Verletzungssorgen beim FC Bayern:Mit dem Radl zum Arzt

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Nach der gravierenden Verletzung von Nationalstürmer Mario Gomez lobt Trainer Jupp Heynckes das Ergänzungspersonal. Ein Gewinner der Vorbereitung ist der Schweizer Xherdan Shaquiri. Dennoch bleibt ihm nicht viel Zeit zur erfolgreichen Improvisation. Nehmen die Bayern nun wieder den Martinez-Transfer ins Visier?

Andreas Burkert

Vielleicht drei Minuten benötigt Bastian Schweinsteiger, wenn er von daheim mit dem Radl zum Arzt seines Vertrauens rollt, zu Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der nahe des Marienplatzes die Kundschaft empfängt. Der Doktor des FC Bayern gewann ja soeben, dies hat zumindest das jamaikanische Naturereignis Usain Bolt in London verkündet, ein paar Gramm olympischen Sprintgolds, weil er das Rückenleiden des Sprinters entscheidend linderte.

Schweinsteiger mit Trainer Heynckes: Drei Minuten zum "Mull" (Foto: Bongarts/Getty Images)

Doch Montagfrüh lief der Guru der Promiathleten aus aller Welt trotzdem wieder pünktlich zum Dienst ein, denn das Alltagsgeschäft brummt mehr, als ihm lieb ist: Auch Schweinsteiger, der Langzeitverletzte der zurückliegenden Bayern-Saison, erschien mal wieder kurzfristig zum Termin.

Dass der Nationalspieler mit dem Drahtesel vorfuhr und nur ein Viertelstündchen blieb, ließ die Münchner immerhin erleichtert innehalten: umgeknickt, leichte Bänderdehnung, das sollte in wenigen Tagen vergessen sein. Weitere Absenzen können die Bayern allerdings auch nicht gebrauchen, der Krankenstand ist hoch genug. Nationalstürmer Mario Gomez blockierte beispielsweise den ganzen Vormittag über ein Behandlungszimmer beim "Mull", wie sie den Doc nennen.

Gomez werden, wie am Sonntag nach den folgenreichen Testspielen in Hamburg bekannt gegeben wurde, im Sprunggelenk operativ freie Gelenkteilchen entfernt. Der Gegenstand der jüngsten klubinternen Debatten dürfte rund sechs Wochen ausfallen.

Die Münchner wähnten sich ja eigentlich gut gerüstet für die traditionell komplizierte Saison nach einem großen Nationenturnier, in diesem Fall der EM 2012; Dante, Shaqiri, Mandzukic und Pizarro, dazu die Talente Can und Weiser, mit diesen Transfers für die zweite und dritte Reihe sollte Ermüdungen und Formschwächen des beanspruchten Stammpersonals vorgebeugt und diesem zugleich Beine gemacht werden.

"Nun beklagen wir schon drei schwerverletzte Spieler, David Alaba, Diego Contento und Rafinha, die länger ausfallen. Jetzt kommt Mario hinzu", hadert Coach Jupp Heynckes: "Es zeigt sich immer wieder, dass man mit Verletzungen rechnen muss. Da ist es gut, dass wir im Kader gut bestückt sind."

Dennoch, kurz vor den ersten offiziellen Einsätzen des FC Bayern - dem Supercup-Duell mit Doublegewinner Borussia Dortmund an diesem Sonntag (20 Uhr) in München und dem Derby in der ersten DFB-Pokalrunde bei Zweitliga-Neuling Jahn Regensburg (Montag, 20. August) - ist jetzt schon sicher: Der Trainer muss improvisieren, und das zu Beginn einer Spielzeit, in der die Bayern nach zwei Jahren ohne jeden Titel zu Erfolgen genötigt sein werden. So hat es auch der neue Sportvorstand Matthias Sammer bei seiner Präsentation vor einem Monat angeordnet: "Wir müssen und werden sofort erfolgreich sein."

Diesen Auftrag hat Heynckes zu erfüllen, und der 67-Jährige begegnet den schlechten Nachrichten aus der medizinischen Abteilung routiniert mit Frohsinn. Heynckes lobte also nach den Hamburger Nackenschlägen zielsicher das neue Personal, dem er nun sein Vertrauen zu schenken hat. "Die Neuen haben mich nicht nur überzeugt, sondern sogar begeistert", sagte er.

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Als Gewinner der bisherigen Vorbereitung darf sich die Schweizer Kraftkugel Xherdan Shaqiri fühlen - für den Heynckes jedoch nicht nur im Idealfall erst eine Position finden müsste: Der vielseitige Dribbler von 169 Zentimetern ist ein Kandidat für die rechte oder linke Außenposition - wo dummerweise zwei Spieler namens Franck Ribéry und Arjen Robben vorgesehen sind. Und obwohl der Franzose zuletzt eine Fersenentzündung beklagte, sind beide ausnahmsweise einsatzfähig. Wohin also mit Shaqiri?

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Mit diesem Luxus kann Heynckes leben, doch ansonsten wird er sich nun wieder als Puzzlespieler betätigen müssen; wie schon vergangene Saison, als die Laborphase für die Abwehrbesetzung allerdings viel zu lange währte. Vorn ist derweil statt Gomez der Kroate Mandzukic gesetzt; seines Hinweises von Hamburg, er habe sich "bislang überall durchgesetzt", hätte es demnach gar nicht bedurft. Zumal Claudio Pizarro angeschlagen ist, der in Hamburg wegen Hüftproblemen fehlte und am Montag ein Rehaprogramm absolvierte.

Sorgen bereitet den Bayern auch die Abwehr, und zwar außen, wo Contento (Haarriss), Rafinha (Bänderriss) und erst recht Alaba (Ermüdungsbruch) den Start verpassen dürften. Ein Linksverteidiger wird mal wieder gesucht, zuletzt testete Heynckes dort den 18-jährigen zentralen Mittelfeldspieler Emre Can und Luiz Gustavo; auch Shaqiri hat übrigens beim FC Basel schon mal Außenverteidiger gespielt.

Das alles klingt nach Notstand und könnte in München zu einem Umdenken führen. Der Gewinner des Bayern-Mittelfeld-Castings, Spaniens Nationalspieler Javi Martinez von Athletic Bilbao, hatte zwar kürzlich erklärt, seinen Vertrag (bis 2016) erfüllen zu wollen. Doch das sei nicht das Problem, betont nun Bayern-Präsident Uli Hoeneß: "Das einzige Problem ist noch die hohe Ablösesumme, dazu kann sich hier im Moment keiner durchringen."

40 Millionen Euro hat Bilbao für den defensiven Mittelfeldspieler aufgerufen. Bisher lehnten die Bayern diese Forderung ab, und Schweinsteiger kann also mit dem Radl zum Arzt fahren. Doch wirklich beruhigen tut das die Bayern nicht.

© SZ vom 07.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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