Weltmeister Deutschland:Auf Jahre hinaus schlagbar

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Im Zweier-Jubelknäuel: Bastian Schweinsteiger (links) und Joachim Löw. (Foto: AP)

Als die Wende kam, irrte Franz Beckenbauer schon einmal mit kuriosen Worten über die Perspektiven der Nationalelf. Nach dem Titelgewinn 2014 halst er dem Bundestrainer erneut eine Bürde auf. Für eine "deutsche Ära" ist es eindeutig zu früh.

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Uffff, derjenige, den mancher nur als "den Kaiser" kennt, hat wieder gesprochen. Und auch 24 Jahre danach hat dieser Herr Kaiser das besondere Talent, demjenigen, über dessen Zukunft er urteilt, ein Joch aufzuerlegen. 1990 in Rom, nach dem dritten WM-Gewinn, sprach Franz "Kaiser" Beckenbauer diesen tausendmal zitierten Satz: "Auf Jahre hinaus wird unsere Nationalmannschaft unschlagbar sein."

Er selbst war in jener Nacht fein raus, er trat zurück und hatte seine Goldmedaille in der Anzugtasche. Sein damaliger Assistent und Nachfolger aber, Berti Vogts, trug bleischwer an diesem Vermächtnis. Schon bald verlor Vogts 0:1 in Wales; und 1994 bei der WM-Titelverteidigung im Viertelfinale gegen Bulgarien.

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Und jetzt das: Er könne sich vorstellen, verbreitete Beckenbauer via Bild, "dass wir eine deutsche Ära im Weltfußball erleben, so wie es eine spanische gab". Erst wenige Stunden sind verstrichen, seit Schweinsteigers Wunde geflickt ist, seit Kramers Brummschädel sich beruhigt hat und Götze klar zu werden scheint, was er angerichtet hat in Rio mit diesem Schrägschuss in Minute 113. Schon biegt der ewige Franz ums Eck: Jungs! Schön! Aber da geht doch noch was, da ist gewaltig Luft nach oben. Wo bleib da die Anstandsfrist, Herr Kaiser?

Löw hat nicht verraten, ob er das mit der Ära jetzt versuchen will, und ob ihn so eine Ära überhaupt interessiert. Er hat zwar einen Vertrag bis 2016, aber von dem würde er entbunden, würde er darauf drängen. DFB-Präsident Niersbach ist sich zwar "absolut sicher", dass Löw bleibt, aber Verständnis für das Zögern sollte Fußballdeutschland schon haben. Löw darf sich ruhig ein bisschen zieren, ein bisschen bitten lassen, nachdem seiner Pädagogik lange misstraut wurde.

Zweifel, die ausgeräumt sind. Von einem Team, aus dem wohl nur Senior Klose, 36, aufhört. Was bleibt, ist diese Gruppe Hochbegabter, die nicht mehr gar so pflegeleicht sein wird, da das höchste Ziel hinter ihr liegt. Verständlich auch, wenn Löw jetzt erst einmal runterkommen, erst einmal in Ruhe den geliebten Espresso trinken will. Und wenn er dabei an Berti Vogts denkt, der erleben musste, dass auch die beste Elf für immer schlagbar bleiben wird. Das ist das Problem mit so einer Ära: Sie kann gelingen, wie die Spanier bewiesen haben, aber sie nimmt irre viel Energie in Anspruch. Und deshalb hat die Ära jetzt mal kurz, aber verdient für ein paar Tage Pause.

© SZ vom 16.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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