Vettel gewinnt in Bahrain:Von Räikkönen ans Limit getrieben

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Nie weg oder wieder da? In jedem Fall ganz oben: Sebastian Vettel erobert in Bahrain mit seinem ersten Saisonerfolg die Führung in der Formel-1-Wertung. Dabei wird es am Ende knapper als erhofft, das Überraschungsteam Lotus setzt den Weltmeister stark unter Druck. Michael Schumacher gelingt eine starke Aufholjagd: Beide Mercedes schaffen es in die Top Ten.

René Hofmann

Es war knapp. So knapp, dass Sebastian Vettel auf die Ehrenrunde verzichtete. Nachdem er den Rennwagen, den ihm die österreichische Getränkefirma Red Bull baut, in Bahrain als Erster ins Ziel gelenkt hatte, zog der Titelverteidiger nach rechts und stellte das Auto ab. Es war nicht mehr genug Benzin im Tank.

Übernahm nach seinem Sieg in Bahrain auch die Führung in der Fahrer-WM: Sebastian Vettel (r.) mit Kimi Räikkönen (Foto: Getty Images)

Kimi Räikkönen im Lotus-Renault hatte Vettel ans Limit getrieben, was der zweimalige Weltmeister auch unumwunden zugab. "Die Saison ist sehr eng. Für einen Sieg muss alles stimmen. Ich bin sehr froh, dass uns das hier gelungen ist. Aber ich weiß nicht, wie es weitergeht", sagte Vettel, der mit seinem ersten Sieg 2012 die Führung in der Fahrerwertung übernahm.

Die ersten vier Saisonrennen haben vier verschiedene Sieger und vier verschiedene Sieger-Teams hervorgebracht. Vor Vettel waren Jenson Button (McLaren), Fernando Alonso (Ferrari) und Nico Rosberg (Mercedes) am schnellsten. Für sie alle lief es am Sonntag nicht gut. Button fiel in der Schlussphase mit einem technischen Defekt aus, Alonso wurde lediglich Siebter,

Nico Rosberg belegte im Ziel den gleichen Platz, den er in der Startaufstellung hatte einnehmen dürfen: den fünften. Lewis Hamilton im zweiten McLaren und Mark Webber im zweiten Red Bull - bei den ersten drei Rennen die konstanten Größen hinter der Spitze - konnten ebenfalls nicht glänzen: Webber wurde Vierter, Hamilton Achter. Die hohen Temperaturen in der Wüste machten den Weg frei für den Rückkehrer Räikkönen und seinen Teamkollegen, den 26 Jahre alten Franzosen Romain Grosjean, der als Dritter erstmals zu einer Formel-1-Siegerehrung geladen wurde.

Räikkönen, der 2010 und 2011 nicht in der Formel 1 antrat, war nicht restlos zufrieden. "Wir hätten das Rennen gewinnen können", sagte der Finne. Bei der einzigen Überholmöglichkeit, die sich ihm gegen Vettel bot, entschied Räikkönen sich aber für die falsche Straßenseite. Vettel konnte den Angriff abblocken und sich so den Erfolg sichern, für den er am Samstag bereits den Grundstein gelegt hatte. Zum ersten Mal in diesem Jahr war es ihm da geglückt, den besten Startplatz zu ergattern.

Vettel, Hamilton, Webber, Button, Rosberg - so lautete die Reihenfolge auf den ersten fünf Plätzen vor der Startampel. Als deren Lichter erloschen, schob Vettel sich souverän in Führung und nutzte danach umgehend die Gelegenheit, unbedrängt einen Vorsprung herauszufahren. "Der Start war gut. Das war letztlich entscheidend", sagte er im Ziel.

Ohne die Sekunden, die er auf den ersten Runden hamsterte, hätte es auf den letzten noch einmal eng werden können. Räikkönen und Grosjean mussten sich von den Startplätzen elf und sieben aus erst durchs Feld kämpfen.

"Wir mussten alle Register ziehen", gab Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko zu, der dieser Devise auch bei der Einordnung des Ergebnisses treu blieb: "Totgesagte leben länger!" In der Konstrukteurswertung wird der Rennstall trotz der Enttäuschungen bei den ersten drei Auftritten nun wieder ganz vorne geführt, mit 101 Punkten vor dem McLaren-Team, das auf 92 Zähler kommt.

Noch mehr als über das hübsche Resultat freute Sebastian Vettel sich in Sakhir jedoch über ein Gefühl: "Zum ersten Mal war die Balance des Autos so, dass ich konstant ans Limit gehen konnte." Das bessere Miteinander von Fahrer und Fahrzeug kam nicht über Nacht, es wurde in Nachtschichten erarbeitet.

Beim Großen Preis von China sieben Tage zuvor hatte Vettel noch darüber geklagt, sein Renault-Motor habe "nicht genug Dampf". In Bahrain trieb das Aggregat nicht nur ihn vorbildlich an; auch Räikkönen und Grosjean, deren Vorwärtsdrang von der gleichen Firma kommt, waren schnell unterwegs.

In Shanghai war Red Bull zudem einen Kompromiss eingegangen und hatte Vettel und Webber mit unterschiedlichen Konfigurationen des Rennwagens ausrücken lassen. "Dabei haben wir viel gelernt", sagt Vettel rückblickend. Zu verstehen, welche Schräubchen wohin gedreht werden müssen, damit die Einheitsreifen der Firma Pirelli optimal genutzt werden - das ist in diesem Jahr offenbar der Schlüssel zum Titel.

Inzwischen gibt es aber auch Stimmen, die das alles andere als toll finden. Mercedes-Fahrer Michael Schumacher, den Defekte auf den letzten Startplatz warfen, von dem aus er im Rennen Zehnter wurde, meint: Die Reifen seien zu sensibel. "Wir fahren zum Teil nur mit 60, 70 Prozent durch die Kurven, weil sie sonst von der Felge fliegen. Das finde ich nicht ganz so passend."

© SZ vom 23.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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