Bremen und Schalke:Zwei Aufsteiger, zwei Wege

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Leonardo Bittencourt im Zweikampf gegen Alex Kral. Das Spiel zwischen den beiden Aufsteigern war eng - in der Tabelle trennen beide 15 Punkte. (Foto: Kokenge/Nordphoto/Imago)

Der SV Werder hat bereits 21 Punkte gesammelt, Schalke 04 steht am Ende der Tabelle. Während Bremens Strategie einem mittelfristigen Plan folgt, stecken die Gelsenkirchener in einer Zeitschleife fest.

Kommentar von Thomas Hürner, Bremen

Sobald der Begriff "Klartext" im Zusammenhang mit Fußball fällt, ist höchste Vorsicht geboten. Die Vorsicht ist berechtigt, denn seit ehemalige Fußballer in launigen Talkrunden sitzen und dort unter "Klartext" all das verpacken, was eher steile Thesen sind, ist diesem Begriff nicht mehr zu trauen. Dass Wortbeiträge aus dieser Kategorie weiterhin existieren, das bewiesen am Samstagabend aber zwei Fußballtrainer im Bremer Weserstadion.

Der eine war Thomas Reis, seit eineinhalb Wochen in Diensten des FC Schalke 04. "Diese Mannschaft kann in der Bundesliga bestehen", sagte Reis und schaute so ungläubig durch den Presseraum, als habe er vom erneuten Kinderglück der heiligen Mutter Maria erfahren. Der andere war Ole Werner, der seit elf Monaten ein beachtliches Husarenstück mit dem SV Werder aufführt. Man könne feststellen, erläuterte Werner, dass nach dem 2:1-Heimsieg ein Blick auf die Bremer Zwischenbilanz weder Furcht noch Schrecken auslösen müsse. Nein, das exakte Gegenteil sei der Fall: 21 Punkte nach 13 Partien seien "top" aus der Perspektive eines Aufsteigers, so der Bremer Coach, der aus Gründen der Bodenhaftung davon absah, eine Grundsatzanalyse über die aktuelle Tabellensituation anzustellen.

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Gerüchteweise haben die meisten Bremer Fans ohnehin längst mitbekommen, was der zurückhaltende Werner niemals aussprechen würde. Der SV Werder ist dem Europapokal aktuell deutlich näher als den Abstiegsrängen - und hat somit das Tabellenschlusslicht FC Schalke, mit dem man sich vor kurzem noch die Couch bei der Selbsthilfegruppe für gestürzte Traditionsmarken teilte, deutlich hinter sich gelassen.

Eineinhalb Jahre ist es nun her, seit Werder und Schalke unter ähnlichen Bedingungen zwangsversetzt wurden. Während der Pandemie waren beide Klubs in schwere finanzielle Nöte geraten, die durch den Abstieg existenzgefährdende Dimensionen annahmen, weil die Verantwortlichen ohne Geld eine neue und aufstiegsreife Mannschaft bauen mussten. Das Krisenmanagement unterschied sich aber in einem zentralen Punkt: Bei Werder wussten sie, wo sie mal hin wollen, weshalb der akute Wiederaufbau auch einem mittelfristigen Plan unterlag. Die Schalker beschlossen lediglich, dass man die zweite Liga schnellstmöglich verlassen müsse - mit aller Gewalt.

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Zur Wahrheit gehört zwar, dass auch eine Impfpassfälscher-Posse nötig war, um in Ole Werner genau den richtigen Trainer ans Weserufer zu spülen. Der Bremer Kader war zuvor aber schon so zusammengestellt worden, dass mit ihm jener mutige Offensivfußball möglich sein würde, den Werder nun auch in der ersten Liga zeigt. Die Schalker hingegen bekannten sich weder zu einer klubeigenen Spielidee noch zu den Prinzipien eines Trainers. Die meisten der nach dem Abstieg getroffenen Entscheidungen stellen sich somit als Nicht-Entscheidungen heraus, die Königsblau in einer Zeitschleife gefangen halten.

Im Klartext: Der SV Werder kann beruhigt in die Zukunft schauen, weil dort ein stabiles Fundament errichtet worden ist. Der FC Schalke muss sich womöglich bald einer Runderneuerung unterziehen, die er dieses Mal nutzen sollte.

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