Ob Kevin De Bruyne schon mal im BadeLand Wolfsburg war? Lohnen würde es sich: Das BadeLand ist nicht irgendein Schwimmbad, sondern "Norddeutschlands größtes Freizeit- und Erlebnisbad". So wie die Autostadt Wolfsburg übrigens nicht irgendein Kfz-Museum ist, sondern, wie man in Wolfsburg betont, "die zweitwichtigste Besucherdestination Deutschlands". Das Wissenschaftsmuseum Phaeno, ein Betonkasten am Wolfsburger Hauptbahnhof, wurde mal unter die zwölf bedeutendsten modernen Bauwerke der Welt gewählt, zusammen mit dem Empire State Building. Und unbedingt sollte De Bruyne, ehe er der Stadt den Rücken kehrt, noch dem Kunstmuseum Wolfsburg einen Besuch abstatten. Das Kunstmuseum ist eine Art MoMA in klein, bloß - anders als beim Original in New York - ohne Warteschlange vor der Tür.
Das, was der Volkswagen-Konzern gerade mit seinem wichtigsten Fußballer erlebt, erlebt er auf anderer Ebene jeden Tag: bei Automobilmanagern, Ingenieuren, Programmierern. Es ist eine stete Herausforderung, die meistumworbenen Köpfe der Branche nach Wolfsburg zu holen beziehungsweise sie in Wolfsburg zu halten. Wolfsburg? Für alle, die noch nie da waren, ist das doch bloß eine kleine, an eine Autofabrik angeschlossene Retortenstadt zwischen Berlin und Hannover, durch die schon mal der ICE durchrauscht, weil der Lokführer zu spät mit dem Bremsen begonnen hat.
VW gibt Millionen dafür aus, um im niedersächsischen Niemandsland ein Umfeld zu schaffen, das Arbeitnehmer und ihre Familien getrost als "Lebensqualität" bezeichnen dürfen. Spaßbäder, Erlebniswelten, Kulturfestivals. Im Fall des Belgiers Kevin De Bruyne dürfte das aber nichts nützen.
Entweder der umworbene Mittelfeldspieler, Deutschlands aktueller "Fußballer des Jahres", verlässt Stadt und Klub schon in den kommenden Tagen - oder eben ein bisschen später. Gehen wird er in jedem Fall.
VW mag in der Lage sein, ein Museum von Weltrang zu initiieren und eine Fußballelf bis in die Champions League zu heben. Aber am Ende bleibt Wolfsburg halt Wolfsburg. Die Aufregung, die um De Bruyne seit Monaten herrscht, verdeutlicht deshalb vor allem eines: die natürlichen Grenzen des Standorts.
Und die Aufregung ist gewaltig: Am Montagabend sollte De Bruyne auf einer Preisverleihung das lustige Sätzchen des Moderators nachplappern ("Ich, Kevin De Bruyne, werde auf jeden Fall diese Saison beim VfL Wolfsburg spielen"), und weil er sich auf den Spaß einließ, war der Klub-Manager Klaus Allofs am nächsten Tag wieder damit beschäftigt, dieses angebliche Treuebekenntnis zu relativieren. Allofs weiß ja, worauf er sich eingelassen hat bei der VW-Tochter VfL Wolfsburg: Für Fußballer wie De Bruyne besteht die Wolfsburger Lebensqualität darin, dass sie dort die größtmögliche Bühne bekommen, um sich für die richtigen Fußballklubs warmzuspielen.