Sie spricht eher wenig. Fast nichts, berichten Beobachter. Nika Prevc ist die Jüngste, und sie hat gelernt, dass viele andere eh schon viel reden. Sie hat noch drei Geschwister, ältere Brüder, die seit Jahren diesen Sport, das Skispringen, betreiben und ganz viel wissen. Warum da selber auch noch viel reden, Nika Prevc springt lieber.
Peter, Cene und Domen Prevc und auch die Eltern und die Trainer haben diese Skisprung-Gemeinschaft geformt, und über viele Jahre brachten sie Erfolge vom Weltcup und den Olympiareisen nach Hause. Insbesondere der Älteste, Peter Prevc, im Jahr 2016 Vierschanzentourneesieger, hatte den Nachnamen der Familie im Sport eingeführt und nebenbei auch früh dazu beigetragen, dass die meisten im Wintersport wissen, dass "Prevc" nicht "Preffts" ausgesprochen wird, sondern "Pre-uz".
Aber jetzt sind gerade nicht Peter oder Cene oder Domen angesagt, sondern die unscheinbare und reichlich jüngere, 18-jährige Schwester Nika. Vergangenes Wochenende war sie die Hauptdarstellerin eines Skisprungfestes, das vorwiegend von Nika Prevc geprägt war. In Ljubno in Slowenien, ihrer Heimat, hatte dieses kleine Sprungstadion eine extrem laute Kulisse. Ein paar Tausend Zuschauer sind läppisch für jeden, der nur die Tournee besucht, für ein Frauenspringen jedoch ist ein kleines, aber ausverkauftes Zuschauerhalbrund im Weltcup sehr selten. Dieses ausverkaufte Springen in Ljubno machte also Furore, obwohl die Männer gerade woanders flogen.
Zu Hause gab es immer Arbeit neben dem Skispringen: Holzhacken
Weil die Skispringer gerade bei der Skiflug-WM in Österreich zugange waren (also auch Peter, Cene und Domen), bekam das Fernsehpublikum zunächst kaum was mit vom Fest in Ljubno. Umso erstaunlicher steigerte sich die dreitägige Parallel-Euphorie in der slowenischen Provinz. Bald wussten es doch alle Skisprung-interessierten, dass da eine gewisse Nika Prevc ihre Klasse zeigte. Sie hatte zuvor gesagt: "Ich verspreche, dass die Zuschauer morgen nicht enttäuscht sein werden." Sie hat dann zwar nur eines der beiden Finals gewonnen, das andere ging an die Japanerin Yuki Ito, wobei die Dritte, Eva Pinkelnig (Österreich) ihre noch schärfere Verfolgerin ist. Jedoch - "Verfolgerin" ist relativ aus Sicht der Gejagten, wenn sie im Gesamtweltcup schon mit 174 Punkten führt. An diesem Wochenende wird sie in Willingen antreten, am Freitag in der Qualifikation.
Manche sagen schon, Prevc springe in einer anderen Klasse. Sie sei die perfekte Athletin. Fleißig, technisch versiert, lernfähig, sprungstark, immer fokussiert. Und dann diese weiten Flüge, die sie da hinlegt, wieder und wieder, als wäre dies künftig für sie auf jeder Schanze möglich. Ja, und fleißig ist sie auch noch, sonst hätte sie die eher durchschnittlichen Ergebnisse im Dezember nicht schnell abgehakt, und überhaupt, diese tiefe aggressive Anfahrtshocke, die alle Prevc-Geschwister zeigen, die sie zu noch ...... Haalt!
Was würde da ihr Vater sagen? Der Prevc-Vater und gewiss auch die Mutter würden nun nur noch den Kopf schütteln. Denn auch schon vor knapp zehn Jahren war Peter Prevc nach seinem ersten Weltcupsieg nach Hause gekommen, und als er sich allzu ausgiebig ausruhte, da schubste ihn der Vater recht deutlich in die Realität zurück, nämlich zum Holzhacken, wie slowenische Medien berichteten. Skispringen, schön und gut, aber die Arbeit gehe weiter, mahnte der Vater: Das Holz werde gebraucht für die Möbel, die die Prevc' verkaufen. Und als Peter, der Älteste, nach einer Weltcupreise sich beschwerte, es sei so kalt zu Hause, bekam er zu hören: "Du glaubst wohl, du bist noch im Hotel!"
Die Prevc-Hocke sieht unmöglich aus - aber sie funktioniert auch bei Nika bestens
Es ist nicht groß überliefert, aber man kann davon ausgehen, dass der Prevc-Vater zwar ein eher streng erziehender Mensch war, dass er sich aber immer mehr über die Passion aller seiner Kinder freute. Und vielleicht hat er auch begriffen, dass das Skispringen wie jeder Leistungssport auch eine dauerhafte Baustelle mit harter Arbeit darstellt.
Nika Prevc hat ihre Form jedenfalls erfolgreich zusammengeschraubt. Und ein Bestandteil, vielleicht sogar das gesamte Fundament, ist die Tatsache, dass sie wenig spricht. Bis heute nur das Nötigste. Gesprochen haben ja immer schon die anderen. So verpasst sie es zwar, sich mehr der Vermarktung zu präsentieren, andererseits - auf diese Weise bewältigt eine junge Skispringerin, die zwar volljährig, aber noch nicht erwachsen ist, ihren täglichen Plan mit der ganzen Anstrengung und den nötigen Ruhephasen.
Nika ist eine Prevc, also eine Hochleistungssportlerin vom Lande aus einer speziellen Familie, in der Holz gehackt und die Hocke geübt wird. So ein Detail, das kaum allgemein kommentiert wird, in der Phase zwischen Balken und Abflug. Dabei man könnte durchaus sagen, die eher anstrengende Fahrt in der Hocke entspricht dem Holzhacken beim Heizen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Die Hocke der Prevc-Geschwister ist jedenfalls eine besondere. Alle vier haben sich das antrainiert, nämlich sich tief nach unten zu setzen, fast auf die Stiefel. Nika wiederum geht dabei ähnlich vor wie ihr ältester Bruder Peter, wie Domen und auch wie der zurückgetretene Cene es tat: Sie hat sich familienintern abgeschaut, dass sie auch besonders gut in die Fluglage kommt, wenn sie sich in der Spur besonders stark nach vorne lehnt, bevor sie abspringt. Es sind seltsame, eigentlich unmögliche Stellungen, in denen die Prevc' zu ihren Erfolgen anlaufen. Gleichzeitig den Hintern nach unten drücken und die Schienbeine fest nach vorn schieben - was dann aussieht, als wären sie in einer Kiste gefesselt.
Der Absprung nach dieser Hocke muss unglaublich befreiend sein, wie nun auch die schweigsame Nika Prevc Woche für Woche vorführt.