Stuttgart in der Relegation:Willig kann sich selbst gratulieren

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Gemeinsamer Jubel: Stuttgarts Daniel Didavi freut sich mit Teamkollege Christian Gentner (rechts) nach dem 3:0. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty)
  • Mit einem 3:0 gegen Wolfsburg hat sich der VfB Stuttgart einen Spieltag vor Saisonende den Relegationsplatz gesichert.
  • Schon seit dem 16. Spieltag verharrt der VfB dort - und hat es seit Dezember nicht geschafft, Distanz zwischen sich und die Abstiegsränge zu bringen.
  • Am 23. und 27. Mai spielt der VfB nun um den Verbleib in der ersten Bundesliga.

Von Anna Dreher, Stuttgart

Ganz genau konnte sich Thomas Hitzlsperger nicht erinnern, wann er daran geglaubt hatte, dass das gut enden würde für den VfB Stuttgart. Der Sportvorstand stand im Kabinengang der Arena in Bad Cannstatt, er wirkte halb gelöst, halb angespannt in einer Art Transitgefühlswelt nach diesem Fußballspiel gegen den VfL Wolfsburg. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass die Spieler nicht nachlassen heute", sagte Hitzlsperger. Da sei ihm klargeworden, dass viel zusammenkommen müsse, damit das noch schiefgehe. "Dann habe ich das Ergebnis von Nürnberg mitbekommen und es hat gutgetan, einfach mal ruhig auf der Bank zu sitzen."

Der 1. FC Nürnberg, Tabellensiebzehnter vor dem Anpfiff des vorletzten Spieltags, hatte parallel 0:4 gegen Borussia Mönchengladbach verloren. Der einen Rang besser platzierte VfB Stuttgart 3:0 (1:0) gegen Wolfsburg gewonnen. Dass auch Hannover an diesem Samstag ein 3:0 gegen Freiburg erzielte, war den Schwaben egal. Die Reihenfolge lautet nun: Stuttgart, Hannover, Nürnberg. Die Mannschaft von Interimstrainer Nico Willig wird also am 23. und 27. Mai in der Relegation um den Verbleib in der ersten Bundesliga spielen - nach einer schlechten Saison, die mit so viel Euphorie begonnen hatte und nach zwei Trainerentlassungen und dem Rauswurf von Sportvorstand Michael Reschke noch in eine halbwegs versöhnliche Übergangsphase gegangen ist.

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Wie das Fazit ausfällt, entscheiden die kommenden Wochen. Mit wem die neue Saison auf der Trainerbank angegangen wird, ist offenbar schon entschieden. Zumindest bestätigte Hitzlsperger das indirekt. "Jetzt ist der falsche Moment, über Trainerkandidaten und deren Qualitäten zu sprechen", hatte der 37-Jährige dem TV-Sender Sky vor dem Spiel gegen Wolfsburg gesagt. "Aber unterstellen wir Fabian Wohlgemuth mal, dass er nicht lügt, dann ist es auch okay." Zuvor hatte Wohlgemuth, Sport-Geschäftsführer von Holstein Kiel, erklärt, dass ihm Tim Walter, 43, seinen Wechselwunsch zum VfB mitgeteilt habe. Den Fokus wollte Hitzlsperger an diesem Tag lieber auf die Gegenwart legen: "Es ist schön, dass wir das heute selbst erledigt haben. Jetzt überwiegt die Freude, aber natürlich werden wir uns bald fragen: Warum nicht gleich so? Vielleicht finden wir es bald raus, das ist nicht so einfach."

Dieses "so" bezog sich auf offensiv nicht nachlassende Spieler, die jedoch auch von dem schwachen Tag profitierten, den die Wolfsburger erwischten. Die Gastgeber zeigten auffallend früh, dass sie sehr genau wussten, um was es an diesem Nachmittag ging. Schon seit dem 16. Spieltag Mitte Dezember verharrt der VfB auf dem Relegationsplatz und konnte keine wirklich beruhigende Distanz zwischen sich und die Abstiegsränge bringen. Die Leistung sollte - und musste - sich also bessern. Mit hängenden Köpfen, wie vergangene Woche in Berlin, wollte am Samstag keiner den Platz verlassen. In der vierten Minute aber erinnerte eine Szene dann doch an das 1:3 bei Hertha BSC. Dort hatte sich der VfB um einen Elfmeter gebracht gefühlt, nun gegen Wolfsburg ebenfalls. Schiedsrichter Felix Brych schallte früh der schwäbische Groll entgegen, als er nach einem Foul von William an Nicolas Gonzalez im Strafraum weiterspielen ließ und auch vom Videoassistenten aus Köln zu Unrecht keine Gegenstimme kam.

Stuttgarts Glück war es, dass Wolfsburg auch nichts gelang

Nach Ballgewinnen so schnell wie möglich nach vorne, das versuchte der VfB immer wieder - und scheiterte doch auf den letzten Metern. Dass Wolfsburg auch nichts gelang, war Stuttgarts Glück. Maximilian Arnold schoss kurz vor der Pause beherzt aus über 60 Metern, warum auch nicht, Ron-Robert Zieler stand ja einladend weit vorne und kam nicht hinterher. Doch der Ball landete auf und nicht im VfB-Tor. Im Stadion wurden die Spielstände der anderen Partien durchgegeben und auf den Rängen mit Freude darauf reagiert, dass fast überall Tore erzielt wurden, in Nürnberg aber nicht. Hannovers Führungstreffer verschwiegen sie in Stuttgart sicherheitshalber. Ob es umgekehrt bei 96 auch so war?

Es hätte jedenfalls doch noch Meldungspotenzial gegeben. Unmittelbar bevor Brych zur Pause pfiff, zog Gonzalo Castro wuchtig ab - doppelt abgefälscht landete der Ball am Innenpfosten und zum 1:0 im Tor. Nach der Pause wechselte Willig Daniel Didavi für Alexander Esswein ein (53.). Schon zwei Minuten später konnte sich der Trainer dazu selbst gratulieren. Didavi tänzelte zwei Gegner aus, passte zur Mitte auf Anastasios Donis, der seinen Fuß hinhielt und den Ball flach ins rechte Eck zum 2:0 lenkte. Die schwäbische Euphorie war nicht weniger laut als beim zuvor geäußerten Groll, als sich in der 83. Minute Benjamin Pavard und Christian Gentner den Ball hin und her spielten und zu Didavi passten, der nach seiner Vorlage auch noch selbst zum 3:0-Endstand traf. Spätestens da war alles besiegelt: Der VfB Stuttgart ist in der Relegation, er darf (besser: muss) für all das zuvor in dieser Saison Versäumte noch ein bisschen nachsitzen.

© SZ vom 12.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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