Werder Bremen:Verlierer auf dem Transfermarkt

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Bald doch wieder zusammen: Werder-Trainer Florian Kohfeldt und Milot Rashica, dessen Wechselwünsche nicht aufgegangen sind. (Foto: Nordphoto/imago images)

Die Verkäufe von Milot Rashica und Davy Klaassen sollten Werders Bilanz aufhübschen. Aber nach gescheiterten Verhandlungen ist Rashica immer noch da - und für weitere Verstärkungen fehlte das Geld.

Von Thomas Hürner, Bremen

Ein bisschen Orientierung geben in Notsituationen, dafür haben sich Menschen mal diese Lebensweisheiten ausgedacht. Not macht erfinderisch, lautet eine; überzeugte Optimisten wollen aus ihren Nöten sogar eine Tugend machen, was natürlich einfacher klingt, als es letztlich ist. Und damit wäre man schon beim SV Werder Bremen, dessen Verantwortliche kein Geheimnis daraus machen, dass so ein Blick in die Finanzbücher schon mal deutlich mehr Vergnügen bereitet hat. Und von den sportlichen Nöten kann sich jeder selbst überzeugen, der an Wochenenden die Bremer Spiele anschaut.

Die praktische Anwendung dieser Lebensweisheiten findet üblicherweise während der Transferperiode statt, in der sowohl Löcher in der Bilanz als auch Lücken im Kader gefüllt werden können, natürlich immer mit dem Ziel, dass die finanziellen und fußballerischen Sorgen am Ende etwas geringer ausfallen werden.

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Am Montag, 18 Uhr, ist nun das sogenannte Transferfenster geschlossen worden, und es sagt viel über die Lage in Bremen, dass sich der Sportchef Baumann kurz darauf im Rahmen einer Pressekonferenz mit einer Prise Humor zu erklären versuchte; es klang fast nach Galgenhumor. Diesen Eindruck dürften zumindest all jene haben, die sich entweder als ständige Beobachter oder als treue Anhänger des SV Werder verstehen. "Grundsätzlich sind wir immer für Überraschungen gut", sagte Baumann also, "und die Überraschung dieses Mal ist, dass wir keinen Spieler mehr verpflichtet haben." Es wird sich zeigen, ob das nicht auch noch ein paar böse Überraschungen nach sich ziehen wird.

Keine Zugänge ohne Weggänge, das ist die Prämisse, unter der in Bremen gearbeitet werden muss, nicht erst seit dieser leidigen Pandemie. Ein bisschen hat diese Leitlinie sogar zur Corporate Identity des Klubs gehört: Der einst große SV Werder kompensiert seine klammen Kassen jetzt halt mit besonders viel Einfallsreichtum, so die eigene Erzählung, und mit etwas Glück springt vielleicht sogar mal eine Teilnahme am Europapokal raus. Bodenständigkeit zahlt sich aus, glaubte man in Bremen, wenigstens perspektivisch. Und sympathisch war's ja auch.

Aber Weggänge ohne Zugänge? Das darf nach einer Saison, die beinahe mit dem Sturz in die Zweitklassigkeit geendet wäre, mindestens als wagemutig gelten.

Seit Montag steht fest, dass Mittelfeldmotor Davy Klaassen zu seiner Jugendliebe Ajax Amsterdam zurückkehren wird, für angeblich elf Millionen Euro. Inklusive branchenüblicher Bonuszahlungen könnte die Ablöse noch auf 14 Millionen ansteigen, heißt es. Eigentlich kein so schlechtes Geschäft, in etwa so viel hatte Werder vor zwei Jahren für den Niederländer gezahlt, und wer hatte nach diesen aufreibenden Monaten ernsthaft mit einer Wertsteigerung gerechnet? Das ist die eine Seite.

Die andere: Klaassen, 27, war der einzige überdurchschnittliche Fußballer in einem ansonsten eher durchschnittlichen Mittelfeld, Klaassen war das unermüdliche Metronom in einem lahmenden Maschinenraum, der Organisator eigentlich aller Bremer Pressinglinien. Nicht fehlerfrei, nicht immer mit den spielerischen Impulsen, die man sich bei seiner Verpflichtung erhofft hatte. Aber im Grunde unverzichtbar für eine Mannschaft, über die sogar ihr Trainer Florian Kohfeldt sinngemäß sagt, dass sie nur über aufopferungsvollen Kampf und strukturelle Solidität in der Bundesliga Spiele gewinnen kann.

Am letzten Transfertag war noch über eine Leihe von Marko Grujic spekuliert worden, der nach zwei überzeugenden Spielzeiten bei Hertha BSC wieder im Kader des FC Liverpool steht. "In keinster Weise möglich" sei diese Verpflichtung allerdings gewesen, wie Sportchef Baumann erklärte, auch die Klaassen-Millionen reichten "überhaupt nicht, um die Auswirkungen der Pandemie abzudecken". Stattdessen wurde in Johannes Eggestein noch ein Ergänzungsspieler im Angriff abgegeben, durch dessen Leihe zum Linzer AK wird zumindest etwas Gehalt eingespart. Summa summarum, so Baumann, habe Werder nun einen Sommer erlebt, "in dem wir so viel ausgegeben wie eingenommen haben". Denn die Kaufoptionen für Mittelfeldmann Leonardo Bittencourt und Verteidiger Ömer Toprak mussten bezahlt werden. Für Spieler also, die eh schon da waren.

Und dann wäre da ja noch die Personalie Milot Rashica, der vielleicht talentierteste Fußballer im Bremer Kader, dessen geplanter Verkauf die Bilanz eigentlich merklich hätte aufhübschen sollen. Etwa 20 Millionen Euro Ablöse hatte man sich bei Werder vorgestellt, in normalen Zeiten kein unsittliches Preisschild. Interessenten hat es durchaus gegeben, lange galt ein Wechsel zu RB Leipzig als wahrscheinlich, dann war viel von Aston Villa aus England die Rede. Am Ende aber ergebnislos. Ab Montagmittag habe es dann "harte Verhandlungen" mit Bayer Leverkusen gegeben, erzählte Baumann, aber "am Ende reichte die Zeit nicht aus, um eine Lösung zu finden".

Leverkusen wollte den Spieler ausleihen, über die anschließende Kaufoption konnten sich die Klubs aber nicht einigen. Rashica bleibt also erst einmal in Bremen, der Kosovare hat jetzt sogar eine Woche frei bekommen. "Um auf andere Gedanken zu kommen", sagte Baumann, "und dann den Fokus wieder voll auf Werder legen zu können." Wenigstens bis zum Winter, wenn die nächste Transperiode startet.

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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