VfL Osnabrück, dann pfiff der Schiedsrichter Tobias Stieler das Relegations-Rückspiel am Sonntag ab - und die Fete des FC Ingolstadt 04 an: Die Spieler von der Bank liefen jubelnd über den Rasen. Ein Teil zu Buntic, andere zu Mitspielern, Michael Heinloth warf sich auf den am Boden liegenden Nico Antonitsch. An der Seitenlinie umarmten sich der Trainer Tomas Oral und der Sportdirektor Michael Henke. "Der Gegner war bärenstark. Aber wir haben es verdient, definitiv haben wir es verdient", sagte Oral bei Dazn. Er meinte: den Aufstieg. Endlich hatte er ihn vollbracht.
Nach zwei bitteren Relegationsniederlagen 2019 und 2020 schaffte er nun durch das 1:3 (1:2) im Relegationsrückspiel in Osnabrück (Hinspiel: 3:0) die Rückkehr in die zweite Fußball-Bundesliga mit den Oberbayern. "Z'ruck in die Heimat" stand auf den eigens gedruckten T-Shirts. Später streamte der Außenstürmer Maximilian Beister bei Instagram Live-Bilder aus der Kabine des Klubs, in der die wild umherspringende Mannschaft sowie einige leergetrunkene Flaschen eines Münchner Bieres zu sehen waren. "Wir haben ein paar Kampftrinker drin", sagte Oral schon davor. Buntics Gegenüber Philipp Kühn und einige seiner Kollegen weinten dagegen, Oral hatte sie auch aufgrund der eigenen Erfahrungen nach dem Abpfiff getröstet. Freude und Trauer - sie liegen so eng zusammen nach diesen Endspielen wie zuvor die Zweikämpfe auf dem Feld.
Die Osnabrücker versuchten am Sonntag ja noch einmal alles für ihr "Brückenwunder". Ein paar Fans zündeten in der Nacht ein Feuerwerk vor dem Teamhotel, wie der FCI twitterte, um die Ingolstädter Spieler um ihre geruhsame Nacht zu bringen. Und pünktlich zum Start des Modellprojekts in Niedersachsen durften dann auch 2000 Zuschauer im Stadion an der Bremer Brücke Stimmung machen für den VfL. Es wirkte so, als wären das letzte Verzweiflungstaten gewesen nach dem 0:3 am Donnerstag im Ingolstädter Sportpark. Doch diese kleinen Taten entfachten ihre Wirkung im Kampf um den 18. und letzten Zweitliga-Platz in der Saison 2021/22.
Erst Heiders zweites Tor weckt die Ingolstädter auf
Der FC Ingolstadt musste letztlich heftig bangen, ehe er sein Relegationstrauma besiegen durfte. Oral schickte zwar die gleiche Elf wie am Donnerstag auf den Platz, die hatte jedoch ihre Probleme mit den nun deutlich forscheren Osnabrückern. Es ging los wie in einem schlechten FCI-Traum: Der ins VfL-Team gerückte Marc Heider startete an den kurzen Pfosten durch und lenkte eine Flanke von Bashkim Ajdini ins Tor (6. Minute). "Nur noch drei, nur noch drei", schrien die Anhänger.
"Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie so eine Relegation laufen kann. Schön, dass wir 3:0 gewonnen haben, aber das heißt noch gar nix", hatte der FCI-Innenverteidiger Tobias Schröck nach dem Hinspiel gesagt. Doch trotz dieses Wissens agierte seine Mannschaft weiter arg passiv, Heider durfte mit einem 20-Meter-Schuss auch das 2:0 erzielen (20.).
Erst dieser Kracher entfachte dieselbe Wirkung wie das nächtliche Feuerwerk: Ingolstadts Fußballer wachten auf - und gewannen wieder deutlich mehr Zweikämpfe. Der Mittelstürmer Stefan Kutschke bekam nach einem Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte das Spielgerät auf der rechten Außenbahn, er flankte nach innen und dort köpfelte es in vertauschten Rollen der Außenstürmer Filip Bilbija am ersten Pfosten über Kühn hinweg zum 1:2 ins lange Eck (31.). Gleich danach revanchierte sich Bilbija: Kutschke grätschte dessen Flanke knapp neben das VfL-Tor (32.).
Zur Pause hatte sich also eine Komponente verändert: Osnabrück brauchte durch das FCI-Auswärtstor nun fünf Treffer für den Klassenverbleib. Und versuchte daher umgehend, diesem Ziel näherzukommen: wieder durch Heider, dessen Kopfball-Aufsetzer Buntic gerade so an den Pfosten lenkte (48.). Ingolstadt schaffte ein paar Entlastungsangriffe über den eingewechselten Dennis Eckert Ayensa, doch das Übergewicht an Ballbesitz und starken Aktionen hatte auch in der zweiten Hälfte der Gastgeber: Der frühere Nürnberger Sebastian Kerk startete die spannende Schlussphase mit seinem starken Freistoß an den Pfosten (78.), Etienne Amenyido schoss kurz darauf das 3:1 aus 25 Metern (80.).
Danach waren die Oberbayern wieder präsenter, ihre Verteidigung passte wieder besser auf. Weil aber vorne Merlin Röhl nach einem starken Dribbling in den Strafraum an der Querlatte scheiterte (90.+1), blieb der Ausgang vage bis zu Buntics letzten Schuss - und Stielers anschließendem Pfiff. "Es wird einfach die Sau rausgelassen. Wir wollen diesen Aufstieg genießen", sagte Oral noch, wie beseelt von diesem engen Fußballnachmittag. Er hatte mit seinem Verein ja zwei Jahre lang auf diesen Moment gewartet.