VfB Stuttgart im DFB-Pokal:Verein fürn Bundestrainer

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Bundestrainer Julian Nagelsmann (Mitte) beobachtete das VfB-Spiel gegen Dortmund mit Freundin Lena Wurzenberger (links) und Trainervater Dieter Hoeneß (rechts). (Foto: Robin Rudel/Sportfoto Rudel/Imago)

Führich, Undav, Anton und wer noch? Beim Pokalspiel gegen Dortmund entdeckt Julian Nagelsmann in der Elf des VfB Stuttgart einige interessante Kandidaten.

Von Christof Kneer

Als Julian Nagelsmann auf der Tribüne der Stuttgarter Arena auftauchte, schien die Motivlage im ersten Moment eindeutig zu sein. Schließlich gehört es zum Pflichtprogramm von Bundesligatrainern, den übernächsten Gegner einer genaueren Beobachtung zu unterziehen, und ein Blick in den Ligakalender ergab, dass der FC Bayern am übernächsten Wochenende den VfB Stuttgart empfängt. Diese Erkenntnis blieb den gesamten Pokalabend über gültig, der erste Reflex erwies sich allerdings als falsch. Julian Nagelsmann ist inzwischen Bundestrainer, ein Umstand, an den sich alle Beteiligten inklusive Julian Nagelsmann erst noch gewöhnen müssen.

Diese vorübergehende Sinnestäuschung passte zu einem Pokalabend, der an manchen Stellen schwer zu glauben war. So sah der Bundestrainer Nagelsmann beim Fast-Meister aus Dortmund mehrere Spitzenspieler, deren Leistung wie ein umgekehrtes Bewerbungsschreiben wirkte: "... hiermit bitten wir Sie, von künftigen Nominierungen für die Nationalmannschaft abzusehen, mit frdl. Grüßen Emre Can, Mats Hummels, Nico Schlotterbeck, Julian Brandt, Niclas Füllkrug, Karim Adeyemi ..."

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Das Pokal-Aus in Stuttgart zeigt deutlich: Der pragmatische Defensivansatz von Edin Terzic funktioniert beim BVB nicht - und versündigt sich an der spielerischen DNA des Vereins. Vor allem für den Trainer ist das sehr riskant.

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Überzeugendere Arbeitsnachweise legten dagegen mehrere Spieler des Fast-Absteigers aus Stuttgart vor: "... und bieten wir hiermit an, unseren Mitspieler Chris Führich zu den nächsten Länderspielmaßnahmen zu begleiten, mit frdl. Grüßen Deniz Undav, Waldemar Anton, Alexander Nübel, Maximilian Mittelstädt, Angelo Stiller, Atakan Karazor." Auch Josha Vagnoman könnte das Dokument prophylaktisch schon mal unterzeichnen; ihn hatte Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick schon mal ins A-Team berufen, im Moment hat der Rechtsverteidiger nach längerer Verletzungspause aber noch erheblichen Nachholbedarf.

Blickt man auf die vergangenen Jahre, ist es jedenfalls ein durchaus exotischer Gedanke, dass das Kürzel V-f-B im Moment "Verein fürn Bundestrainer" bedeutet.

Stürmer Deniz Undav bestätigt, dass er sich für die DFB-Elf entschieden hat

Tatsächlich macht sich der Traditionsverein aus Schwaben gerade einen Spaß daraus, die Beobachter im Unklaren zu lassen. Zwar ließ das spektakulär verdiente 2:0 gegen Dortmund einen Anfangsverdacht auf Spitzenmannschaft zu, was sich auch am sonderbaren Spielansatz des gegnerischen Trainers Edin Terzic ablesen ließ, der seine Dortmunder im Angesicht des VfB freiwillig bagatellisierte. Die Stuttgarter zeigten dem Bundestrainer alle Farben und Formen des modernen Fußballs, sie kombinierten zügig, verteidigten aufmerksam und stürzten sich gemeinsam in ein enthusiastisches Pressing.

Unterzieht man die Stuttgarter Einzelspieler allerdings einer DFB-Tauglichkeitsprüfung, ergeben sich deutliche und undeutliche Ergebnisse. Einige VfB-Profis emanzipieren sich gerade erkennbar von der Die-haben-ja-nur-einen-Lauf-Unterstellung; bei anderen ist man sich da noch nicht so sicher.

In einem Fall ist bereits Vollzug gemeldet worden, sicherheitshalber vom Protagonisten selbst. Der über Umwege auf die große Bühne geratene Stürmer Deniz Undav, 27, wirkt nach Spielen manchmal immer noch wie ein Oberligaspieler, der sehr staunen muss, weil ihm schon wieder jemand ein Mikrofon in die Hand gedrückt hat. Undav spricht dann, wie er Fußball spielt, er findet meistens eine originelle Lösung. "Einigkeit, Recht und Freiheit", antwortete er auf die Frage, ob er sich bereits zwischen Deutschland und der Türkei entschieden habe. Er bestätigte auch ein Telefonat mit Nagelsmann; dabei habe er dem Bundestrainer "gesagt, dass ich auf jeden Fall die Chance ergreifen möchte, für Deutschland zu spielen - wenn ich sie bekomme".

War Maximilian Mittelstädt vielleicht einfach zu lang bei Hertha BSC?

Undav hatte nicht seinen auffälligsten Abend hinter sich, aber seine Eignung als schlaue Sturm-Alternative ist kaum mehr umstritten, ebenso wenig wie die des fidelen Flügelmannes Führich, 25. Auch Abwehrspieler Waldemar Anton, 27, dürfte sich inzwischen endgültig für die Rolle des "Workers" empfohlen haben, den Nagelsmann neuerdings angeblich sucht. Für den Torwart Nübel, 27, und den Mittelfeldspieler Stiller, 22, müsste man sich im DFB-Team ebenfalls nicht genieren, allerdings besteht auf ihren Positionen kein akuter Bedarf - was direkt zu Mittelstädt, (26, Linksverteidiger) und Karazor (27, defensiver Sechser) führt, deren Profile beim DFB dringend vermisst werden.

Karazor steht allerdings eher im Verdacht, ein Profiteur der Stuttgarter Eigendynamik zu sein, was bislang erst recht für Mittelstädt galt. Wer den Außenverteidiger zuletzt aber in allen positionsrelevanten Teilbereichen glänzen sah, könnte auch auf eine andere Idee kommen: jene, dass er einfach ein bisschen zu lang bei Hertha BSC war, um sich entwickeln zu können. Und dass er jetzt nochmal frisch in die Karriere startet, die er bisher nicht hatte.

Die nächsten Gegner des VfB heißen übrigens Bayer Leverkusen und Bayern München. Julian Nagelsmann dürfte genau hinschauen.

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