SZ: Herr Neuer, haben Sie auch an der Polonaise teilgenommen nach der Rückkehr aus Kapstadt ins Mannschaftshotel?
"Irgendwie wusste ich bald: Heute fällt kein Tor gegen uns", berichtet Manuel Neuer von seiner untrüglichen Vorahnung im Viertelfinale gegen Argentinien.
(Foto: afp)Manuel Neuer: An der Polonaise habe ich auch teilgenommen, klar.
SZ: Was war da los?
Neuer: Wir wurden hier von den Mitarbeitern mit vielen Tänzen und Liedern empfangen. Afrikaner singen ja sehr gern, am Anfang haben sie ihr Shosholoza gesungen...
SZ: Was ist das?
Neuer: Ein südafrikanisches Lied. Heißt übersetzt, soweit ich das wiedergeben kann: "Kommt mit auf den Zug nach Südafrika". Sehr einladend.
SZ: Dann die Polonaise: Jemand soll sogar eine Häkeldecke auf dem Kopf getragen haben...
Neuer: Kurzzeitig. Ich verrate aber nicht, wer es war. Die Freude war sehr groß, sie musste raus. Dann macht man auch Sachen, die man sonst nicht macht. Aber am nächsten Tag war dann wieder Training, wir haben hier ja noch was vor.
SZ: Das Halbfinale. Gegen Spanien - man kann nicht gerade von einem leichten Weg sprechen.
Neuer: Dass wir kein Losglück hatten, das wussten wir ja. Aber das kann uns ja auch stark machen. Wir haben schon mehrere schwierige Spiele gemeistert, das steigert unser Selbstbewusstsein und kann uns bei einem Spiel wie gegen Spanien nur helfen.
SZ: Das Bild, das die deutsche Mannschaft hier vermittelt, ist das einer perfekten Gemeinschaft. Dabei ist sie ja nicht über Jahre gewachsen, sondern eher neu sortiert worden. Wie hat sie dann so schnell zueinandergefunden?
Neuer: Unser Zusammenhalt hat uns über das Turnier hinweg geprägt, aber ich muss auch sagen: Für mich persönlich war der Sprung von der U 21- zur A-Mannschaft gar keine große Umstellung. Viele Spieler von damals sind jetzt hier, das Klima ist ungefähr gleich, die Mentalität auch - eine deutsche Mannschaft bleibt eine deutsche Mannschaft. Zum Deutschen ist halt noch ein bisschen Multikulti hinzugekommen.
SZ: Wirkt sich dieser Multikulti-Effekt aufs Zusammenleben aus? Es ist ja keine klassisch deutsche Mannschaft mehr wie 1974 oder 1990.
Neuer: Es trägt auch keiner mehr Schnurrbart...Für einige mag das vielleicht wirklich eine Umstellung sein, aber für mich nicht. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, wir sind ein tolerantes Volk. Ich bin mit Ausländern aufgewachsen und habe dadurch nie Probleme gehabt. Mesut (Özil) ist wie ich oder wie Hamit und Halil Altintop in Gelsenkirchen geboren. Man spielt gemeinsam im Verein, da gibt es keine Unterschiede.
SZ: Haben Sie auch schon in dem berühmten "Affenkäfig" gespielt, in dem Özil gekickt hat, als er noch ein Junge in Gelsenkirchen-Bulmke war?
Neuer: Klar kenne ich den. Aber in Bulmke war ich nicht zuhause, das ist ja Gelsenkirchen-Süd. Wir Bueraner leben im Norden, das ist so was wie das gehobene Viertel in Gelsenkirchen. Buer war ja auch mal eine eigene Stadt mit über 100.000 Einwohnern, aber dann hat sie sich mit Gelsenkirchen vereint.