Zweite Liga:Es geht mit den Roten Teufeln zu

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Schock in letzter Sekunde: Der Freistoß von Philipp Klement ist drin, die Nürnberger sind entsetzt, während Lauterns Terrence Boyd jubelnd die Arme hochreißt. (Foto: Schreyer/Imago)

Der noch immer abstiegsgefährdete 1. FC Nürnberg führt gegen Kaiserslautern bis kurz vor Schluss mit 3:1 und kassiert noch zwei Gegentreffer. Beim Club werden schmerzliche Erinnerungen wach.

Von Sebastian Leisgang

Dieter Hecking regte sich nicht. Da war kein Jubel, kein Lächeln des Triumphs, nichts. Hecking, Jeans, Hemd, das rechte Bein über das linke geschlagen, saß in einem Stuhl auf der Laufbahn des Max-Morlock-Stadions und ließ sich nicht bewegen. Hinter ihm sprangen die Ersatzspieler des 1. FC Nürnberg auf und rissen die Arme hoch, aber Hecking, 58, ruhte nach dem 1:0 durch Mats Möller Daehli in sich. Rund zwei Stunden später regte sich Hecking wieder nicht. Da war kein Frust, kein Aufschrei, nichts. Nürnbergs Trainer stand jetzt am Spielfeldrand, die Arme vor der Brust verschränkt, die Augen auf den Platz gerichtet, wo die Ersatzspieler des 1. FC Kaiserslautern zu Philipp Klement rannten, der gerade in der fünften Minute der Nachspielzeit das 3:3 erzielt hatte.

Es war der Schlusspunkt eines Fußballspiels, an das sich die Menschen in Nürnberg lange erinnern werden, sollte der Club in den restlichen drei Spielen doch noch so schlecht abschneiden, dass er zwei Relegationsspiele bestreiten muss, um zweitklassig zu bleiben.

Gegen Kaiserslautern waren die Punkte ja zum Greifen nahe, sie lagen im Grunde schon auf dem Silbertablett, doch dann kam Klement und schlug es den Nürnbergern im hohen Bogen aus der Hand. "Wir wollten das Spiel über die Ziellinie retten", sagte Hecking später, "das 3:2 hat dann dazu beigetragen, dass wir gespürt haben, es könnte uns noch aus der Hand gleiten. Dass wir dann noch das 3:3 kriegen, passt leider ins Bild."

Unter Hecking hat sich der Club zwar spielerisch verbessert, an der durchaus angespannten Tabellensituation änderte aber auch der zweite Trainerwechsel dieser Saison nichts. Bei nur noch drei ausstehenden Spielen sind es zwar vier Punkte, die den FCN von Rang 16 und der Abstiegsrelegation trennen - aber ist dieser Verein nicht einmal sogar abgestiegen, obwohl er vor dem letzten Bundesliga-Spieltag drei Punkte und fünf Tore Vorsprung hatte? Am 29. Mai 1999, einem der denkwürdigsten Tage der Nürnberger Vereinshistorie, verlor der FCN zum Saisonfinale mit 1:2 gegen den SC Freiburg und stieg tatsächlich ab, weil Eintracht Frankfurt das Parallelspiel gegen jenen Klub 5:1 gewann, der nun in Nürnberg zu Gast war: Kaiserslautern.

Als der Club 1999 aus der Bundesliga abstieg, obwohl man sich sicher wähnte, kickte Dieter Hecking noch für Hannover

Dass Hecking damals noch selbst Tore für Hannover 96 schoss, zeigt zwar, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist - dass sich dieser Abstieg aber tief in die Nürnberger Seele eingebrannt hat, ist selbst heute noch festzustellen. Diese Grundskepsis, die den Verein umgibt, diese Vorbehalte, diese Schwarzmalerei, all das hat auch mit diesem 29. Mai vor 24 Jahren zu tun.

Am Sonntag ging es dann wieder einmal mit den Roten Teufeln zu. Als Kwadwo Duah zu Beginn der zweiten Hälfte das 3:1 erzielt hatte, schien das Duell entschieden zu sein. Weil die Nürnberger Mannschaft aber nicht diese Souveränität und Abgeklärtheit hat wie Hecking am Spielfeldrand, nahm das vorletzte Heimspiel doch noch ein unheilvolles Ende. Erst zwei Minuten vor Schluss verkürzte Kaiserslautern auf 2:3 - und dann bewies Klement, dass sich auch mit ganz viel Gefühl rohe Gewalt ausüben lässt. Der Mittelfeldspieler des FCK zirkelte einen Freistoß aus rund 20 Metern über die Nürnberger Mauer und traf den Club mitten ins Herz.

Leere Blicke auf der Tribüne, ein regungsloser Hecking an der Seitenlinie: Der FCN war zutiefst bestürzt und verschlug seinem Trainer sogar die Sprache. "Unmittelbar nach dem Spiel mit der Enttäuschung, dass wir das 3:1 noch aus der Hand gegeben haben, findet man nicht so viel Positives", sagte Hecking später - dabei hatte sein Team doch gerade in der Offensive einen deutlich besseren Eindruck hinterlassen als zuletzt.

Wie der Ball etwa vor dem 1:0 durch die Reihen gelaufen war, ehe er zu Lino Tempelmann kam, wie der Mittelfeldspieler dann andribbelte, wie punktgenau Felix Lohkemper flankte und wie Mats Möller Daehli den Ball über die Linie drückte, all das war mustergültig und ließ sich in einen größeren Rahmen setzen. Ebenso wie das 3:1 deutete ja auch das erste Tor an, wozu diese Mannschaft eigentlich imstande ist. Die beiden Treffer trugen all das in sich, was der Club kann, in dieser Saison aber viel zu selten gezeigt hat. So blieb am Ende auch dieser eine Satz von Tempelmann, der ziemlich tief blicken ließ. Der Mittelfeldspieler räumte ein: "Wir haben uns zu sicher gefühlt."

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