Douglas Costa beim FC Bayern:Immer schön auf die Linie achten

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Extrovertierter Jubler: Bald nach dieser Einlage im Frühjahr 2017 verließ Douglas Costa den FC Bayern zum ersten Mal. (Foto: imago)

Die Rückkehr von Douglas Costa löst gleich mehrere Probleme: Die Bayern haben die heiligen Ribéry-und-Robben-Positionen doppelt besetzt - und wähnen sich nun hierarchisch betriebssicher.

Von Christof Kneer, München

Wahrscheinlich müssen sich die Scouts des FC Bayern diesen Vorwurf gefallen lassen: Beim Versuch, die offensiven Außenbahnen zu verstärken, haben sie womöglich nicht ganz sauber gearbeitet. Auf jeden Fall sind ihnen zwei interessante Nischen entgangen. In Florenz und in Groningen hätten sie zwei wirklich aufregende Flügelspieler entdecken können, zwei, von denen man sich hätte vorstellen können, dass sie gut zum FC Bayern passen.

In Florenz spielt Franck Ribéry, in Groningen spielt Arjen Robben.

Das ist ja wirklich ein bisschen kurios: Dass die beiden Klubheiligen, deren mögliches Karriereende immer wie eine Drohung wirkte, jetzt immer noch spielen, mit 37 und 36 Jahren. Noch immer reißt der eine - Ribéry - links draußen ein Dribbling an und schlägt sich dann hakenschlagend durch die gegnerischen Linien; noch immer versucht der andere - Robben - rechts draußen den Ball anzunehmen, nach innen zu ziehen und zu schießen. Ribéry und Robben können's immer noch nicht lassen. Am liebsten würden sie immer noch bei Bayern spielen, aber es war ja nicht zu übersehen: Dass die Bayern jetzt auch ohne sie das Triple gewinnen können.

In diesem Sommer achten selbst die Reichen & Schönen auf ihr Geld

Auch an den äußersten Rändern des Spielfeldes lässt sich erkennen, wie verblüffend schnell sich der FC Bayern von zwei großen Spielern emanzipiert hat. Natürlich hat das auch mit dem Trainer zu tun, mit Hansi Flick, unter dessen Führung sich ein Spielstil etabliert hat, der die Nachfolger von Ribéry & Robben in den bestmöglichen Zusammenhang bringt. Unter Flicks Vorgänger Niko Kovac mussten Serge Gnabry und Kingsley Coman noch ihren eigenen Ballverlusten hinterherhetzen, los los, hieß es dann, alle schnell zurück hinter den Ball. Flick hat diese kraftraubende Jagd abgeschafft, er hat ein Gegenpressing-System in Auftrag gegeben, in dem das Kollektiv die Ballverluste auffangen soll. Auf diese Weise hat vor allem Gnabry einige Hierarchiestufen übersprungen, er ist kein wilder Flügelabenteurer mehr, sondern bereits Mitglied jener Führungsebene, die sich um Joshua Kimmich schart und für Konstanz und Ernsthaftigkeit steht.

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Das Erbe von Ribéry und Robben anzutreten, ist ein prima Sache, zumal die Erblasser noch quicklebendig sind (außer, manchmal, Robbens Muskelfasern). Ribéry und Robben haben München etwas Wertvolles vermacht: die Gewissheit, wie wichtig Flügelspiel heute ist, auch beim FC Bayern, der sich jahrzehntelang über das Spiel durch die Mitte definiert hat. Und der letzte Tag der Transferperiode hat nun gezeigt, dass der Klub unter Flick künftig beides betonen will, Flügel und Mitte - und dass beides eng zusammenhängt.

Es war ja Flicks erklärter Wunsch, seinem Kader noch einen vierten hochwertigen Flügelspieler hinzufügen zu dürfen, neben Gnabry, Coman und dem auch noch recht neuen Leroy Sané. Eine Weile sah es so aus, als könnte der Altersschnitt auf den ohnehin recht jugendlich besetzten Flanken weiter sinken, der Engländer Callum Hudson-Odoi, 19, galt als Lieblingskandidat. Am Ende wurde es ein alter Bekannter: Der Brasilianer Douglas Costa, 30, der zwischen 2015 und 2017 schon mal die Münchner Linien empor flitzte, wurde für eine Saison von Juventus Turin ausgeliehen, ein exemplarisches Geschäft in diesem Transfer-Spätsommer, in dem selbst die Reichen & Schönen auf ihr Geld achten.

Dass Douglas Costa ein erheblicher Könner ist, ist unstrittig. Strittig ist eher, ob er auch ein verlässlicher Leistungsträger ist oder doch nur ein Abenteurer; einer, der den Ball zwischen die Füße klemmt und ihn im Sprung von hinten über sich und den Gegenspieler schleudert. So hat er das in seiner ersten Bayern-Zeit mal gemacht, der damalige Leverkusener Julian Brandt war sein Opfer, die Leute haben getobt vor Begeisterung. Blöd bloß: Das Kunststück hat zu nichts geführt, Douglas Costa hat den Ball wieder verloren und sich später einen Tadel von Arjen Robben eingefangen. So was mache man nicht, meinte Robben, das sei respektlos gegenüber dem Gegner.

Es spricht aber für Bayerns Kader, dass Costa nicht mal ein konstanter Faktor sein müsste, um seine leihweise Anschaffung zu rechtfertigen. Im Transfer-Endspurt haben die Münchner ja ein interessantes Transferpaket aufgelegt, ganz unabhängig von den Einzel-Qualitäten der verpflichteten Profis Marc Roca, Bouna Sarr, Eric Maxim Choupo-Moting und Douglas Costa. Allein ihre Anwesenheit macht den Kader nicht nur breiter, sondern auch ausgewogener - und hierarchisch betriebssicher.

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Der erste Effekt von Costas Verpflichtung ist natürlich, dass Flick nun auch die Seitenstreifen doppelt besetzt hat: Er hat jetzt vier Artisten für zwei Planstellen. Das dürfte nach dem Abschied des geschätzten Ivan Perisic auch dringend nötig sein, zumal Sané und Coman immer wieder durch ihre empfindliche Physis aufgefallen sind.

Der zweite Effekt aber ist der interessantere: Die Stärkung der Ränder stärkt am Ende auch die Zentrale. Weil Flick nun genügend Flügelstürmer hat, muss er Thomas Müller auch im Notfall nicht mehr nach außen schicken - so wie er auch Joshua Kimmich im Notfall nicht mehr nach rechts hinten schicken muss, weil er neben Benjamin Pavard endlich auch über einen zweiten Rechtsverteidiger verfügt (Sarr). So kann Flick künftig noch konstanter auf seine zentrale Machtachse Neuer-Alaba-Kimmich-Müller-Lewandowski setzen. Die Achse garantiert ihm Wettbewerbshärte und jene Mentalität, die sein Team in dieser anstrengenden Saison brauchen wird.

Diese Achse soll auch dafür sorgen, dass die Artisten am Flügel das schon merken werden: ob sie mal kurz einen Rückwärtssalto machen dürfen oder vielleicht doch lieber nicht.

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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