VfB gewinnt in Darmstadt:Stuttgart nimmt die nächste Stufe

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Mo Dahoud entschied mit seinem Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0 das Spiel zugunsten des VfB. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Lange in Unterzahl, Auswärtsspiel - und trotzdem drei Punkte: Dem VfB Stuttgart gelingt beim schwer erkämpften 2:1 in Darmstadt der zweite Arbeitssieg in Serie. Der Aufsteiger dagegen bekommt sein zentrales Problem einfach nicht in den Griff.

Von Christoph Ruf, Darmstadt

Man hat den VfB Stuttgart zuletzt häufig für seine Spielweise gelobt, für rauschhafte Siege gegen Dortmund, Leipzig, Freiburg und einige andere Opfer. Nun, nach dem 2:1-Sieg bei Darmstadt 98, muss schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche ein anderes Fazit gezogen werden. Schön spielte der VfB weder beim 3:1-Sieg gegen Mainz noch jetzt in Darmstadt. Es war eher, wie es der Schütze des zwischenzeitlichen 2:0, Mo Dahoud, in bestem Fußballdeutsch formulierte: "Das war ein dreckiger Arbeitssieg."

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Dabei stand Serhou Guirassy im Hessischen erstmals seit dem Afrika-Cup wieder in der Stuttgarter Startelf. Dass er dann eilends das wichtige 1:0 köpfte, verführt allerdings möglicherweise zu falschen Schlüssen. Allzu viel zu sehen war von ihm nicht, zumindest nicht im vorderen Drittel des Spielfeldes. Dafür wich der 18-malige Torschütze auf die defensiven Flügel aus und verteidigte leidenschaftlich mit. Genau wie der Sturmkollege Deniz Undav, der nur einen echten Torabschluss verzeichnete, aber so lange fleißig Kilometer abriss, bis er nach 80 Minuten angeschlagen ausgewechselt werden musste.

Nach dem Platzverweis von Stenzel spielt der VfB eine Halbzeit in Unterzahl

Und damit genug der Kleinigkeiten, schließlich kann man die vergangene VfB-Woche auch als das zusammenfassen, was sie eigentlich war: ausgesprochen erfolgreich. Sowohl gegen den Vorletzten Mainz als auch gegen den Letzten aus Darmstadt gelangen hart erkämpfte und deshalb extrem wichtige Siege. Während die Konkurrenz aus Leipzig oder Dortmund immer mal wieder Punkte liegenlässt, passiert das dem VfB nicht einmal, wenn er wie in Darmstadt zu zehnt spielen muss, weil ein Spieler (Pascal Stenzel) noch in der ersten Hälfte die gelb-rote Karte kassiert. Völlig zu Recht ist Stuttgart also derzeit Dritter, mit fünf Punkten Vorsprung auf Dortmund und Rang vier. Nach zwei Dritteln der Saison deutet vieles darauf hin, dass es im letzten Drittel weniger darum gehen wird, ob der VfB in der Saison 2024/25 international spielen darf. Sondern eher, ob er das in der Europa League oder in der Champions League tun wird.

Darmstadt hingegen tat auch am Samstag alles, um demnächst nicht wieder in der zweiten Liga spielen zu müssen. Doch auch eine mutige Spielweise und die Vorgabe, langsam aber sicher in den Alles-oder-nichts-Modus zu wechseln, brachte zwar wieder viel Lob, aber eben keine Punkte. Weshalb Trainer Torsten Lieberknecht nach dem Spiel auch offiziell das Ziel ausgab, den Klassenerhalt "über den Umweg Relegation" zu schaffen und Platz 16 anzuvisieren. Dort steht derzeit der 1. FC Köln mit vier Zählern Vorsprung. Doch selbst die werden kaum einzuholen sein, wenn die zwei Hauptprobleme des Aufsteigers bestehen bleiben. Zum einen, man kann es nicht anders sagen, haben die Darmstädter in fast jedem Spiel auch ein wenig Pech. So wäre der Ball am Samstag bei einem Klärungsversuch von Waldemar Anton fast qua Eigentor zum Ausgleich im Stuttgarter Netz gelandet - er ging aber natürlich wenige Zentimeter vorbei. Wer eine Menge Zeit mitbringt, kann sich von Torsten Lieberknecht etwa ein Dutzend weiterer solcher unglücklichen Fügungen referieren lassen, alle aus dieser Spielzeit.

Seydels Treffer zum 1:2 war erst das dritte Tor eines Darmstädter Stürmers im 22. Spiel

Das zweite Darmstädter Problem ist noch gravierender. Und es ist - sofern man das bei einem Verein mit Bonsai-Etat sagen kann - selbst verschuldet. Auch gegen Stuttgart verteidigte man mehr als ordentlich, und das könnte ja durchaus die Basis für eine Aufholjagd sein - wenn die Lilien sich vor dem gegnerischen Tor nicht in unschöner Regelmäßigkeit so aktionistisch anstellen würden. Der Treffer zum 1:2 von Aaron Seydel war erst das dritte Tor eines Darmstädter Stürmers im 22. Spiel.

Gegen zehn Stuttgarter versuchte Darmstadt immer wieder, die Überzahl auszuspielen, vergaß darüber aber den Sinn des Spiels. Anstatt den Abschluss zu suchen, wurden die Bälle durchgelassen, blöderweise meist auf den Kollegen, dessen Schussposition schlechter war. Winter-Zugang Sebastian Polter war eifrig, Sturm-Kollege Luca Pfeiffer ebenfalls. Doch so ungeschickt, wie er sich nicht zum ersten Mal selbst drei Meter vor der Torlinie anstellte, braucht es schon die Lieberknecht'sche Liebe zu seinen "Jungs", um so gnädig zu urteilen, wie es der Coach mit einer wunderbaren Formulierung tat: "Da wünschen wir uns, dass er den mit seiner Coolness, die er normalerweise auch hätte, reinmacht."

Luca Pfeiffer hätte, mit anderen Worten, so cool sein müssen wie die Jungs vom VfB, die womöglich gerade dabei sind, die nächste Stufe ihrer Entwicklung zu nehmen. Die Elf vollzieht gerade im etwas kleineren Maßstab und natürlich auch auf etwas tieferem Niveau das nach, was in Leverkusen passiert: Die Künstler entwickeln offenkundig eine große Lust daran, miteinander und füreinander zu kämpfen. Wer die aus alle Richtungen zusammen laufenden und übereinanderspringenden Stuttgarter beim Jubel nach Dahouds 2:0 beobachtete, braucht nicht in der Kabine dabei zu sein, um zu verstehen, dass es sich hier um eine intakte Mannschaft handelt, wie man auf Fußballdeutsch sagen würde.

Übrigens gehört eigentlich auch Luca Pfeiffer zu dieser Mannschaft. Die Darmstädter haben ihn vom VfB ausgeliehen.

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