Volleyball-Finale:Besser als die Gegner und sie selbst

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Schwer überwindbar: Friedrichhafens Vicentin sucht eine Lücke zwischen den Berlinern Ruben Schott, Anton Brehme und Marek Sotola (von links) (Foto: Reuhl/Fotostand/Imago)

Berlins Volleyballer entscheiden die deutsche Final-Serie gegen Friedrichshafen in einem umkämpften letzten Spiel mit 3:0 für sich. Nach Titeln ziehen sie mit dem Rekordmeister gleich.

Von Katrin Freiburghaus, Berlin

Johannes Tille war nach dem dritten Erfolg im dritten Finalspiel gegen den VfB Friedrichshafen der erste Berliner Spieler, dem am späten Samstagabend die goldene Medaille um den Hals baumelte. Für ihn besiegelte sie nicht nur seine erste deutsche Meisterschaft und eine perfekte Best-of-five-Serie, in der er in jeder Partie wertvollster Spieler war, sondern eine spektakuläre Saison. Der bayerische Zuspieler der Berlin Recycling Volleys, der im Sommer aus der zweiten französischen Liga (als Back-up mit Zukunft hinter Angel Trinidad) in die Hauptstadt gewechselt war, wurde gleich nach dem Spiel zur neuen Nummer eins mit Dreijahresvertrag befördert und von Berlins Geschäftsführer Kaweh Niroomand als "riesiger Gewinn für den deutschen Volleyball und die BR Volleys" geadelt.

Der Gelobte wirkte nach dem 3:1 (25:18, 25:18, 16:25, 27:25) im dritten Finalspiel, das den Berlinern den 13. Meistertitel der Vereinsgeschichte einbrachte, in erster Linie erschöpft. "Ein bisschen durch bin ich", gestand er. Der Erfolg seines Teams war der mit Abstand am härtesten umkämpfte der Finalserie. Dabei schien die Meisterschaft bereits entschieden zu sein, nachdem Berlin den VfB im zweiten Duell am Bodensee in historischer Kürze mit 75:45 Punkten zerlegt hatte und die ersten beiden Sätze der dritten Begegnung vor über 8500 Zuschauern in Berlin ähnlich verlaufen waren. Dann aber demonstrierten die Volleys anschaulich, wer sie auf nationaler Ebene als Einziger gefährden kann: sie selbst.

Supercup, Pokal und den siebten Meistertitel nacheinander - was muss man da noch verbessern?

Plötzlich verloren sie den Faden und fand diesen erst im letzten Durchgang wieder, als Friedrichshafens Mittelblocker Andre Brown ein Wortgefecht anzettelte und vom Feld gestellt wurde. "Ich war froh, dass er es uns damit ein bisschen geschenkt hat", sagte Tille. Niroomand beklagte hingegen - inmitten der laufenden Feierlichkeiten - den Spannungsabfall, "der in so einer Serie irgendwann immer kommt, aber dass er so krass ist?" Dann fiel ihm offenbar wieder ein, dass die Party um ihn herum seinem Klub galt und fügte relativierend hinzu, "dass wir eben eine junge Mannschaft haben; wir können nur über Druck gewinnen, und sobald wir nachlassen, kippt es". Zum anderen verliert das Team nach fünf Jahren seinen Erfolgscoach, der aus privaten Gründen geht. Unter Cedric Enard hatte es vier Meistertitel geholt und die pandemiebedingt abgebrochene Saison als Tabellenführer beendet.

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Niroomand klang trotzdem ein bisschen so, wie man es zum Saisonabschluss von mäßig zufriedenen Verantwortlichen kennt, die Besserung geloben. Bliebe im Fall der Berliner die Frage, wo eine Verbesserung dieses "jungen Teams" denn hinführen sollte. Nach einem harten personellen Umbruch, der im Sommer auch zum Weggang von Top-Zuspieler Sergej Grankin führte, verlor die Mannschaft in der Bundesliga schon in dieser Saison kein Spiel vor heimischer Kulisse, holte den Supercup, den DVV-Pokal und den siebten Meistertitel in Serie . In der Champions League war im Viertelfinale gegen Klubweltmeister Perugia Schluss.

Die Etat-Differenz zu den Italienern schätzt Niroomand auf vier bis sechs Millionen Euro, weshalb es auch künftig keine Option sei, sich auf die Champions League zu konzentrieren. "Viel mehr als dieses Jahr können wir dort nicht erreichen", sagte er. Somit bleibt der nationale Wettbewerb. Für den könne er "natürlich keine Mannschaft bauen, die sich rückwärts entwickelt", sagte er. Doch in seiner Stimme war nichts mehr vom Ärger über das Alleinunterhalterdasein an der Tabellenspitze zu hören, mit dem der 70-Jährige vor ein paar Jahren noch Gerüchte angeheizt hatte, Berlin könnte sich womöglich in die deutlich stärkere polnische Liga absetzen.

Die Liga braucht mehr Spannung - in Giesen, Lüneburg und Düren sind Fortschritte erkennbar

Dabei bietet die Volleyball-Bundesliga unverändert Anlass zur Sorge. Lediglich acht Teams nahmen am regulären Wettbewerb teil - genauso viele, wie es Playoff-Plätze gibt. Ein geregelter Auf- und Abstieg existiert längst nicht mehr, die Liga ist froh über jeden, der es finanziell schafft und bleibt. Bühl, Frankfurt, Rottenburg und die Alpenvolleys strichen in den vergangenen Jahren die Segel, aktuell wackelt der Standort Königs Wusterhausen. Die Liga hat deshalb den Aufstieg erleichtert und holt im Sommer gleich vier Mannschaften nach oben.

Ausgestattet mit einer Nichtabstiegsgarantie sollen sie die Staffel auffüllen und Spannung in den Tabellenkeller bringen, wo zuletzt meist ein oder zwei kaum konkurrenzfähige Teams Dauergast waren. Neben dem Mehraufstieg stimmt Niroomand die Entwicklung der verbliebenen Konkurrenten optimistisch. Rekordmeister Friedrichshafen, mit dem Berlin nach Meistertiteln gleichgezogen hat, ist zumindest nicht mehr das einzige Team, das den Volleys die Stirn bietet. Die strukturellen Fortschritte in Giesen, Lüneburg und Düren wertet Niroomand als "positive Erscheinungen". Tatsächlich ist das Niveau der oberen fünf bis sechs Klubs in der Liga vielversprechend ausgeglichen. An diesen Vereinen sei es künftig, "die Liga weiterzuentwickeln - dann können wir die zweite Hälfte mitziehen".

Zunächst zogen die Berliner aber erst einmal gemeinsam feiernd durch die Nacht. Man darf davon ausgehen, dass Tille seine Erschöpfung ablegte. Immerhin hatte sich der 26-Jährige vor der Partie gewünscht, die Mannschaft möge die Meisterschaft bitte im dritten Spiel klar machen, "damit wir anschließend mit der Schale in meinen Geburtstag reinfeiern können".

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