Abstiegskampf:Viele Menschen werden mit Werder leiden

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Werder-Torwart Jiri Pavlenka (links) brauchte Trost. (Foto: AFP)

Ausgerechnet in einer Geisterspielsaison droht Bremen der Abstieg - einem Klub, der so sehr von seinen Fans lebt. Das hat etwas Zynisches und etwas Symptomatisches.

Kommentar von Sebastian Fischer

Christoph Baumgartner hatte das natürlich nicht vor, aber dem 20 Jahre alten Mittelfeldspieler von der TSG Hoffenheim gelang am Samstagabend durchaus so etwas wie eine ironische Zustandsbeschreibung der Bundesliga im Jahr 2020. "Wir haben noch ein richtig cooles Fernduell mit dem VfL Wolfsburg um Platz sechs vor der Brust", sagte er, und der junge Österreicher meinte das natürlich vollkommen ernst, aus seiner Perspektive vollkommen zurecht. Man darf allerdings bezweifeln, dass ein cooles Fernduell zwischen Wolfsburg und Hoffenheim außer ihm noch viele andere Fußballinteressierte in Deutschland in Atem halten wird.

Wenn am kommenden Samstag mit dem 34. Spieltag, dem neunten ohne Zuschauer im Stadion, eine deshalb historische Bundesligasaison endet, dann wird zum achten Mal in Serie die Schale an den FC Bayern vergeben - und es gibt nur noch zwei spannende Fernduelle. Borussia Mönchengladbach streitet sich mit Bayer Leverkusen um Platz vier und die Qualifikation für die Champions League, es geht dabei um viele Millionen Euro. Richtig dramatisch wird es dagegen nur an zwei Standorten: Im Fernduell zwischen Düsseldorf und Bremen um den Relegationsplatz 16. Es hat etwas Zynisches, dass es der SV Werder ist, der nach neun Geisterspielen als der große Verlierer dazustehen droht. Dass also viele Menschen vor dem Fernseher mit einem Verein leiden werden, der in den vergangenen Jahren davon lebte, dass sich die Menschen im Weserstadion laut und gemeinsam gegen das Verlieren wehrten.

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"Wir müssen uns selbst helfen", ganz ohne Fans, hat Bremens Sportchef Frank Baumann am Samstag gesagt, nach dem 1:3 in Mainz, der 19. Niederlage in dieser Saison. Wenn man den niedergeschlagenen Trainer Florian Kohfeldt im Interview hörte, muss man bezweifeln, dass das klappt. "Es ging um alles, das wussten wir", sagte er. "Wir haben's wieder nicht geschafft".

Der im vergangenen Sommer abgewanderte Kruse fehlt Werder

Es gibt jetzt viele Versuche, das sportliche Scheitern der in Teilen für die Liga überdurchschnittlich besetzten Bremer Mannschaft zu erklären. Dass der Kader eher zum Spielen um Europapokalplätze statt zum Kämpfen gegen den Abstieg zusammengestellt wurde, wäre vielleicht eine. Doch man kommt auch nicht umhin, die finanziellen Möglichkeiten zu thematisieren, die in Bremen schlichtweg andere sind als zum Beispiel in Wolfsburg oder Hoffenheim.

An diesem Wochenende, wie passend, tauchte Max Kruse wieder in den Sport-Meldungen auf: Der frühere Nationalspieler kündigte bei Fenerbahce Istanbul nach eigener, vom Klub widersprochener Aussage wegen seit Monaten ausstehender Gehaltszahlungen. Im vergangenen Sommer hatte er unter anderem wegen der Aussicht auf üppige Gehaltszahlungen Bremen in Richtung Türkei verlassen, Werder hatte keine Chance, mitzubieten. Jetzt ist es der elfmalige Torschütze Kruse, der dem Offensivspiel Werders ganz offensichtlich fehlt. Der mit sieben Treffern beste Torschützen der laufenden Saison, Milot Rashica, schaute in Mainz als Ersatzspieler zu. Statt ihm wurde unter anderem der 41 Jahre alte Claudio Pizarro eingewechselt.

Vielleicht ist es auch irgendwie passend, dass der Abstieg der beliebten Bremer in einer Phase droht, in der über Veränderungen im deutschen Fußball nachgedacht wird, die nicht zuletzt von Werder oft gefordert wurden, mehr Umverteilung der Fernsehgelder zum Beispiel. Bremen war mal ein Garant für coole Fernduelle am letzten Spieltag, sogar mit dem FC Bayern. Ohne Veränderungen, das verdeutlicht die missliche Bremer Lage, finden die Duelle auf Augenhöhe in der Spitze der Bundesliga wohl weiterhin eher zwischen Wolfsburg und Hoffenheim statt.

© SZ vom 21.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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