Werder Bremen: Marko Arnautovic:Problembär mit Potential

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Marko Arnautovic ist bei Werder Bremen Sturmhoffung und Sorgenkind zugleich. Dabei ist der junge Österreicher keineswegs der Grund für die schlechte Saison, sondern ein Symptom.

Christof Kneer

Manchmal sehen Trainer es ganz gerne, wenn ihre Spieler sich über den Schiedsrichter aufregen. Das könnte ja bedeuten, dass sie mit dem Herzen bei der Sache sind. Grundsätzlich war es also kein schlechtes Zeichen, dass Marko Arnautovic im Juli den Schiedsrichter beschimpfte. Das Problem war allerdings, dass es sich um einen Übungskick im Trainingslager handelte. Und dass der Schiedsrichter Thomas Schaaf hieß.

Kann gucken wie Cristiano Ronaldo, spielt aber nicht immer so: Marko Arnautovic (Foto: Bongarts/Getty Images)

So schnell wie Arnautovic, 21, hat schon lange kein neuer Spieler mehr die Erwartungen erfüllt. Als verhaltensauffälliges, schwer erziehbares Talent war er angekündigt worden im Sommer, und es brauchte nur diesen Übungskick, um Werders Scouting-Abteilung zu bestätigen. Verhaltensauffällig: ja, siehe unter Schaaf. Schwer erziehbar: ja, weil er die Liegestützen boykottierte, die Schaaf ihm aufbrummte. Und Talent: natürlich, das auch. Er hat ein paar Bewegungen gemacht, die sonst keiner draufhat bei Werder, und ein Tor hat er auch geschossen.

An diesem Dienstag bestreitet Arnautovic mit Bremen ein Abschiedsspiel. Es gilt, nicht nur der Champions League Lebewohl zu sagen, sondern dem Europapokal. Vierter ist der SV Werder in seiner Vorrundengruppe, Dritter kann er nicht mehr werden. Als Dritter hätte Werder noch in der Europa League weiterspielen dürfen, in der Champions League des kleinen Mannes.

So aber könnte die Partie zur umfassenden Erniedrigung geraten. Inter Mailand hat angekündigt, eine B-Elf zu schicken, um Asse wie Lúcio, Maicon oder Milito für die Klub-WM in Abu Dhabi zu schonen, stattdessen sollen ein paar Reservebegabungen auf sich aufmerksam machen dürfen. Hätte diese Partie vor einem Jahr stattgefunden, wäre bei Inter Mailand wohl die Reservebegabung Marko Arnautovic aufgelaufen.

Jetzt ist es nicht mal sicher, ob er für Bremen auflaufen darf. Marko Arnautovic, der im Juli aus Mailand kam, ist begabter als der Sturmrivale Almeida, aber er ist eben Marko Arnautovic - "ein Spieler, bei dem man wie früher bei Mario Basler nie hundertprozentig sicher sein kann, ob er im entscheidenden Moment vernünftig ist", wie Andreas Herzog sagt. Er muss das wissen. Er hat mit Basler zusammengespielt, und er war Arnautovics Trainer in Österreichs U21.

Wer die schlechteste Bremer Champions-League-Bilanz der vergangenen sechs Jahre analysiert, kommt an Arnautovic nicht vorbei. Es ist nicht so, dass diese Bilanz die Schuld des schrillen Neo-Baslers wäre, er traf immerhin im Vorrundenspiel bei Twente Enschede, jenem Klub, dem er gehörte und der ihn an Inter Mailand verlieh, von wo es ihn nach nur 70 Minuten in der Serie A nach Bremen verschlug. Arnautovic ist nicht Ursache, sondern Symptom der Bremer Krise.

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Zuletzt hieß es ja, der Perlentaucher Allofs habe seinen Instinkt verloren, weil er statt echten Juwelen nur noch unechte Perlen ans Tageslicht befördere. Eigentlich stimmt der Vorwurf nicht: Klaus Allofs hat sich im Sechs-Millionen-Einkauf Arnautovic ebenso wenig getäuscht wie zuvor im Acht-Millionen-Einkauf Carlos Alberto, den die Bremer entnervt nach Brasilien zurückschickten. In beiden Fällen war sich Allofs des Basler-Verdachts bewusst. Aber er musste es riskieren.

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Unter Allofs' Leitung war Werder zu gut geworden, besser jedenfalls, als der Markt es erlaubte. Um die Elf auf diesem Niveau zu halten, hätte Allofs Spieler gebraucht, die niemals nach Bremen gehen, sondern nach London oder Madrid. Also verlegte er sich auf Problembären mit Potential, in der Hoffnung, dass die Ruhe am Standort Bremen eher das Potential befördert, weniger den Problembären. "Dass in Bremen plötzlich Unruhe herrscht, ist Markos Hauptproblem", sagt Andi Herzog, der selbst acht Jahre die Bremer Ruhe genoss. "Einer funktionierenden Elf kann Marko das Außergewöhnliche hinzugeben. Aber für eine Elf, in der jeder mit sich selbst beschäftigt ist, ist er ein gefundenes Fressen." Er meint: ein praktischer Sündenbock.

Es gab vor kurzem diese Zeitlupe im Fernsehen, man konnte sehen, wie es Freistoß für Werder gibt, wie Arnautovic zum Ball läuft und wie er einen Kommentar von Torsten Frings kassiert, den man als harmoniebegabter Lippenleser mit "Lieber Marko, wärst Du so freundlich, mich den Freistoß ausführen zu lassen?" übersetzen könnte.

In Wirklichkeit war der Kommentar etwas knapper. Er bestand aus zwei, drei hingeschleuderten Worten, Arnautovic trollte sich kopfschüttelnd. Er ist in ein Team geraten, in dem der Führungsspieler Frings inzwischen zum Führungsnöler geworden ist.

Noch ist völlig offen, wie das Experiment Arnautovic endet. Herzog hält ihn "für viel besser als alle Bremer Offensivspieler, Claudio Pizarro ausgenommen", aber er weiß auch, dass Arnautovic es seinen Kritikern viel zu leicht macht. Einmal hat er Klaus Allofs beschimpft, obwohl der nicht mal Schiedsrichter im Trainingsspiel war. Und er hat sich eine gockelige Spielweise angewöhnt, die auch Wohlmeinende nerven kann.

Werder kann nicht mehr weiterkommen im Europapokal, aber jeder Sieg ist wichtig. Die Stimmung im Team muss besser werden. Nur dann hat Bremen eine Chance, das wahre Potential des Problembären zu sehen.

© SZ vom 07.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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