Vielleicht hat es dem Geist dieses Klubs entsprochen, dass dann doch nicht alles perfekt gelaufen ist. Bei Werder Bremen verstehen sie sich ja als höchstens mittelgroß, der eigene Daseinszweck besteht darin, den Privilegierten ein gelegentliches Ärgernis zu sein; und trotz des ausgeprägten Klassenbewusstseins möchte man einen möglichst vollendeten Fußball entwickeln, von dem auch andere schwärmen. Dieser Fußball kann mitunter sogar perfekt aussehen - aber die Realität, das wissen die Bremer, ist halt, wie sie ist.
So gesehen hat es zu diesem Standort auch ein wenig gepasst, dass sie am Samstag 1:2 gegen den 1. FC Heidenheim verloren. Natürlich hätten sich das die Beteiligten ganz anders gewünscht, denn der Rahmen des Spiels war feierlich und auf der Gästeliste standen einige Namen, die auch weit außerhalb der kleinen Hansestadt bewundert und umschwärmt wurden: Der gloriose Spielmacher Diego, der Meistercoach Thomas Schaaf, der spitzbübische Claudio Pizarro und natürlich Ailton - all die alten Helden waren gekommen, um dem SV Werder zum 125-jährigen Bestehen zu gratulieren; genauso wie die 41 000 Fans, die das Weserstadion die gesamte Spieldauer mit einer künstlerisch anspruchsvollen Choreographie umrahmten.
Der SV Werder war sich also gewissermaßen treu geblieben. Bei einem Sieg gegen die Heidenheimer wäre das achte Spiel hintereinander ungeschlagen absolviert worden und die Europapokalplätze wären auf einmal beängstigend nah herangerückt. Nicht, dass es solche Serien und viel größere Erfolge in der Geschichte des SV Werder nicht schon gegeben hätte - aber die Bremer, vor zwei Jahren noch Zweitligist, wissen, wo sie herkommen und dass Entwicklung niemals linear verläuft. "Wir haben Fehler gemacht, die wir die letzten Wochen nicht gemacht haben", sagte der Kapitän Marco Friedl, der - wie alle anderen - vehement bestritt, dass diese Fehler von den tagesspezifischen Sentimentalitäten provoziert wurden.
Werders Serie ist gerissen - aber der Optimismus ist geblieben
Weil die Geschichte bei so einem Traditionsklub traditionell ins Geschehen eingreift, hatte sie sich auch diesmal einige Pointen überlegt: Die Heidenheimer Führung durch Lennard Maloney (12. Minute) bereitete Jan-Niklas Beste per Eckball vor, ein ligaweit berüchtigter Standardästhet mit Vergangenheit bei Werder. Das zweite Tor erzielte Beste selbst (18.) - vorausgegangen waren ein Doppelpass und ein Schuss des Tempoangreifers Erin Dinkci, der aktuell von Werder nach Heidenheim verliehen ist.
Und dass sich kurz darauf der nur 1,68 Meter große Mittelfeldmann Romano Schmid in ungeahnte Höhen schraubte und per Kopf traf (19.), ließ sich nicht nur als nette Metapher auf die Geschichte des SV Werder lesen - dank des flüchtigen Hoffnungsschimmers hätten es die Bremer beinahe noch zum Ausgleich gebracht. Chancen waren da, doch der Gästeelf gelang es, ihren Vorsprung "mit Glück und Geschick" zu verteidigen, sagte der Heidenheimer Trainer Frank Schmidt. Natürlich hat auch er dem SV Werder gratuliert.
Die Heidenheimer, das wusste auch Schmidt, konnten ohnehin von Glück sagen, dass die Bremer nicht alles aufgefahren haben, was am Samstag möglich gewesen wäre. Der Brasilianer Diego blieb artig draußen und schaute interessiert dabei zu, wie in der Halbzeit zwei Fans seinen legendären 60-Meter-Kunstschuss gegen Aachen imitieren durften - ohne Erfolg, wie sich zeigte. Hartnäckigen Gerüchten zufolge hat sich Diego in einem Bremer Barbershop sogar extra die Haare schneiden lassen, nach dem Spiel stieg ja noch eine große Geburtstagsparty.
Es waren viele da, die Werder groß machten und dann mitunter zu groß für Werder wurden: Samtfüße wie Diego oder Pizarro, Leuchttürme wie Naldo oder Per Mertesacker; der aus Dortmund angereiste Niclas Füllkrug hatte sich einen karierten Smoking übergestreift und war bestimmt nicht der hässlichste Vogel auf der Fete. Ole Werner, der aktuelle Coach, unterhielt sich angeregt mit Managerlegende Willi Lemke und meinte hinterher: "Man lernt nie aus." Ein wahrer Satz, der auf Werder wohl etwas mehr zutrifft als auf andere Vereine.