Volleyball:Ausrufezeichen in der Kälte

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Vielversprechender Ballverteiler: Der US-Amerikaner James Walker Shaw, Herrschings neuer Zuspieler, überzeugte gegen Düren nicht nur mit seiner Körperlänge von 2,04 Metern. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Herrschings Volleyballer haben im ersten Saisonspiel nur anfangs Probleme mit Düren - und untermauern ihren Anspruch, erstmals im Playoff-Halbfinale zu landen. Ihr Problem: die fehlende Resonanz im Münchner Audi Dome. Das könnte sich aber bald ändern.

Von Sebastian Winter

Thomas Ranner atmete kurz durch, er nahm einen Schluck aus der Wasserflasche, so ziemlich alles an ihm verriet: Puh, gut, dass wir es geschafft haben. Der 35-Jährige durfte am Samstagabend in einem ammerseeblauen Anzug seinen ersten Erfolg im ersten Pflichtspiel als neuer Trainer der WWK Volleys Herrsching abhaken - und es war ein süßer Sieg nach schwierigem Start gegen einen stark eingeschätzten Konkurrenten.

Die Powervolleys Düren hatten den ersten Satz klar mit 25:17 gewonnen, sie gehören ja ohnehin seit Jahren zu jenen Mannschaften, die sich direkt hinter den üblichen Titelkandidaten Berlin und Friedrichshafen eingenistet haben. Doch nach den wackeligen ersten Minuten erholten sich die anfangs nervösen Herrschinger im Audi Dome, ihrer neuen Standard-Spielstätte, und schlugen Düren souverän 3:1 (17:25, 25:17, 25:20, 25:20). "Das war geil, wir waren im ersten Satz aber viel zurückhaltender, als wir es hätten sein müssen. Gut, dass wir den Switch so schnell geschafft haben", meinte Ranner.

Die Herrschinger müssen immerhin sieben neue Spieler in ihre Mannschaft integrieren, darunter die beiden früheren Unterhachinger Lenny Graven und Jonas Sagstetter (deren einstiger Klub am Sonntag 0:3 gegen Meister Berlin verlor). Beide spielten ordentlich, und ihre Entscheidung, aus der Münchner Vorstadt an den Ammersee zu wechseln, dürften sie ohnehin nicht bereuen. Herrsching soll der nächste Schritt sein in ihrer Profikarriere, besonders Graven, 18, der in diesem Sommer bereits in der Männer-Nationalmannschaft spielte, wird eine große Zukunft prognostiziert.

Aber auch drei Zugänge aus dem Ausland zeigten bei diesem ersten Auftritt, dass sich der Klub offenbar exzellent verstärkt hat in diesem Sommer: Zuspieler James Walker Shaw überzeugte gegen Düren nicht nur mit seiner Körperlänge von 2,04 Metern, mit der er schon mal den inoffiziellen Titel als größter Steller der gesamten Liga gewonnen hat. Er wurde auch MVP des Spiels, weil er die Bälle klug und aus einer beeindruckenden Höhe heraus auf seine Mitspieler verteilte - und nebenbei noch selbst ab und an punktete. Als Ruhepol in kniffligen Situationen erwies sich der 28-jährige US-Amerikaner außerdem. "Shaw ist ein genialer Typ, für mich einer der Leader im Team", sagte Trainer Ranner nach der Partie.

Im Angriff überzeugte der Niederländer Stijn van Tilburg größtenteils, der vom Ligakonkurrenten Giesen nach Herrsching kam und dort vom Außenangreifer zum Diagonalmann umgepolt wird. Vor allem freute sich Ranner aber über die starke Leistung des estnischen Außenangreifers Albert Hurt, der auch in Block und Aufschlag sieben Punkte machte - wie im dritten Satz, als Hurt bei einer 22:20-Führung für Herrsching lässig zwei Asse schlug und noch einen Aufschlag hinterher, der Dürens Annahme direkt wieder übers Netz rutschte, wo Sagstetter den Satzball dann mit Urgewalt auf den Boden schmetterte. "Es war eine große Teamleistung", sagte Herrschings Trainer.

"Oh, wie ist das schön", singen sie alle danach - allerdings nur mit 900 Zuschauern

Spätestens im vierten Satz, als Dürens Trainer seinen entnervten Hauptangreifer Sebastian Gevert auswechselte, war klar, dass die Nordrhein-Westfalen nichts ernten würden in München. Herrschings Mittelblocker Dorde Ilic verwandelte gleich den ersten Matchball, "oh, wie ist das schön", sangen sie alle danach. Und natürlich war es an Shaw, dem MVP, nun das Humba-Lied anzustimmen, was ihm ziemlich gut gelang. Nur an das zugegeben schwere Wort "Ausrufezeichen" muss er sich noch gewöhnen.

Herrsching hat große Pläne in dieser Saison, der Klub peilt mal wieder das Playoff-Halbfinale an, er möchte sich außerdem in München etablieren. Letzteres dürfte fast noch schwieriger werden, 900 Zuschauer besuchten am Samstag das erste Saisonspiel im kühlen Audi Dome, eine eher ernüchternde Zahl. Und bald schon steht die erste Partie im Europapokal an, in dem Herrsching erstmals antritt. Im CEV-Cup treffen sie bereits am 19. Oktober auf Zagreb oder Amriswil aus der Schweiz. Auch Trainer Ranner hofft dann auf mehr Publikum, damit die Volleys vom Ammersee auch in München wahrgenommen werden: "Wir haben heute dafür Werbung gemacht, dass die Leute sagen, sie nehmen nächstes Mal noch ein oder zwei Kumpels mit. Das wird ein Volleyballfest."

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