Verletzungen im Fußball:Sportärzte und Hütchenspieler

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Mark van Bommels Verletzung ist schlecht für den FC Bayern - aber noch schlechter für den Ruf der Sportärzte. Die Fußballshow muss immer weitergehen. Die Gesundheit der Spieler bleibt auf der Strecke.

Thomas Kistner

Hätte der niederländische Fußballverband seinen Teamkapitän, wie von dessen Arbeitgeber gefordert, vor dem Schweden-Länderspiel zurück gen München geschickt, wäre Mark von Bommel dann nicht am Samstag gegen Hannover voll im Einsatz gewesen? Sicher doch, irgendwie hätte man das hingekriegt für ein so wichtiges Spiel, bei dem es womöglich um die letzte Titelchance der Bayern geht. Und dann wäre er vielleicht ja im Knüller gegen Hannover aufs vorbelastete Knie gestürzt.

Während des Trainings der holländischen Nationalmannschaft saß der angeschlagene Mark van Bommel auch mal auf der Bank - beim Länderspiel gegen Schweden stand er dann aber auf dem Platz. (Foto: dpa)

Das führt zum Kern des Problems: Die Interessenslage aller Beteiligten in dem Milliardengeschäft ist letztlich dieselbe: Es geht nur um Erfolge und Erlöse, so gut wie keine Rolle spielt dabei ein Aspekt, der stets nur dann bemüht wird, wenn er, wie jetzt, für die öffentliche Debatte taugt: Die Gesundheit der Spieler. So sieht es auch im aktuellen Fall aus. Wenn zutrifft, dass sich van Bommel schon seit Wochen mit Knieproblemen plagte, er aber trotzdem für den Bundesligabetrieb fitgemacht (Fachjargon) wurde, liegt der Schluss nahe, dass seine Gesundheit jetzt als Argument instrumentalisiert wird. Warum hat er die Blessur nicht schon früher auskuriert?

Die Wunderheiler

Zugleich erscheint es an der Zeit, Hollands Teamärzten auf die Finger zu schauen. Dass sie van Bommel spielen ließen, wirkt ja wie eine Lappalie gegen das Verfahren mit Arjen Robben. Laut FC Bayern bestritt der Angreifer in Südafrika mit einem Fünf-Zentimeter-Riss im Beinmuskel vier WM-Spiele, 120 rasante Endspielminuten inklusive. Da will man gar nicht wissen, was an Schmerzmittel in ihn reingepumpt worden sein muss - und welche (Pharma-)tricks angewendet wurden, um einen so perforierten Muskel unter Höchstbelastung vor dem vollständigen Zerreißen zu bewahren. Denn: Anzumerken war Robben die Blessur nicht.

Der Humanmediziner als Hütchenspieler - im Sport ist das Szenario geläufig. Es birgt ja viel strategischen Nutzen: Mal kommt es zu jähen Verletzungen, mal zu Wunderheilungen, je nach Bedarf. Das funktioniert, weil, siehe van Bommel, die Profis in der Regel sehr gern mitspielen: Sie wollen Geld und Titel abholen und Plätze und Positionen verteidigen.

So sieht es aus, das geschlossene Gesundheitssystem im Fußball. Auswege gäbe es, klar: Eine Schiedsstelle etwa aus einem Pool von klub- und verbandsunabhängigen Ärzten, die kurzfristig per Gutachten über Verletzungsfälle befinden. Damit aber gäben Klubs, Verbände und Profis die Macht über ihre Sportshow aus den Händen. Dann würden bald Stars in rauen Mengen die Ersatzbänke bevölkern - für die Prognose braucht es weder Ärzte noch Propheten. Man muss nur all die Statistiken lesen, die vom exorbitanten Schmerzmittelkonsum im Fußball zeugen.

© SZ vom 15.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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