WM-Qualifikation: Diego Maradona:Keine Rettung durch D10S

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Der Dortmunder Stürmer Nelson Valdez schießt Paraguay zur WM in Südafrika - und Maradonas Argentinier noch tiefer in die Krise. Die "Gauchos" müssen um den Einzug in die Playoffs zittern.

Peter Burghardt

Das Spiel war aus, Argentinien und seine traurige Legende hatten schon wieder verloren, diesmal in Paraguay. Da begann das Duell mit den Berichterstattern, die vom Verlauf dieser WM-Qualifikation so entsetzt sind wie der Rest der Nation. Vor ihnen saß ein kleiner Mann mit Wuschelkopf, Brillanten in den Ohrläppchen und versteinertem Gesicht: Diego Armando Maradona. Der vielleicht beste und jedenfalls wankelmütigste Fußballspieler, den es je gab.

Maradona ist als Trainer vom Mythos zum Menschen geworden - Argentinien drohen auf dem Weg zur WM bestenfalls Playoff-Spiele. (Foto: Foto: AP)

Er ist in wenigen Monaten auch als Stratege vom Mythos zum Menschen geworden, und für einen Moment fragte sich das Publikum, ob er oder der Verband nun schon wieder genug haben würde von seiner Verwandlung zum Nationaltrainer. "Ich mache weiter, ich habe vor niemandem Angst", murmelte Maradona mit einer Stimme, die an ungesunde Zeiten erinnerte. "Soll mich kritisieren, wer will. Ich streite seit 15 Jahren mit euch", gemeint waren die Reporter: "Zu mir dringt die Kritik nicht durch."

Rote Karte für Verón

Der neueste Absturz des Heroen ereignete sich in Asunción, zu Deutsch Mariä Himmelfahrt. Im Stadion mit dem patriotischen Namen "Defensores del Chaco", Verteidiger des Chaco, benannt nach Paraguays auch gegen Argentinien verlorenen Kriegen um die heiße Region. Die Gastgeber gewannen durch ein Tor des Dortmunders Nelson Valdez 1:0 und feierten als zweite südamerikanische Mannschaft nach Brasilien ihre gebuchte Reise zur WM nach Südafrika. Es war ein wunderbarer Triumph über den früher so übermächtigen Nachbarn und eine besondere Schmach für den Gegner, denn obendrein wird Paraguay trainiert von einem vergleichsweise unbekannten Argentinier: Gerardo Martino, 46, zweimaliger Nationalspieler. Argentinien dagegen erlebt unter dem berühmten Maradona eine der unangenehmsten Serien, an die man sich in Weiß-Blau erinnern kann. Und läuft allen ernstes Gefahr, das Turnier 2010 zu verpassen.

Vier Niederlagen und 2:12 Tore aus den letzten fünf Qualifikationsspielen, in Bolivien (1:6) und Ecuador (0:2), am Samstag gegen Brasilien (1:3) und jetzt in Paraguay - Tabellenplatz fünf in der Südamerika-Gruppe mit 22 Punkten hinter Brasilien (4:2 gegen Chile), Paraguay, Chile und Ecuador (3:1 in Bolivien), bloß einen Punkt vor Uruguay (3:1 gegen Kolumbien) und Venezuela (3:1 gegen Peru). Nach aktuellem Stand reicht das gerade noch für zwei Entscheidungsspiele gegen den Vierten aus Nord- und Mittelamerika, derzeit Costa Rica.

Schon vor Maradonas Amtsantritt im Oktober hatte jeder geahnt, dass seine Ernennung den Argentiniern zwar erhebliche Aufmerksamkeit sichern würde, aber einigermaßen riskant ist. Der ungeübte Coach galt Miesmachern von Anfang als Experiment mit Tendenz zur Selbstzerstörung. Inzwischen droht der nationale Notstand. "Die Nacht, in der Argentinien sogar seine Geschichte verlor", jammert die Zeitung La Nación. Das Team hat keine Linie, kein Konzept. Wieder tauschte Maradona den Torwart, versuchen durfte sich Sergio Romero von AZ Alkmaar. Vor ihm aber blieb die Abwehr wacklig wie zuvor, und in Mittelfeld und Angriff kommt das Ensemble trotz prominenter Besetzung nicht in Schwung. Obendrein sah Juan Sebastián Verón, der Regisseur, Rot (53.).

Paraguays Trainer Martino wies darauf hin, seine Spieler seien "Profis, die stolz sind, ihr Trikot zu tragen". Seine Elf funktioniert auch ohne den noch maladen Roque Santa Cruz (einst FC Bayern, heute Manchester City). Argentinien dagegen wirkt lustlos und verkrampft, als Motivator ist Maradona nicht weit gekommen. Sergio Agüero wirbelt und trifft bei Atlético Madrid, Lionel Messi beim FC Barcelona, doch auch die zwei erlahmen diesseits des Atlantiks, ganz anders als zum Beispiel die europäischen Brasilianer. Den Scheiternden fehlen sichtbar ihre Nebenleute aus den Klubs, das allein aber kann es nicht sein.

WM ohne Messi und Maradona?

So könnte es tatsächlich passieren, dass die WM ohne Messi stattfindet, Maradonas Nachfolger mit der Nummer 10. Was auch Landsmann Martino fürchtet: "Ich wünsche von ganzem Herzen, dass sich Argentinien qualifiziert, und bin mir sicher, dass es Argentinien schafft", sagt er. "Aus Stolz und wegen allem, was Argentinien bedeutet, müssen wir das noch umdrehen", findet Kapitän Javier Mascherano. "Rettet uns nicht mal D10S?", fragt sich das Fachblatt Olé. Die Konstruktion soll Dios bedeuten, Gott, Diegos D am Anfang und seine 10 in der Mitte. Mit Erfolgen im Oktober gegen Peru und in Uruguay könnte das Schlimmste noch verhindert werden. "Noch sind wir nicht draußen", erinnert Maradona, der in besten Zeiten im Zweifel die Hand Gottes zu Hilfe nahm. Und auch beim letzten Entscheidungsmatch sei niemand gestorben. 1993 ging es über den Umweg Australien zur WM 1994 in die USA, Maradona war zuvor reaktiviert worden.

"Ich lasse den letzten Tropfen Blut für die Qualifikation", sagt er. Sein Körper hat bekanntlich schon gefährlichere Momente überstanden.

© SZ vom 11.09.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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