2:6 gegen Leverkusen:Werders Sprung in die Eistonne

Lesezeit: 3 min

Viele Bremer, wenig Gegenwehr: Werder verlor 2:6 gegen Leverkusen. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Das 6:2 von Bayer Leverkusen gegen Bremen dürfte Trainer Heiko Herrlich den Job retten.
  • Die Leverkusener spielen endlich so, wie man es von diesem hochtalentierten Team erwarten kann.
  • Bremen macht Fehler - sehr viele Fehler.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Ein Jahr lang hatte die Mannschaft von Werder Bremen nun die Herzen ihrer Anhänger erwärmt, kein Spiel hatte sie im Weserstadion mehr verloren, seit Florian Kohfeldt, 36, den Job als Trainer übernommen hatte. Und so war das Spiel gegen Bayern Leverkusen an diesem vorwinterlichen Sonntagabend zu vergleichen mit einem beherzten Sprung in die Eistonne: 0:3 schon zur Pause, und das auch noch, weil zwei Bremer Jungs in ihrer alten Heimat ernst gemacht hatten, Karim Bellarabi und Julian Brandt.

Das Spektakel der zweiten Halbzeit, in der die Bremer sich noch einmal aufrafften, auch das 17. Heimspiel nacheinander nicht zu verlieren, zeigte zwar noch einmal das Potenzial der Bremer - letztlich aber stand unterm Strich doch die erste Heimniederlage seit Oktober 2017, ein fettes 2:6.

"Das ist bitter und tut weh. Das wird uns aber nicht umwerfen", sagte Kohfeldt, der die Niederlage vor allem auf eine Schwäche zurückführte: "Die Absicherung der Konter." Damit kam Bremen der Taktik des Leverkusener Coaches Heiko Herrlich entgegen: "Wir wollten gut verteidigen und sie auskontern.

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Das ist uns gelungen." Bellarabi und Brandt hatten jedenfalls keine Muße, in der Stadt ihrer Kindheit nostalgisch zu werden, in diesem wilden Spiel war dafür gar keine Zeit. Kaum eine Minute verging vom Anpfiff weg, in der nicht irgendetwas Krasses passierte, etwa in der 28. Minute, als Karim Bellarabi dreißig, vielleicht auch vierzig Meter allein aufs Bremer Tor zulief, um den Ball dann, sehr alleine, sehr weit vorbei zu schießen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings schon das 1:0 für Leverkusen vorbereitet gehabt für den Torschützen Kevin Volland (8. Minute).

Bereits von diesem Moment an erlaubten sich die Bremer eine solche Fahrlässigkeit in ihren Angriffen, wie man sie von Mannschaften normalerweise erst in der Nachspielzeit sieht, wenn es auch schon wurscht ist, wenn noch ein Gegentor fällt. Leverkusen könnte allein mit der ersten Halbzeit ein Lehrbuch für Konterfußball bebildern, auf den meisten Fotos wäre Karim Bellarabi zu sehen.

Leverkusens Außenstürmer ist in Berlin geboren und in Bremen aufgewachsen, viele Stunden hat er auf dem Schlackeplatz an der Carl-Hurtzig-Straße im Stadtteil Huchting verbracht, hoher Zaun drumherum, nur Jungs aus der Gegend da, die nicht die beste ist. Huchting ist ein Problem-Kiez, Sport ist eine Chance. "Man lernt, sich durchzusetzen", hat Bellarabi mal erzählt, das hat er getan. Sein Weg führte weg aus Bremen, bis in die deutsche Nationalmannschaft und an diesem Abend in seiner alten Heimat in die Torschützenliste: Nachdem er das 2:0 freundlicherweise ausgelassen hatte, schoss er halt das 3:0 kurz vor dem Pausenpfiff.

Zuvor hatte noch Julian Brandt getroffen, der einst als Bub beim SC Borgfeld und beim FC Oberneuland das Kicken lernte, das wiederum ist die bessere bis beste Lage in der Hansestadt. Nach der Pause trug sich noch Kai Havertz in die Leverkusener Torschützenliste dieses Tages ein; mit dem 4:2 beendete er einen sich zwischenzeitlich anbahnenden Bremer Aufholwahnsinn gerade rechtzeitig - und sehr, sehr nachhaltig. Werder zerfiel hernach in so kleine, frei umherschwirrende Einzelteile, dass dem Team jegliche Orientierung verloren ging: Die Leverkusener Treffer fünf und sechs erledigten die Bremer gleich selbst - es waren ein halbes und ein ganzes Eigentor.

Die Gründe für das Bremer Debakel, den Leverkusener Kantersieg, sind überwiegend auf der Seite der Gastgeber zu suchen. Der nach Erfolg hungernden Mannschaft war vor dem Anpfiff der finnische Abwehrchef Niklas Moisander abhanden gekommen und damit auch die Stabilität, die das Team bisher ausgezeichnet hatte. Kohfeldt schickte eine ähnliche Formation wie in der starken zweiten Halbzeit von Schalke auf den Platz, eine Dreierkette, allerdings angereichert um den Münchner Leihspieler Marco Friedl.

In dem Maß, wie Moisander sonst Ruhe in ein Spiel bringt, verursachte Friedl diesmal Chaos, auf seiner Seite profitierte davon vor allem Bellarabi. Zudem ließen die Bremer die Geduld vermissen, mit der sie in vielen anderen Spielen auf ihre Chancen gewartet hatten, sie rannten schon nach dem frühen Rückstand rücksichtslos an - rücksichtslos gegenüber der eigenen Defensive. Und: Auf der Bank saß kein einziger Verteidiger, mit dem Kohfeldt das früh aus den Fugen geratende Spiel wieder hätte sortieren können.

Heiko Herrlich wird also weiter Trainer in Leverkusen bleiben können, 6:2 ist dafür eine wirklich schöne Empfehlung. Das Bremer Publikum konnte sich wenigstens ein paar Minuten nach der Pause erwärmen, als Claudio Pizarro, 40, sein erstes Saisontor schoss und Yuya Osako nach einer guten Stunde mit dem Treffer zum 2:3 ein neues Werder-Wunder zu initiieren schien. Aber letztlich war es an diesem Abend eben so, dass die besseren Bremer Jungs für Leverkusen kickten.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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