Wimbledon:Denkmalschutz für die Großmeister

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Wieder im Viertelfinale von Wimbledon: Tennisprofi Roger Federer. (Foto: Getty Images)
  • Der Altersdurchschnitt im Wimbledon-Viertelfinale beträgt 31,25 Jahre. Erneut sind die Altmeister Rafael Nadal, Roger Federer und Novak Djokovic noch dabei.
  • Die drei Großen der Zunft sind weiter eine Klasse für sich. Seit 2004 haben sie bei Grand-Slam-Turnieren 52 von 62 Titeln unter sich aufgeteilt.
  • Die jüngeren Profis offenbaren dagegen teils Defizite.

Von Barbara Klimke, London

Um das Sprungverhalten von Filzbällen auf Rasenplätzen wissenschaftlich zu ergründen, gibt es drei erprobte Möglichkeiten. Erstens: Den Erfahrungsschatz des Obergärtners von Wimbledon, der auf die Widerstandsfähigkeit von Weidelgras, lolium perenne, verweist. Diese Rasensorte wird auf allen Tennisplätzen des All England Clubs ausgesät. Zweitens lohnt es sich, die Gutachten des Sport Turf Research Instituts in Yorkshire zu studieren, das eine 100-prozentige Grasmischung empfiehlt, um die Rutsch- und Trittfestigkeit zu steigern. Man kann allerdings auch Rafael Nadal befragen. Der hat alle Mutmaßungen, dass die Plätze langsamer geworden seien, gerade für groben Unfug erklärt. Nichts habe sich auf den Courts geändert, sagt er: "Und ich komme schließlich seit 2003 fast jedes Jahr her."

Rafael Nadal spielt zum 15. Mal bei diesem Turnier, zum siebten Mal hat er das Viertelfinale erreicht. Das Einzige, was all die Jahre für große Abwechslung sorgt, ist der Kontrahent, der auf der anderen Seite des Netzes Aufstellung nimmt. An diesem Mittwoch wird es der US-Amerikaner Sam Querrey sein, Halbfinalist vor zwei Jahren, also auch ein alter Bekannter. Erneut hat sich die Aussicht zerschlagen, dass ein jüngerer Profi die Veteranen fordern könnte: einer, der noch große Augen macht, wenn er morgens in Wimbledon die Gärtner auf dem Gras knien sieht, die vor dem ersten Aufschlag die Ebenheit des Graswuchses mit der Wasserwaage prüfen.

Für die acht Männer, die sich im Viertelfinale begegnen, halten sich die Wunder der Tenniswelt mittlerweile in Grenzen. Fünf davon sind über 30 Jahre alt. Auch die drei Jüngeren, der Belgier David Goffin, 28, der Japaner Kei Nishikori, 29, und der Argentinier Guido Pella, 29, sind keine Neulinge mehr. Der Altersdurchschnitt beträgt 31,25 Jahre, und erneut sind die Altmeister Nadal, 33, Roger Federer, 37, und Novak Djokovic, 32, noch im Geschäft.

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"Für uns ist das nur ein weiteres Match auf der großen Bühne"

Der achtmalige Wimbledonsieger Federer, der nun auf Nishikori trifft, hatte vor einigen Jahren angekündigt, dass er noch so lange spielen wolle, bis seine Zwillinge einen bleibenden Eindruck von seinem Umgang mit dem Racket erhielten. Inzwischen, so merkte die Times dieser Tage ironisch an, ist der Gedanke gar nicht mehr so abwegig, dass er irgendwann noch vor seinen Enkeln spielt. Das Achtelfinale gegen den Italiener Matteo Berrettini (6:1, 6:2, 6:2) jedenfalls diente kaum als Härtetest, der erste Satz war schon nach 17 Minuten vorbei. Dabei hat sich Berrettini kürzlich den Ruf eines Rasenspezialisten erworben, als er im Finale von Stuttgart gewann.

Noch immer aber sind die drei Großen der Zunft - Federer, Nadal und Djokovic - eine Klasse für sich. Seit 2004 haben sie bei Grand-Slam-Turnieren 52 von 62 Titeln unter sich aufgeteilt - ein in der Tennishistorie unerhörter Beutezug. Schwäche- und Verletzungsphasen hatte jeder von ihnen zu überstehen, aber mittlerweile wirkt das Trio auf dem Platz fast alterslos.

"Wir arbeiten genauso hart wie alle anderen", sagte Djokovic, der Weltranglistenerste, der Routine darin hat, seine massive Überlegenheit zu erklären. Es sei die Erfahrung, die ihnen in die Hände spiele, sobald sie auf dem Centre Court ständen: "Für uns ist das nur ein weiteres Match auf der großen Bühne." Oft seien es die mit der Situation unvertrauten Rivalen, die dem Druck nicht standhalten könnten.

Ähnlich sieht es Alexander Zverev, 22, ein Vertreter der im Tennis hochgelobten Jahrgänge, die als "Next Generation" vermarktet werden. Vereinzelt gelingt es ihnen, am Podest zu rütteln, auf dem das Trio thront, wie etwa bei den ATP-Finals im November, die Zverev gewann. Doch so leicht seien die Denkmäler nicht vom Sockel zu stürzen, sagte Zverev: "Es liegt an uns Jüngeren, da ein bisschen dran zu graben." Wie beim Griechen Stefanos Tsitsipas oder Felix Auger-Aliassime aus Kanada ist auch bei Zverev der Umsturzversuch in diesem Sommer erfolglos geblieben.

Womöglich liegt es nur an dem Ausnahmekönnen der drei Großmeister, vielleicht aber auch an den Defiziten, die die Jüngeren mitunter offenbaren. Der Australier Rod Laver, einer der erfolgreichsten Tennisspieler der Geschichte und mit 80 Jahren noch immer ein kritischer Beobachter des Turniergeschehens, war jedenfalls unbeeindruckt von Zverevs Rasenkünsten bei dessen früher Niederlage. Zu unvorbereitet sei dieser ständig ans Netz gelaufen, sagte Laver bei einem Empfang im Australia House in London, von dem der Daily Telegraph berichtete: "Ich dachte, was macht der da?" Mancher Jungprofi, so vermutete der strenge Laver, habe "den Wettkampf gar nicht richtig angenommen".

Dass Tennis ein Machtkampf mit Bällen ist, weiß kaum jemand besser als das Trio um Djokovic. "Ich glaube nicht, dass einer von uns nur aus Spaß Tennis spielt oder um die Tour zu bestreiten", sagte er nach seinem lockeren Dreisatzsieg gegen den Franzosen Ugo Humbert, 21. "Wir spielen hier, um der Beste der Welt zu sein." Wenn er am heutigen Mittwoch von dem Belgier David Goffin gefordert wird, ist er allerdings gewarnt. Denn erstens ist der Belgier, der erstmals das Viertelfinale von Wimbledon erreichte, der Jüngste der verbliebenen Mitstreiter.

Und außerdem hat er erst kürzlich Roger Federer im Finale von Halle einen großen Kampf auf Rasen geliefert. "Er ist einer der schnellsten Profis", lobte Djokovic, der regelmäßig mit Goffin trainiert: "Er hat den Stil fürs Rasenspiel." Und wer könnte das besser beurteilen als der Titelverteidiger? Djokovic rackert und rennt ebenfalls seit 15 Jahren über Wimbledons Weidelgras, lolium perenne.

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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