Krise des VfL:Wolfsburg jammert übers Jammern

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Wolfsburgs Trainer Florian Kohfeldt ist noch gar nicht lange im Amt, doch er spürt schon, wie schwer seine Aufgabe derzeit ist. (Foto: David Inderlied/dpa)

Trainer Kohfeldt ringt nach Worten, Stürmer Weghorst beklagt, dass sich nichts richtig anfühle - in Wolfsburg hinterlässt der aktuelle Negativlauf deutliche Spuren.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Florian Kohfeldt hat selbst mitgezählt. Jedes einzelne Mal, wenn er das magische Verb benutzt hat. "Wir dürfen jetzt nicht jammern", hatte er zunächst in eine TV-Kamera gesprochen. "Wichtig ist, dass wir nicht jammern", wiederholte er später in der Pressekonferenz, um kurz darauf zu variieren: "Wir dürfen gar nicht erst anfangen zu klagen."

Aber die Nachfragen nach der Acht-Niederlagen-Serie des VfL Wolfsburg wurden nicht weniger, und egal, was der Trainer auch gefragt wurde, er beendete fast jede seiner Erklärungen mit einem neuerlichen expliziten Jammer-Verbot. Einmal stammelte er: "Mich ärgert ein bisschen dieses ..., dieses ..., ich will ..., wir dürfen nicht jammern. Punkt." Irgendwann wurden ihm seine Wiederholung ein bisschen unangenehm, da sagte er wirsch: "Zum fünften Mal: Wir dürfen nicht jammern." Und schloss etwas später mit den Worten: "Wir werden kämpfen, ich gehe voran und werde nicht jammern."

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Der VfL Wolfsburg verliert auch in Bochum - es ist die achte Niederlage in Serie. Der Druck auf Coach Florian Kohfeldt wächst damit weiter.

Von Ulrich Hartmann

Wenn man ein Wort ganz oft sagt, dann verliert es manchmal vorübergehend seine Bedeutung. Dann besteht es nur noch aus Lauten. Im Duden erklärt sich das Jammern so: "Laut klagen, unter Seufzen und Stöhnen jemandem seine Schmerzen, seinen Kummer zeigen." Jener Wolfsburger, der sich nach der 0:1-Niederlage beim VfL Bochum am ehesten Duden-like gezeigt hat, war der niederländische Mittelstürmer Wout Weghorst.

Weghorst beklagt große Frustration beim VfL Wolfsburg

Nach jeder Frage schien er mit den Augen in alle Richtungen nach Antworten zu suchen, drehte und wendete den Kopf, rieb sich die Nase, atmete schwer, seufzte leise, verzichtete allerdings auf lautes Wehklagen und sagte dann: "Vor dem Spiel war das Gefühl gut, aber im Spiel dann keine Sekunde." Auf die Frage, warum er vorne kaum Bälle bekommen habe, antwortete Weghorst: "Ich weiß es nicht, ich habe das nicht so oft, das ist sehr frustrierend." Man müsse nun "echt unbedingt schnell etwas ändern".

Dabei ist es ja gerade mal zweieinhalb Monate her, dass man beim VfL Wolfsburg echt unbedingt schnell etwas hatte ändern müssen. Nach acht sieglosen Pflichtspielen (mit fünf Niederlagen) hintereinander wurde Ende Oktober der Trainer Mark van Bommel entlassen. Unter seinem Nachfolger Kohfeldt gewann die Mannschaft die nächsten drei Pflichtspiele und glich in Bielefeld einen 0:2-Rückstand gerade noch zum Remis aus.

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Dies war das bislang letzte Erfolgserlebnis. Seither: acht Pflichtspielniederlagen. Und das Ernüchterndste: In der kurzen Winterpause hatte Kohfeldt seiner Mannschaft "etwas Neues" injizieren wollen, eine "fußballerische Identität". Doch davon war in Bochum wenig zu sehen. "Von der Grundstruktur her", behauptete Kohfeldt, "haben wir einen deutlich geordneteren Auftritt hingelegt." Auch habe man "defensiv ein paar Dinge gut umgesetzt".

Im Spiel nach vorne, bei der Torannäherung und der Chancen-Kreation, waren die Wolfsburger Bemühungen aber umso harmloser. "Vorne ist uns in der letzten Reihe das Tempo abgegangen." Der Stürmer Weghorst verhungerte, wie man im Fußballjargon sagt. Kohfeldt weiß aber, woran das liegt: "Esprit, Momentum und Selbstsicherheit waren noch nicht da - aber das können wir uns auch nur im Spiel erarbeiten."

Am kommenden Samstag ergibt sich im heimischen Stadion die nächste und tatsächlich ganz gute Gelegenheit, alles besser zu machen, weil der Gegner Hertha BSC sich auch schwertut. Das Problem ist allerdings, dass eine neuerliche Pflichtspiel-Pleite (die dann neunte nacheinander) gegen den um einen Platz besseren Tabellennachbarn aus Berlin besonders schmerzhaft wäre. Während der VfL am Montag schon den ersten Zugang für die kommende Saison bekannt gab, den 19 Jahre alten polnischen Flügelspieler Jakub Kaminski, sieht es in der Gegenwart trist aus. Für Wolfsburg, nach vier Spieltagen noch verlustpunktfreier Tabellenführer, rückt die Abstiegszone immer näher.

Immer tiefer in der Negativspirale verklingen des Trainers aufrüttelnde Worte. Ungefähr so taub war am Sonntag die Atmosphäre im zuschauerfreien Bochumer Stadion. Kohfeldt will jetzt so weitermachen, nicht einknicken. "Ich bin absolut überzeugt davon, dass die Trainingsarbeit der letzten Tage gefruchtet hat", behauptete er am Sonntagabend ungeachtet der vorangegangenen Niederlage, die seine These in Zweifel gezogen hatte. "Aber wer jetzt jammert, der wird aus dieser Situation nie rauskommen", sagte Kohfeldt streng.

"Ich bin voller Optimismus, dass wir das nächste Woche gegen Hertha schaffen." Um seinen Job macht sich der vergangene Saison mit Werder Bremen in die zweite Liga abgestiegene Kohfeldt nach eigener Aussage noch keine Sorgen. "Ich bin mir absolut sicher, dass ich gegen Hertha auf der Bank sitze - und genauso sicher, dass wir aus dieser Situation wieder herauskommen." Wie? Na, nicht jammern! "So eine Situation kannst du nur bewältigen, wenn du dich immer wieder aktiv wehrst und es nicht einfach über dich ergehen lässt."

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