Wollscheid-Wechsel nach Leverkusen:Einer für euch, einer für uns

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Nach hoffnungsvollen Talenten suchen Leverkusen und Dortmund auf die gleiche Weise. Diesmal nutzte Bayer seine guten Beziehungen nach Nürnberg und verpflichtete den begehrten Innenverteidiger Philipp Wollscheid. Auf ein Wettbieten haben die Regierungen beider Klubs verzichtet - ihre friedliche Koexistenz scheint durchaus sinnvoll.

Philipp Selldorf

Immer wieder heben die Leute von Bayer Leverkusen die glänzenden Beziehungen hervor, die sie mit dem 1. FC Nürnberg und dem SC Freiburg unterhalten. Gerade erst lobte Wolfgang Holzhäuser die "angenehme und konstruktive Atmosphäre", die bei den jüngsten Treffen mit Martin Bader herrschte, wobei es der Bayer-Chef sicherlich als besonders konstruktiv und angenehm empfand, dass ihm der Nürnberger Manager nun den Wunsch erfüllte, Philipp Wollscheid nach Leverkusen holen zu dürfen.

Wechselt zur nächsten Saison für kolportierte fünf Millionen Euro von Nürnberg nach Leverkusen: Innenverteidiger Philipp Wollscheid. (Foto: dapd)

Wie am Mittwoch vor dem Champions-League-Spiel bekannt wurde, wird der junge Abwehrspieler trotz seines bis 2014 gültigen Vertrages mit dem FCN vom kommenden Sommer an für Bayer spielen. Aus der Ferne könnte man den 22-jährigen Innenverteidiger für eine Neuausgabe von Per Mertesacker halten, die Daten gleichen sich verblüffend: Der eine ist 1,94 Meter groß, der andere 1,96; der eine wiegt 85 Kilo, der andere auch. Der eine soll mal Nationalspieler werden, der andere ist es.

Nürnberg erhält ein Schmerzensgeld von angeblich fünf Millionen Euro für einen Spieler, der eine Ausnahme unter den vielen Talenten der Bundesliga ist: Er hat keine Ausbildung im Internat eines Profiklubs genossen, sondern den Marsch durch die Instanzen geschafft. Nürnberg holte ihn 2009 vom 1. FC Saarbrücken aus der fünftklassigen Oberliga Südwest.

Es gibt Indizien, dass die zahlreichen übrigen Interessenten - Borussia Dortmund, auch der FC Bayern - aufgrund der angenehmen Beziehungen zwischen dem Club und Bayer keine guten Chancen hatten, Wollscheid zu verpflichten.

Er hat zwar im späten Frühjahr seinen Vertrag in Nürnberg verlängert, ohne Klauseln, wie es hieß; Leverkusen hatte sich aber bereits vorher intensiv mit ihm beschäftigt und Kontakt aufgenommen. Es ist nicht abwegig, an eine stille Abmachung zwischen den Beteiligten zu glauben. Das würde ins Bild der Leverkusener Transferstrategie passen, die mit Weitblick und als Vorsorgepolitik betrieben wird. Mit klaren Konturen: Neue Spieler sollen jung, entwicklungsfähig, nicht horrend teuer sein und aus hiesigen Beständen stammen.

Öfter kommen sie aus Nürnberg (Kießling, Wollscheid) und Freiburg (Schwaab, Toprak), aber auch mit 1860 München gab es gute Beziehungen (Lars Bender), ausbaufähig sind die Kontakte zum VfB Stuttgart (Bernd Leno). Einem noch besseren Verhältnis mit 1860 stand Borussia Dortmund im Weg, der BVB übernahm aus München Benders Bruder Sven sowie Moritz Leitner.

Die Benders haben sich Bayer und die Borussia sozusagen brüderlich geteilt, die beiden Klubs fischen in denselben Gewässern. Neulich kam raus, dass sich Dortmund das 17-Jährige Cottbuser Spitzentalent Leo Bittencourt gesichert haben soll, an dem natürlich auch Leverkusen interessiert war. Auf ein Wettbieten haben die Regierungen beider Klubs verzichtet. Sie wünschen eine friedliche Koexistenz - in der Champions League.

© SZ vom 24.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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