Fußball-WM 2022 in Katar:Infantino hat sich mit den Falschen angelegt

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Gast in Katar: Fifa-Präsident Gianni Infantino bei der Eröffnung des Al-Wakrah-Stadions in Doha. (Foto: Christopher Pike/Getty Images)
  • Es bleibt bei der WM mit 32 Teams: Fifa-Boss Infantino scheitert mit seinen Aufstockungsplänen für das Turnier 2022 in Katar.
  • Zuletzt suchte Infantino vergeblich einen Co-Gastgeber.
  • Das Emirat konnte genüsslich beobachten, wie Infantinos Politik im Sande verlief.

Von Thomas Kistner, München

Im März in Miami gab sich Gianni Infantino den Medien als "glücklicher Präsident" zu erkennen. Daumen rauf, ein Grinsen im Gesicht und die Arme breit auf die Hüften gestützt, gebärdete er sich als Siegertyp im Tagungshotel. Einer, der jeden Wunsch durchkriegt bei seinen Ratsherren im Weltverband Fifa: in Miami war das also eine reformierte Klub-WM - und vor allem das Okay seiner Vorstände für eine Aufstockung der Fußball-WM 2022 in Katar, von 32 auf 48 Teams.

Das mit der Klub-WM rückten nur Tage später die Europa-Union Uefa und die Klubvereinigung ECA wieder gerade: Was immer da kommt, frühestens im Jahr 2024 - es wird nicht die Handschrift Infantinos und seiner dubiosen Geldgeber tragen. Und nun ist auch das zweite präsidiale Herzensanliegen gescheitert: die WM-Aufblähung schon 2022 am Golf. Kein Mammut-Turnier im Wüstensand, und ganz sicher auch kein Friedensnobelpreis für Fußballfunktionäre, auf den das Verbrüderungsspektakel in dieser Krisenregion ja erkennbar gezielt hatte.

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Was dem Fifa-Boss und seiner Verwaltung nach monatelangem Getöse und endlosen Politrochaden nun so peinlich ist, dass die Fifa die Nachricht vom Scheitern in einen Pressetext packte, der diskret in der Mittwochnacht versendet wurde. Ohne ein Wort vom Chef.

Zu lesen ist: "Nach einem gründlichen und umfassenden Konsultationsprozess unter Einbeziehung aller wichtigen Interessengruppen wurde der Schluss gezogen, dass unter den derzeitigen Umständen ein solcher Vorschlag nicht umgesetzt werden kann." Ein bisschen geredet wurde tatsächlich über die Monate. Aber ein Beschluss aller Entscheidungsträger - kein Eigentor des Präsidenten? Die Mitteilung hat viele Leute am Genfer See überrascht, wo die Uefa residiert, die wichtigste "Interessensgruppe" des Weltfußballs mit den meisten WM-Startplätzen. Dort erinnert sich niemand an eine Einbindung in tiefschürfende Konsultationen zur WM-Aufblähung, die wurde hauptsächlich im Zuge zahlloser Reisen in die Golfregion betrieben. Vom Scheitern des präsidialen Katar-Projekts erfuhren auch die Europäer erst Mittwochnacht. Plötzlich ploppte ein Pressetext auf.

Nichts Neues in Zürich: Infantino bearbeitet zentrale Fifa-Themen im Alleingang, im Widerspruch zu allen Transparenz-Schwüren. Bis heute weiß, abseits seiner Getreuen und einer obskuren Investorengruppe, niemand, warum er die Fifa-Rechte im Zuge eines 25 Milliarden Dollar umfassenden Deals an Geschäftsleute aus der Golf-Region verhökern wollte. Aber auch das ist gescheitert. Und wie die Revirements in seinen Aufsichtsorganen oder den Justizskandal um seine Treffen mit dem Berner Bundesanwalt trieb Infantino auch die Katar-Sache dort voran, wo offenbar sein wahres Ambiente ist: hinter den Kulissen. Zu Katar teilt die Fifa mit: "Diese Option wird nicht weiter zu verfolgt."

Dabei hatte Infantino seinen Vorständen erst im März eine Machbarkeitsstudie präsentiert, die grünes Licht für die WM-Aufblähung gab - und dabei locker die Kernfeststellung aller früheren Studien torpedierte: Eine WM mit 48 Teams, hieß es in Infantinos Dossier, die verspreche sogar eine erhöhte spielerische Qualität. Dabei wird so ein Mega-Gekicke nicht nur auf viel internationale Zweitklassigkeit von Usbekistan bis Honduras ausgeweitet, es wird in stark manipulationsanfälligen Dreiergruppen ausgetragen. Im letzten der jeweils drei Gruppenspiele haben dann zwei Kontrahenten beste Chancen, ein Resultat herbeizuführen, das einem oder auch beiden hilft. Der Dritte schaut nur noch zu.

Das gescheiterte Katar-Projekt zeigt nicht nur, dass sich Infantino wieder mal verhoben hat: Er hat sich mit den Falschen angelegt. Katar kontrollierte diesen Prozess stets kühl, Doha besitzt ja einen gültigen WM-Vertrag für 32 Teams und hat die letzte Entscheidung über 2022 in der Hand. Zugleich missfällt im Emirat die enge Liaison, die Infantino mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman verbindet. Letzter soll angeblich auch am 25-Milliarden-Geschacher um die Fifa-Rechte beteiligt sein. Vor allem aber: Die Krisenlage am Golf hat ja Saudi-Arabien herbeigeführt, gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE); seit 2017 führen sie eine harte Boykott-Allianz gegen Katar an.

So gingen die anfänglichen Fifa-Bemühungen um die WM-Aufstockung mit der Idee einher, dass aus logistischen Gründen ja nur die Saudis oder die VAE als Co-Veranstalter in Frage kämen - den brauchte es, weil Katar, in der Größe Nordhessens, kein Turnier mit 48 Teams und 80 Spielen stemmen kann. Diese Option aber hatte Doha schnell kassiert, bald standen nur noch zwei neutrale Golfstaaten zur Debatte: Oman, das rasch verzichtete, und Kuwait. Aber Letzteres kam trotz Infantinos Golf-Visiten aus vielen Gründen nicht in Frage; Krisendebatten um die humanitäre Lage im Land belasten schon Katar.

So hat das Emirat eigentlich nur ein Jahr lang genüsslich beobachtet, wie Infantinos emsige Geheimpolitik am Golf im Sande verlief. Man kann es auch als ein kleines Rückspiel sehen für die Rolle, die der Fifa-Boss in einem anderen Streitfall in dieser Region spielt: Seit 2017 raubkopiert der saudische Piratensender "BeOutQ" die teuer erworbenen TV-Rechte des katarischen Senders BeIN Sports, und strahlt das Kaper-Gut in den Boykottländern aus. Während andere Verbände wie die Uefa längst Schritte eingeleitet haben, hält sich die Fifa sehr zurück. Nach SZ-Informationen soll Infantino auch hier eine Rolle gespielt haben, die in Doha nicht gut ankam.

Tatsächlich hat Katar die Absage am Donnerstag sehr begrüßt. Schon klar: Man hätte die WM gern geteilt, "wenn ein machbarer Weg" dafür gefunden worden wäre, teilte das Emirat mit. Was zeigt, dass in Doha schon im März herzlich gelacht wurde, als sich der "glückliche Präsident" Infantino für seine Machbarkeitsstudie bei der Ratssitzung in Florida hatte feiern lassen.

Ein Quantum Trost für den arg umwitterten Fifa-Patron hält immerhin der Deutsche Fußball-Bund bereit: Er hat Infantino zum DFB-Pokalfinale in Berlin eingeladen.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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