Xabi Alonso in Leverkusen:Real Madrid? "Ich denke an Ottensen"

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"Ich bin glücklich hier": Xabi Alonso, Trainer mit Vertrag bis 2026 in Leverkusen. (Foto: Christopher Neundorf/Kirchner-Media/Imago)

Xabi Alonso hat seinen Vertrag in Leverkusen bis 2026 verlängert, obwohl er ständig mit seinem Ex-Klub in Verbindung gebracht wird. Längst plant er Bayers nächste Schritte in Richtung europäische Spitzenklasse.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Dieselben Gesichter wie vorher, stellte Xabi Alonso fest, als er den Pressesaal betrat und in die Runde blickte. Um aus diesem Prolog vor dem ersten öffentlichen Auftritt des Betriebsjahres statt Vertrautheit und (einem sehr leisen Hauch von) Wiedersehensfreude den Anflug von Langeweile herauszuhören, musste einer schon Bösartigkeit in sich tragen. Bayer Leverkusen ist zwar ein überschaubarer Standort mit einem ständigen Pressecorps, das die entfesselten Verhältnisse des Medienzeitalters nicht widerspiegelt.

Doch Alonso, aus Spielerzeiten verwöhnt mit dem königlich-kaiserlichen Rummel bei Real Madrid oder beim FC Bayern, scheint es so gerade recht zu sein, weshalb er nun nichts dagegen hatte, seinen Vertrag mit der vergleichsweise kleinen Bühne Bayer 04 um zwei Jahre bis 2026 fortzuschreiben - zur Überraschung jener Kenner, die praktisch jeden Tag seinen Wechsel zu Real Madrid bevorstehen sehen.

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An der Überzeugung, der Trainer sei nur auf der Durchreise, hat auch dessen überraschend verkündete Vertragsverlängerung nicht viel geändert, was den 41 Jahre alten Spanier veranlasste, vor der Presse-Veranstaltung am Freitagvormittag noch ein paar deutsche Fachbegriffe einzustudieren. Kein Witz: Einerseits ließ er sich ins Wort "Außenseiter" einweisen, weil seine Bayer-Elf im DFB-Pokal beim Hamburger Regionalligisten Teutonia Ottensen 05 anzutreten hat, andererseits machte er sich mit dem eckigen Klang der Vokabel "Ausstiegsklausel" vertraut, um Fragen nach seiner Exit-Strategie Richtung Weltklub-Fußball begegnen zu können. Doch niemand fragte nach einer möglichen Real-Madrid-Klausel, eine Antwort zum Text seines Arbeitsvertrages hätte der Profi Alonso ohnehin nicht gegeben.

"Ich bin am richtigen Platz, um mich zu entwickeln und zu verbessern", sagt Alonso

Fest steht, dass Xabi Alonsos Deutsch-Kenntnisse in den Liga-Ferien nicht gelitten haben. Er hat im Sommer über dem Wörterbuch gesessen und seinen verbalen Spielraum deutlich erweitert. Der Trainer erwartet von seinen Spielern, dass sie wenigstens eine der Amtssprachen in der Kabine - Deutsch und Englisch - beherrschen, und geht als Beispiel voran. Das ist aber wohl eher Zeugnis seines beruflichen Selbstverständnisses als ein Indiz dafür, dass er sich auf ein langes Bleiben im Rheinland einrichten würde.

Die Unterschrift leistete er, weil er sich nach einem dreiviertel Jahr mit Bayer 04 immer noch und sogar zunehmend wohlfühlt: "Ich bin glücklich hier", sagte er, "ich bin am richtigen Platz, um mich zu entwickeln und zu verbessern." Eben darin erfüllt sich seine Vorstellung von Karriereplanung, ansonsten, so fügte er hinzu, denke er nicht allzu weit voraus, und schon gar nicht denke er immerzu an Real Madrid: "Ich denke an Ottensen, und am Tag nach dem Spiel denke ich an Leipzig", den ersten Bundesliga-Gegner.

Der neue Vertrag des Trainers drückt nicht nur gegenseitige Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit aus. Er passt auch zur Erwartung, dass Bayer 04 diesmal mehr sein könnte als ein stiller Mitspieler im oberen Tabellendrittel. Zeitgemäß formuliert: Der Werksklub trendet. So viel Achtung und so viele Vorschuss-Komplimente aus Kennerkreisen sind den Leverkusenern seit den wilden Reiner-Calmund-Zeiten selten zuteilgeworden.

Außer dem seriösen Alonso, den jeder für einen designierten Star-Trainer hält, sind dafür die Transfergeschäfte des Sportchefs Simon Rolfes verantwortlich: Die Garde der Zugänge, angeführt von den erfahrenen Granit Xhaka und Jonas Hofmann, schließt fußballerische Lücken im Kader und steigert, wenn die Rechnung aufgeht, das Mentalitätsniveau. "Wir wollen ein bisschen mehr haben", sagt Xabi Alonso mit täuschend echt klingender Bescheidenheit über das nach oben offene Saisonziel.

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