Wimbledon: Federer besiegt Haas:Aufreizende Leichtigkeit

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Wieder ein Federer-Rekord: Durch den Sieg gegen Tommy Haas erreicht der Schweizer zum siebten Mal in Serie das Wimbledon-Finale, diesmal gegen Andy Roddick.

René Hofmann

Rasen ist der einzige Untergrund, auf dem Tennis gespielt wird, der nicht aus toter Materie besteht. Rasen lebt. Und wie jedes Leben zeigt er Spuren dessen, was ihm zustößt. Nach der ersten Wimbledon-Woche ist der Rasen auf den 19 Plätzen, auf denen das Turnier ausgetragen wird, ziemlich abgetreten. Vor allem an der Grundlinie, wo die Spieler zum Aufschlag schreiten, sind dunkle Flecken zu sehen. Dort schaut die Erde durch.

Selbst solche Irritierungs-Versuche wie hier steckte Roger Federer problemlos weg. (Foto: Foto: Getty)

Ganz vorne, direkt am Netz, zeigt der Rasen dagegen noch sein saftiges Grün. Tommy Haas und Roger Federer rannten beide oft in den grünen Bereich, woran sich schon erkennen ließ, dass ihr Halbfinale dieser 123. All England Championships ein außergewöhnliches Match war. Serve und Volley - so oft ist das in den ersten zehn Tagen nicht gespielt worden. Roger Federer spielte es besser: Er gewann 7:6 (3), 7:5, 6:3.

Damit steht er zum siebten Mal in Serie im Finale des Turniers. Das ist ein Rekord. Im Endspiel trifft er an diesem Sonntag um 15 Uhr deutscher Zeit auf den US-Amerikaner Andy Roddick, der den Briten Andy Murray mit 6:4, 4:6, 7:6 (9:7), 7:6 (7:5) bezwang. Federer kann seinen 15. Grand-Slam-Titel gewinnen, womit er Pete Sampras übertreffen würde. Es ist also einige Historie mit im Spiel. "Das ist eine weitere großartige Gelegenheit für mich", sagte Federer, der seinen Halbfinal-Gegner lobte: "Tommy hat sehr gut gespielt."

Für Tommy Haas hätte ein Sieg auch eine Premiere gebracht: Im letzten Spiel eines der vier großen Turniere durfte er noch nie antreten. Warum es dabei bleibt, ist schnell erzählt: Er traf schlicht auf einen Gegner, der besser war. Federer gilt als der Beste, der je Tennis gespielt hat. Gegen Haas wurde er diesem Ruf gerecht. Im ersten Satz gab es keine Breakchance. Der Tiebreak musste die Entscheidung bringen.

Er brachte sie zu Federers Gunsten, weil Haas zwei Vorhand-Fehler unterliefen, die vermeidbar gewesen wären. Aber was heißt schon vermeidbar, wenn einem Roger Federer gegenübersteht. Der Schweizer setzt seine Schläge mit einer aufreizenden Leichtigkeit, die einen um den Verstand bringen kann. Wenn er einen guten Tag erwischt, muss sich jeder, der ihm gegenübersteht, minderbegabt vorkommen.

Haas spielte volles Risiko: In den ersten 60 Minuten setzte er seinen Aufschlag zehnmal gegen die Netzkante. Alles oder nichts - das war die Strategie. Und lange ging sie auf. Selbst im zweiten Satz, als Federer drei seiner Aufschlagspiele in je zwei Minuten jeweils mit vier ersten Aufschlägen zu null gewann, blieb Haas dran. Bei den French Open in Paris hatten die beiden ebenfalls gegeneinander gespielt. Dort hatte Haas einen Satz im Tiebreak an sich gerissen, in dem ihm Federer zuvor in seinem Aufschlagspiel nicht einen Punkt hatte gewinnen lassen. In Wimbledon kam es so nicht.

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Den dritten Breakball, der sich ihm im zweiten Satz bot, nutzte Federer, um den Durchgang für sich zu entscheiden. Gespielt waren da 90 Minuten, und die Partie war praktisch entschieden. Eine 2:0-Satzführung hat Federer schon lange nicht mehr verspielt. All seine sechs Wimbledon-Halbfinals zuvor hatte er ebenfalls in drei Sätzen gewonnen.

Selbst die Sonne half Haas jetzt nicht mehr. Die Sonne wärmt die Luft und trocknet den Platz. Beides lässt den Ball schneller fliegen und springen, was Haas hätte helfen können. Seine Aufschläge waren gegen Federer so eindrucksvoll, wie sie in den Runden zuvor gegen Alexander Peya, Michael Llodra, Marin Cilic, Igor Andrejew und Novak Djokovic gewesen waren. Der erste Schlag ist sein neuer bester Freund. Elf Asse glückten Haas in den zwei Stunden, in denen er sich mit Federer maß. Zumindest in der Statistik war der Seriensieger nicht besser. Auch Federer kam auf elf Asse.

Wenn der 27-Jährige führt, leistet er sich mitunter eine Tennislehrer-Attitüde: Warte, ich zeig' Dir mal, wie das geht, scheint er dem Gegner dann sagen zu wollen. Nur einmal, als er den ersten Satz gewonnen hatte, leistete er sich einen Emotionsausbruch. Haas auf der anderen Seite haderte dagegen immer öfter, je weiter das Match fortschritt.

Als im achten Spiel des dritten Satzes eine Linienwächterin bei einem seiner Aufschläge auch noch "Fußfehler!" rief, musste er den Eindruck bekommen, alle einflussreichen Kräfte auf und am Court hätten sich gegen ihn verschworen. Prompt glückte Federer in dem Spiel das Break zum 5:3.

Gegen Yen-Hsun Lu, Guillermo Garcia-Lopez, Philipp Kohlschreiber, Robin Söderling und Ivo Karlovic hatte Federer in diesem Jahr vor dem Halbfinale gewonnen. Alle Matches hatte er auf dem Centre Court bestreiten dürfen. Haas dagegen hatte sich über die Nebenplätze auf die große Bühne gekämpft. Nur einmal war er dort zuvor gestanden: 1998 bei seinem Sieg gegen Andre Agassi.

Den ersten Matchball verwandelte Roger Federer mit Stil. Nach einem mächtigen Aufschlag rannte er entschlossen nach vorne bis zum saftig grünen Rasen am Netz und drosch den gelben Ball mit einem Smash ins Feld. Es erinnerte an Pete Sampras, der in Wimbledon sieben Mal gewonnen hat.

© SZ vom 04.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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